Die ÖBB-Tochter Rail Cargo Austria (RCA) hat den jahrzehntealten Güterverkehr-Kooperationsvertrag mit den Privatbahnen gekündigt. Betroffen sind rund zehn Privatbahnen, die auch Güter befördern, in Tirol z.B. die Zillertalbahn. Die Regionalbahnen sehen sich durch diesen Schritt wirtschaftlich bedroht.
Güterumschlagsplatz bei der Zillertalbahn in Jenbach Foto: Marcel Manhart
Wie das „WirtschaftsBlatt“ in seiner Montagausgabe berichtet, betrifft die Vertragskündigung österreichweit zehn Privatbahnen, die neben Personen auch Güter befördern, etwa die Montafoner Bahn, die Zillertalbahn, die Raaberbahn, Stern & Hafferl, die Graz Köflacher Bahn, die Steiermärkische Landesbahnen, die Salzburger Lokalbahn oder die Wiener Lokalbahnen. Laut Branchenobmann Thomas Scheiber, Kaufmännischer Direktor der Innsbrucker Verkehrsbetriebe, steht nun ein zweistelliger Millionenbetrag auf dem Spiel.
Einzelne kleine Bahnunternehmen, die bisher für die Rail Cargo Transporte abwickeln, würden ab Januar 2014 Einbussen von bis zu 70 Prozent hinnehmen müssen. „Dieses Geschäft ist so nicht mehr wirtschaftlich zu führen.“ Ausserdem stehe eine Verlagerung der Transporte auf die Strasse und eine Verkehrslawine von bis zu 300.000 Lkw-Fahrten bevor.
Neuer Vertrag im Zillertal noch nicht in Sicht
Bei der Zillertalbahn weiaa man seit drei Wochen von der Entscheidung. Verträge und Tarife seien historisch gewachsen, so Prokurist Andreas Lackner im Gespräch mit tirol.ORF.at. Rail Cargo Austria wolle, dass die Bahn den Kunden künftig direkt gegenübertrete. Für die Zeit ab Januar 2014 gebe es zwar Vertragsentwürfe, aber keine Angaben über die Preise, so Lackner, und diese seien entscheidend. Fest stehe, dass RCA künftig der Regionalbahn deutlich weniger zahlen wolle. Derzeit suche man einen Gesprächstermin.
Die Zillertalbahn wickelt nur mehr wenige Transporte ab, der einzige Kunde ist Holz Binder im Zillertal. „Und für die wird es wohl eine Lösung geben“, sagte Lackner. Den künftigen Einnahmenverlust konnte der Prokurist der Zillertalbahn nicht beziffern.
ÖBB argumentiert mit EU-Recht
Die ÖBB begründen die Vertragskündigung mit einer nötigen Anpassung an EU-Regulatorien und wirtschaftlichen Motiven. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Kooperation von den Wettbewerbsbehörden als verbotene Absprache zwischen Unternehmen und Aufteilung von Kunden interpretiert wird. „Wir haben die rechtlich notwendige Kündigung zum Anlass genommen, auch die Preiskonditionen mit unseren Partnern neu zu verhandeln“, so die Bahn laut Zeitung. Ein leistungsfähiges Angebot in der Fläche müsse wirtschaftlich auch tragbar sein. Vor dem Hintergrund, dass der Einzelwagenverkehr erst ab einer Distanz von 250 Kilometern kostenseitig konkurrenzfähig zum Lkw sei, strebten die ÖBB „eine gemeinsame, sinnvolle Lösung“ mit ihren Partnern an. „Die Verhandlungen laufen; die Verträge gelten noch bis Ende 2013.“
Die Privatbahnen wollen ein neues Fördersystem Foto: Marcel Manhart
Die Privatbahnen fordern nun in einem Brief an das Infrastrukturministerium eine Änderung des Fördersystems, doch das Ressort von Ministerin Doris Bures (SPÖ) blockt ab. Das Fördersystem sei erst Ende 2012 „differenziert“ worden. „Und in den Markt und die Tarifgestaltung greifen wir sicher nicht ein“, wird Ministeriumsgeneralsekretär Herbert Kasser zitiert.