Coop ist auch eine Güterbahn

LITRA Artikelserie «Der Güterverkehr auf dem Weg in die Zukunft» (1/4)

 

Coop, das zweitgrösste Detailhandelsunternehmen der Schweiz, verfolgt zurzeit zwei grosse Projekte, die «Logistik- und Bäckereiorganisationsstrategie 2015+» und die CO2-Neutralität, die bis 2023 erreicht werden soll. Ausserdem möchte Coop die Zahl der regionalen und nationalen Verteilzentralen reduzieren. Dafür suchte er nach geeigneten Konzepten, wie Strassentransporte effizient und zu marktfähigen Preisen auf die Schiene verlagert werden könnten, wobei die Grenze zwischen Schiene und Strasse etwa bei 90 Kilometern liegen sollte.

 

Von Hans-Bernhard Schönborn

Auch im Engadin ist Coop mit Kühlcontainern "auf Schiene":   Güterzug der Rhätischen Bahn (RhB) in Samedan                                                                    Foto: Marcel Manhart

 

Im September 2010 kaufte Coop das Eisenbahnverkehrs- (EVU) und Strassentransport-Unternehmen railCare AG in Härkingen, denn es praktizierte bereits ein wirksames Verlagerungskonzept, das sich in relativ kurzer Zeit auf andere Relationen multiplizieren liess. Das EVU, das im September 2009 aus der RaiLogistics AG und den RTS RailTraction Services (Switzerland) SA hervorgegangen war, das also als «Kind» der Liberalisierung im europäischen Schienenverkehr bezeichnet werden kann, wurde als eigenständiges Unternehmen in die Coop-Gruppe eingegliedert. Und so hat railCare neben der bisherigen Kundschaft einen potenten Dauerkunden, der 2012 etwa 50 Prozent der von railCare angebotenen Kapazitäten ausnutzte, 2013 sollen es knapp 70 Prozent sein.

 

Ein Hinderungsgrund, um den Transport von Konsumgütern des täglichen Bedarfs auf die Schiene zu verlagern, ist die in der Regel knappe Zahl an verfügbaren Trassen, ein anderer die heute angewendeten Bahntechnologien und Transportsysteme, denn lange, schwere Güterzüge eignen sich nicht für den Warentransport im Mittel- und Kurzstreckenbereich. Schliesslich – und das ist ein ganz wesentlicher Aspekt – werden die Personen- gegenüber den Güterzügen grundsätzlich priorisiert, d.h. bei Verspätungen bleiben in aller Regel die Güterzüge stehen, bis sie eine neue Trasse bekommen.

 

railCare bietet nun als InterregioCargo tägliche, nach einem festen Fahrplan verkehrende Güterzüge (mit mehreren Kunden auf einem Zug) an, die an festen Haltestellen Wechselbehälter aufnehmen oder abgeben. Die Haltezeit beträgt jeweils etwa eine Stunde. Die Züge sind 250 bis maximal 300 Meter lang, höchstens 700 Tonnen schwer, bieten durchschnittlich 26 Stellplätze an und verkehren mit einer Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h, können also mit den Personenzügen «mitschwimmen». Je nach vorhandener Infrastruktur werden die Wechselbehälter mittels Kran, Reach-Stacker oder Horizontalumschlag direkt vom LKW auf den Bahnwagen umgeladen. Da railCare als Generalunternehmung den Vor- und Nachlauf der Wechselbehälter von den Bahnwagen mit eigenen LKW vornimmt, möchte das EVU in Zukunft nur noch mit der Horizontalumschlagtechnik – auch bei 40-Fuss-Containern – arbeiten, weil diese durch den LKW-Fahrer alleine vorgenommen werden kann.

 

Neben dem InterregioCargo gibt es auch den OnestopCargo mit nur einem Kunden auf dem Zug, wobei Fahrplan, Haltestellen und die Häufigkeit des Verkehrs vom Kunden definiert werden.

 

Zu den schon seit längerem täglich verkehrenden Zügen Felsberg – Frauenfeld – Härkingen – Daillens (und zurück), Gwatt – Härkingen – Frauenfeld – Härkingen – Daillens – Härkingen – Gwatt sowie Härkingen – Bern – Brig – Roggwil – Brig – Bern – Härkingen (teilweise unter Benutzung des Lötschberg-Basistunnels) kam zum Fahrplanwechsel am 9. Dezember 2012 ein tägliches Zugpaar in Nord–Süd-Richtung, nämlich Oensingen – Castione – Stabio (und zurück). Am 1. Juli 2013 soll das CityCargo Genève mit drei Shuttle-Zügen täglich zwischen dem Coop-Verteilzentrum Aclens bei Lausanne und dem Güterbahnhof Genève-La Praille als Neuverkehr gestartet werden. Vom Güterbahnhof aus werden 42 Coop-Filialen im Kanton Genf bedient. Obwohl der Bahntransport nur 60 Kilometer lang ist, dürfte sich das Projekt rechnen, denn die Zahl der benötigten Lastwagen sinkt von 34 auf 14, und die Fahrten über die stauanfällige Autobahn entfallen.

Zum Fahrplanwechsel 2012 hat railCare die von SBB Cargo gemieteten Re 4/4 II 11305 und 11320 zurückgegeben und bei der Railpool GmbH in München vier mit ETCS ausgerüstete Lokomotiven der Baureihe 186 (TRAXX F140MS) längerfristig gemietet. Damit konnte sich railCare auch ein eigenes Erscheinungsbild schaffen. Die Lokomotiven werden fallweise bei Railpool oder bei der BLS unterhalten, da die BLS Maschinen des gleichen Typs als Re 486 besitzt. Nach Felsberg muss allerdings eine braune Re 425 von BLS Cargo eingesetzt werden, weil ja zwischen Chur und Felsberg ein Dreischienengleis unter der RhB-Fahrleitung mit 11 kV Hz befahren wird. Im Austausch dazu hat BLS Cargo eine 186er via Railpool von railCare gemietet, da BLS Cargo diese Maschine gut für den internationalen Verkehr benutzen kann. Für den Rangierdienst auf den Gleisen ohne Fahrleitung in Härkingen steht ein aufgearbeiteter Tm III zur Verfügung. Die beiden Cargo-Triebwagen rXp, ehemalige Cargo-Sprinter der DB, die auf Streckenabschnitten ohne Fahrleitung ihren Zug als Diesel-Triebfahrzeug schleppen können und auf den Strecken mit Fahrleitung als Steuerwagen fungieren, stehen zurzeit wegen technischer Probleme nicht im Einsatz, an der Behebung der Fehler wird aber gearbeitet.

 

railCare beschäftigt zurzeit etwa 140 Mitarbeitende. Während 2012 rund 18.500 20-Fuss-Wechselbehälter transportiert wurden, sollen es 2013 doppelt so viele sein, und für 2014/15 sind weitere Umschlagpunkte z. B. in der Nordwestschweiz und im Unterwallis geplant.

 

Die Serie «Der Güterverkehr auf dem Weg in die Zukunft» beleuchtet in vier Teilen unterschiedliche Aspekte des heutigen Güterverkehrs auf Schiene, Strasse und Wasser. Die Serie ist eine Zusammenarbeit der LITRA und der BAHNJOURNALISTEN SCHWEIZ.