Gemäss den Medienmitteilungen von SBB Cargo und BLS Cargo vom 02. April 2013 wird ab Fahrplanwechsel im kommenden Dezember der Kuchen im Alpentransit-Schienengüterverkehr neu verteilt. Dabei fährt SBB Cargo ab dem Fahrplanwechel 2013/14 im Auftrag von DB Schenker Rail einen bedeutenden Teil der Transit-Verkehre durch die Schweiz. Im Gegenzug verliert aber BLS Cargo ihren Hauptkunden auf der Gotthardachse, was zu einem Personalabbau führen wird.
Ein Güterzug von SBB Cargo in Bellinzona Foto: Marcel Manhart
Nach den Medienmitteilungen von SBB Cargo und von BLS Cargo nehmen der Verband Schweizer Lokomotivführer und Anwärter (VSLF) sowie die Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) ihrerseits mit Medienmitteilungen Stellung dazu.
Stellungnahme VSLF: Verkehrsverlust der BLS Cargo am Gotthard Ende 2013
Die BLS AG informierte am 2. April 2013, dass sie ihren Hauptkunden DB Schenker Rail auf der Gotthardachse Ende 2013 verlieren wird. Es konnte keine Einigung bei den Preisverhandlungen gefunden werden.
Dies wird voraussichtlich einen Stellenabbau von ca. 50-60 Lokführern bei der BLS AG zur Folge haben. Betroffen sind Stellen in den Standorten Erstfeld, Bellinzona und Chiasso sowie Haltingen.
Die BLS AG organisiert Informationsanlässe und ist bereit, nebst internen Lösungen und Personalvermittlungen an andere Bahnen einen Sozialplan auszuarbeiten.
Der VSLF verlangt in Übereinstimmung mit dem Branchen-GAV Regionalverkehr, dass die den Verkehr führenden Cargo-Bahnen das Lokpersonal der BLS AG zu denselben Löhnen und Arbeitsbedingungen übernehmen.
In jedem Fall wird der VSLF auf die Einhaltung der Vorgaben des FDV (Sprachen), des Arbeitszeitgesetzes AZG (inkl. allfälliger Fahrten vor und nach dem Dienst an den Wohnort), und der Verordnung
des UVEK über die Zulassung zum Führen von Triebfahrzeugen VTE bestehen.
Mit unseren Kollegen der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer GDL werden wir den Grundsatz einfordern, dass die Lokomotivführer welche vom Ausland in die Schweiz fahren dieselbe Entlöhnung und Arbeitsbedingungen für die Fahrt in der Schweiz erhalten, wie die Schweizer Lokomotivführer.
Anfragen des VSLF an das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO über die Anwendung des Entsendegesetzes für das Lokpersonal wurden uns bisher nicht beantwortet. Hier besteht dringender Handlungsbedarf durch das Staatssekretariat SECO.
Die Strategie, dass die Trassenpreise in der Schweiz angehoben werden, damit jede Bahn nach dem Verursacher-Prinzip die Kosten für die Benützung der Infrastruktur deckt, erweist sich als richtig.
Die Eidgenossenschaft investiert rund 24 Mia. Franken in die NEAT. Ob es sinnvoll ist, dass nach der Eröffnung der NEAT für die Schweiz kein zusätzlicher volkswirtschaftlicher Nutzen generiert
wird, muss politisch beantwortet werden.
SBB Cargo erhält Auftrag von DB Schenker Rail
SBB Cargo fährt ab dem Fahrplanwechel 2013/14 im Auftrag von DB Schenker Rail einen bedeutenden Teil der Transit-Verkehre durch die Schweiz. Dank diesen zusätzlichen Betriebs- und Traktionsleistungen kann SBB Cargo ihre bestehenden Produktionskapazitäten und Ressourcen optimal auslasten.
Stellungnahme SEV: Preiswettkampf der Güterbahnen gefährdet gegen 100 Stellen:
Die scheussliche Seite der Liberalisierung
Der Wettbewerb im Schienengüterverkehr zeigt seine düsterste Seite: BLS Cargo verliert praktisch seinen ganzen Verkehr auf der Gotthardachse an SBB Cargo; rund 80 Personen stehen beruflich vor dem Nichts. Der SEV verlangt, dass die übernehmende Bahn auch das Personal übernimmt, und er erwartet, dass dieses üble Spiel zu politischen Konsequenzen führt.
Kaum je war Recht bekommen so schmerzlich wie heute: Was der SEV seit Jahren immer wieder kritisiert hat, ist eingetreten. BLS Cargo verliert seinen Auftrag der Deutschen Bahn auf der Gotthardachse, womit rund 80 Personen ihre Stelle einbüssen. Grund dafür ist anscheinend ein günstigeres Angebot einer Konkurrentin, wobei nicht klar ist, wie der Preis gedrückt werden könnte, wenn nicht über Lohndumping.
In erster Linie geht es dem SEV nun um die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Für sie ist einerseits bei der BLS ein Sozialplan zu erstellen, andererseits aber muss die übernehmende Bahn in die Pflicht genommen werden: «Angesichts des Lokführermangels gibt es die klare Lösung, dass SBB Cargo das Personal von der BLS zu mindestens gleichwertigen Bedingungen übernehmen muss», hält der für BLS zuständige Gewerkschaftssekretär Jérôme Hayoz fest. Nicht in Frage kommt für den SEV, dass ausländisches Personal zu Löhnen des Herkunftslandes diesen Verkehr fährt.
«Es ist unglaublich, dass keine einzige Tonne Güter zusätzlich auf die Schiene kommt, aber das Personal im Preiskampf der Bahnen zerrieben wird», hält SEV-Präsident Giorgio Tuti fest. Diese Fehlentwicklung kritisiert der SEV seit Jahren und er hätte sich gewünscht, dass dieses Drama vermieden werden kann.
Damit steht die dringende Forderung im Vordergrund, dass ein Gesamtarbeitsvertrag für den Schienengüterverkehr vereinbart und vom Bund für allgemeinverbindlich erklärt wird. Nun, da das Negativbeispiel auf dem Tisch liegt, sollte dieses Vorhaben schnell wieder in Schwung kommen.
Es stellen sich allerdings noch weitere Fragen: Welche Rolle spielt die Deutsche Bahn als Hauptaktionärin von BLS Cargo in Zukunft? Welche Zukunft hat das Geschäftsmodell von BLS Cargo, das auf Rosinenpickerei ausgerichtet war und nun gescheitert ist? Wie sieht die Kalkulation von SBB Cargo am Gotthard aus? Wie stellt sich die Schweizer Verkehrspolitik, die einen Verlagerungsauftrag hat, zu solchen Entwicklungen, die dem Schienengüterverkehr einen Bärendienst erweisen?
«Der SEV wird darauf insistieren, dass diese Fragen zufriedenstellend beantwortet werden», betont Giorgio Tuti.
Natürlich sind auch noch andere (kleinere) Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) im Alpentransit-Schienengüterverkehr am Gotthard unterwegs Foto: Marcel Manhart