Mit grossem Bedauern nimmt die Gewerkschaft des Verkehrspersonals, der SEV zur Kenntnis, dass sich SBB Cargo nicht vollständig vom Abbau beim Wagenladungsverkehr hat abbringen lassen. Immerhin konnte die Verlagerung auf die Strasse reduziert werden. Nun ist eine Grundsatzdiskussion zum Güterverkehr in der Schweiz nötig.
Dunkle Wolken hängen über SBB Cargo Foto: Marcel Manhart
«Dieser Entscheid ist unbefriedigend», kommentiert SEV-Gewerkschaftssekretär und Nationalrat Philipp Hadorn die Ankündigung von SBB Cargo, über 120 Zustellpunkte des Wagenladungsverkehrs zu
schliessen. Er kommt aber zum Schluss: «Unser Druck war nicht vergebens, SBB Cargo hat das ursprüngliche Projekt noch spürbar entschärft.» Doch auch eine Verlagerung von zwei Prozent des
Güterverkehrs von der Schiene auf die Strasse sei ein falsches Signal, betont Hadorn, der weiterhin von SBB Cargo eine aktive Verkaufsstrategie einfordert.
Sorgen macht der Gewerkschaft des Verkehrspersonals auch der Stellenabbau. «SBB Cargo verharmlost die Situation: Für jeden Einzelnen ist ein Stellenverlust ein persönliches Drama, auch wenn er
dank dem Gesamtarbeitsvertrag nicht gekündigt werden kann», stellt Hadorn klar. Der SEV steht seinen Mitgliedern beratend zur Seite; er fordert die SBB auf, für jeden Betroffenen individuell
passende Lösungen zu finden.
Der SEV hatte zusammen mit der breit abgestützten Koalition Pro Cargo eine Petition lanciert, um den Kahlschlag im Güterverkehr zu verhindern. Für sie ist mit dem Entscheid von SBB Cargo das
Thema nicht abgeschlossen. «Das ist nicht das Ende der Diskussion, sondern erst der Anfang», hält SEV-Präsident Giorgio Tuti klar fest: «Die Koalition wird zusammen mit allen interessierten
Kreisen den Druck auf die politischen Behörden aufrecht erhalten, um eine klare politische Basis für den Schienengüterverkehr in der Schweiz zu erhalten!»
Im Herbst wird der Bundesrat einen Bericht vorlegen, in dem er die Zukunft des Inlandgüterverkehrs darlegen wird. Das Parlament hat diesen Bericht verlangt, um den Schienengüterverkehr auch im
Binnenverkehr zu stärken. In der entsprechenden Motion (10.3881) steht klar: Der Bundesrat schlägt in diesem Rahmen Massnahmen vor, wie der Schienenanteil am Gesamtaufkommen des Güterverkehrs
gehalten bzw. vergrössert werden kann und wie Anreize für Innovationen geschaffen werden können. Dabei ist den besonderen Bedürfnissen des Schienengüterverkehrs in der Fläche Rechnung zu
tragen.
«Wir werden darauf achten. dass der Bundesrat diesem Auftrag des Parlaments nachkommt, und wir zählen darauf, dass das Parlament seinen eigenen Auftrag in Handlungen umsetzen wird», hält Tuti
fest. Der Schienengüterverkehr wird die Schweizer Politik weiter beschäftigen.
Stellungnahme Pro Bahn Schweiz:
Kein Stopp beim Abbau des Wagenladungsverkehrs der SBB
SBB Cargo will den Abbau im Wagenladungsverkehr zwar abfedern, was gleichwohl bedeutet, dass 128 anstatt wie vorgesehen 155 Güterverladepunkte nicht mehr angefahren werden. Rund 18 % der
von der Streichung bedrohten Verladestellen bleiben erhalten. Das ist wenig.
Pro Bahn Schweiz, die Interessenvertretung der Kundinnen und Kunden des öffentlichen Verkehrs anerkennt, dass SBB Cargo auf verschiedene Kundenwünsche eingegangen ist, ebenso nimmt Pro Bahn zur
Kenntnis, dass mit diesen Massnahmen 98 % des Güterverkehrs auf der Schiene verbleiben, sich der Verlust also in Grenzen hält. Trotzdem: Es sind dies 2 % zu viel, und es gilt sicherzustellen,
dass die verlorenen 2 % kompensiert oder übertroffen werden.
