ÖBB-Chef Kern: WESTbahn brachte Vorteile für ÖBB-Kunden

Der ÖBB-Chef Christian Kern lobt den privaten Konkurrenten. Das Bewusstsein für das Bahnfahren sei gestiegen und der Wettbewerb sei positiv für die Bahnkunden.

 

Ein halbes Jahr nach dem Start der mehrheitlich privaten WESTbahn und zwei Jahre nach seinem eigenen Antritt an der ÖBB-Spitze (am 07. Juni 2010) zieht ÖBB-Chef Christian Kern im APA-Gespräch eine Zwischenbilanz: Durch den Markteintritt der zwischen Wien und Salzburg fahrenden WESTbahn habe die ÖBB zwar auf dieser Strecke Kunden verloren, insgesamt sei das Bewusstsein fürs Bahnfahren aber gestiegen und der Wettbewerb habe bei den ÖBB Verbesserungen für ihre Bahnkunden vorangetrieben.

Der ÖBB-Chef Christian Kern im Interview                                      Foto: Marcel Manhart

 

 

"Westbahn ernstzunehmender Konkurrent"

"Die Westbahn ist gut gemacht und wird ihre Anfangsschwierigkeiten überwinden, deshalb bleibt sie für die ÖBB ein ernstzunehmender Konkurrent", resümiert Kern. Auf der Strecke Wien-Salzburg habe die Bundesbahn zwar Kunden verloren, da das Zug-Angebot insgesamt um ein Drittel gestiegen sei. Einen guten Teil des Passagierverlusts konnten die ÖBB aber über neue Angebote wieder kompensieren. Für beide Bahnbetreiber sei es schwierig, auf der Westbahnstrecke nachhaltig Gewinne zu schreiben.

Obwohl die Westbahn gegen die Billigangebote der Bundesbahn vorgeht, verteidigt Kern den Preiswettbewerb über die ÖBB-Sparschiene: Dadurch würden - analog zur Luftfahrt - niedrige Preise zu wenig frequentierten Zeiten angeboten. Während die ÖBB ein differenziertes Preismodell anböten, habe die Westbahn ein pauschales Billigpreismodell mit 9 Euro - "das kostet die Westbahn selber viel Geld".

 


"Westbahn ist Subventionsbezieher"

Das Match laufe nämlich nicht "subventionierte Staatsbahn gegen marktwirtschaftlich agierende Privatbahn", betont Kern, denn auch die mehrheitlich private Westbahn werde staatlich unterstützt: Da das Infrastruktur-Benutzungsentgelt (IBE), das die Westbahn zahle, nur zu etwa einem Drittel kostendeckend sei, werde die Westbahn jährlich mit rund 20 Mio. Euro subventioniert: "Die Westbahn ist Subventionsbezieher".

Die Westbahn steht im Eigentum der französischen Staatsbahn SNCF, des Bauindustriellen Hans Peter Haselsteiner und einer Schweizer Investoren-Holding, vertreten durch Erhard Grossnigg. Die Anteile des überraschend vor einigen Tagen ausgeschiedenen Mitgründers und Geschäftsführers Stefan Wehinger sollen von den anderen Eigentümern übernommen werden. Im Mai hatte Wehinger eingeräumt, dass der Westbahn-Umsatz 20 Prozent unter Plan liege.

 

 

"2013 überholt die Bahn das Auto"


Durch den Infrastrukturausbau werde die Bahnfahrt auf der Westbahnstrecke noch schneller: "2013 überholt die Bahn das Auto". Dann werde die Strecke Wien-Salzburg in 2 Stunden 22 Minuten im Zug zu bewältigen sein, zwischen Wien und St. Pölten vergehen dann nur mehr 25 Minuten. Vom staatlich finanzierten Infrastrukturausbau profitiere auch die Westbahn, doch "unser wichtigster Wettbewerber auf dieser Strecke ist die Westautobahn": Durch die Beschleunigung würden mehr Kunden vom Auto auf die Bahn umsteigen, ist Kern überzeugt.

Statt einem direkten Match ÖBB-Westbahn sieht der Bundesbahn-Chef den Wettbewerb im europäischen Rahmen: Die zwei größten Bahnblöcke in Europa, die Deutsche Bahn und die französische Staatsbahn SNCF, stecken im Zuge der EU-Fernverkehrs-Öffnung ihre Claims ab. "Die Franzosen spielen das Match gegen die Deutsche Bahn aus ihrem sicheren Heimmarkt heraus", meint Kern: Der österreichische Bahnmarkt sei da nur "ein kleiner Mosaikstein". Während die SNCF bei ihrem Investment in Italien richtig Geld in die Hand nehmen musste, sei ihr in Österreich die Beteiligung an der Westbahn als "Schnäppchenkauf" gelungen. Das Ziel der Großen: Über den Netzwerkbau Kontrolle am europäischen Bahnmarkt zu erreichen.

 

Beschleunigung der Qualitätsverbesserung

Der neue Konkurrent habe sicherlich zur Beschleunigung der Qualitätsverbesserung bei den ÖBB beigetragen, konstatiert Kern, und das nicht nur auf der Westbahnstrecke: "Die Kunden haben profitiert". Das WLan-Angebot wurde beschleunigt und soll nun ab Ende 2012 in allen Railjets verfügbar sein. Der Wechsel beim Catering zu Do & Co werde ab 1. Juli durch neues Speisenangebot in den Zügen sichtbar. Der Railjet werde ab Mitte Juli flächendeckend auf der Südstrecke unterwegs sein - damit könne zwar wegen der Streckengegebenheiten keine Fahrzeit verkürzt werden, doch der Komfort für die Fahrgäste werde durch das moderne Zugmaterial erhöht. Einen Trend zum Zug ortet der ÖBB-Chef auch angesichts steigender Verkäufe der Interrail-Tickets - mit 79 Prozent Jugendanteil (2011) noch immer Urlaubsprogramm auf der Schiene quer durch Europa. Von 2010 auf 2011 wurden rund 7 Prozent mehr InterRail-Pässe verkauft.

Die ÖBB seien in den letzten Jahren bei ihren Reformbemühungen ein gutes Stück vorangekommen, aber noch längst nicht am Ziel, resümiert Kern. Die Erneuerung müsse in vielen einzelnen Schritten vorangehen, gemeinsam mit den Kunden und Mitarbeitern. "Der Umbau der ÖBB ist ein Zehn-Jahres-Projekt". Sein eigener Vorstandsvertrag läuft noch drei Jahre.