Immerhin gilt die von Pro Bahn Schweiz geforderte Kreativität wenigstens bei acht weiteren Bedienpunkten, wo die Lösung mit Ganzzügen gefunden werden konnte. Auch wird die kommerzielle Begründung
verstanden, wonach die wenigen Grosskunden nicht bereit sind über den Frachtpreis die unrentablen Verladepunkte zu sanieren. Trotzdem: Insbesondere Anschlussgeleise sollen wenn immer möglich
gerettet werden. Kommt dazu, dass der Bundesrat in diesem Herbst dem Parlament einen Bericht vorlegen soll, wie der Binnengüterverkehr in der Schweiz gestärkt werden soll. Diese Aussagen und die
daraus folgenden Beschlüsse müssen zumindest abgewartet werden, bevor weitergehende Massnahmen getroffen werden, denn jede Umstellung von der Schiene auf die Strasse ist in aller Regel
unwiderruflich.
Gerade weil es gilt, die politische Entwicklung abzuwarten, und erst dann definitive Schlüsse zu ziehen, steht Pro Bahn Schweiz weiterhin hinter der Petition „Stopp dem Kahlschlag beim
Wagenladungsverkehr“.
Stellungnahme
VSLF:
Geplante Streichung unwirtschaftlicher Bedienpunkte durch SBB Cargo
Seit längerer Zeit ist bekannt, dass SBB Cargo ihre Zustellpunkte im Projekt „Netz“ überprüft. Anfang 2012 sind Aufgrund dieser Überprüfung 155 Bedienpunkte eruiert worden, welche nicht
kostendeckend betrieben werden können. Zwischenzeitlich haben Gespräche mit den betroffenen Kunden, Gemeinden, Kantonen und Interesseverbänden stattgefunden. Aufgrund dieser Gespräche konnten
verschiedene Lösungen angegangen werden. Es verbleiben jedoch weiterhin 128 Bedienpunkte, welche nicht eigenwirtschaftlich zu betreiben sind und als Konsequenz ab Dezember 2012 nicht mehr
angeboten werden sollen.
Der VSLF begrüsst, dass sich SBB Cargo aktiv darum bemüht die Zukunft der Unternehmung zu sichern. Wir erachten es als unabdingbar, dass sich Unternehmen nach ökonomischen Grundsätzen ihr
Geschäftsfeld untersuchen und entsprechende Massnahmen zur Sicherung der Zukunft in die Wege leiten. Trotzdem darf die Güterverlagerung nicht aus den Augen verloren werden und SBB Cargo ist
aufgefordert alles zu unternehmen um auch zusätzliche, innovative Verkehre akquirieren zu können. Die Bahn ist ein sicheres Verkehrsmittel und für den umweltfreundliche Transport von grossen
Lasten und Gefahrengut prädestiniert. Diese Stärke muss ausgespielt werden.
Mit dem Projekt „Netz“ werden voraussichtlich erneut Arbeitsplätze an der Basis verloren gehen. Zwar kann ein nicht kleiner Teil natürlich aufgefangen werden, es werden dennoch Mitarbeiter vieler
Berufskategorien betroffen sein. Hier fordert der VSLF SBB Cargo unmissverständlich auf, seine soziale Verantwortung wahrzunehmen und die Betroffenen bestmöglich zu unterstützen. Der VSLF wird
seine sozialen und sozialpartnerschaftlichen Verpflichtungen wahrnehmen.
Zum Projekt „Netz“ sind viele Fakten im Umlauf. Eine Zusammenfassung:
- 155 Bedienpunkte (von total 500) erbringen weniger als 2% des Verkehrs von SBB Cargo
- Dieser Verkehr generiert Einnahmen von 7 Mio. CHF
- Diesen Einnahmen von 7 Mio. CHF stehen Kosten in Höhe von 35 Mio. CHF gegenüber
- 155 Bedienpunkte generieren einen jährlichen Verlust von 28 Mio. CHF
- Der Abbau von aktuell 128 Bedienpunkten bedingt eine Reduktion von ca. 200 Stellen
- Mindestens 50 Stellen sind bereits heute nicht besetzt
- Vorzeitige Pensionierungen sind in Abklärung
- Innerhalb SBB Cargo und SBB AG sind gewisse Alternativen vorhanden
- SBB Cargo rechnet aktuell mit maximal 100 betroffenen Personen
Die PeKo und die Sozialpartner sind bei der Umsetzung von allfälligen Stellenabbauten involviert und werden genausten darauf achten, dass die Umsetzung korrekt und möglichst sozialverträglich
erfolgt.