Die SBB verkaufen am Bahnhof Winterthur keine Billette der Frauenfeld-Wil-Bahn und dies sehr zum Ärger von Reisenden. Ab Ende Jahr werden die Tickets nun auch ausserhalb des Verbundgebietes zu kaufen sein. Den Anstoss für diese Änderung gab ein Artikel in der Thurgauer Zeitung. Schweizweit ist das aber eine Ausnahme.
Ab Dezember steht man bei der FW-Bahn nicht mehr im Regen Foto: Marcel Manhart
Hansrudolf Bitterli ist genervt. Vor kurzem musste der Elektrotechniker aus Winterthur geschäftlich nach Wängi. Als Besitzer eines Jahresabonnements – dem Z-Pass – wollte er sich dafür ein Anschlussbillett für zwei weitere Zonen kaufen. In Winterthur konnte er das Ticket jedoch weder am Automaten noch am SBB-Schalter lösen.
Hektische drei Minuten
Mit seinem Z-Pass «Ostwind-ZVV» fährt Pendler Bitterli jeden Tag bis nach Frauenfeld, ohne ein Billett kaufen zu müssen. «Die Frauenfeld-Wil-Bahn durchquert auf ihrem Weg nach Wängi jedoch noch
zwei weitere Zonen, für die ich das Anschlussbillett benötigt habe», sagt er. Für ihn ist es unverständlich, weshalb er das Ticket in Winterthur nicht lösen konnte.
Bitterli blieb nichts anderes übrig, als in Frauenfeld zu einem Automaten zu rennen und das Ticket dort zu lösen. «Ich hatte dafür gerade einmal drei Minuten Zeit. Würde ich mich in Frauenfeld
nicht so gut auskennen oder hätte jemand am Automaten gestanden, wäre mir der Anschlusszug nach Wängi vor der Nase weggefahren.»
Betreiber zeigen sich erstaunt
Bei den Appenzeller Bahnen, dem Betreiber der Strecke zwischen Frauenfeld und Wil, sorgt die Geschichte für Stirnrunzeln. «Weshalb der Verkauf eines Anschlusstickets in Winterthur nicht möglich
ist, entzieht sich unserer Kenntnis», sagt Simone Agosti vom Büro in Herisau. Auch Werner Thurnheer, Geschäftsführer vom Tarifverbund Ostwind wundert sich, merkt jedoch an, dass der Tarifverbund
ausserhalb der Kantone St. Gallen, Thurgau, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden keinen Einfluss auf den Verkauf von Billetts hat. Dies sei Sache der SBB.
Aussage gegen Aussage
Daniele Pallecchi, Mediensprecher der SBB glaubt an ein Missverständnis. «Nach meinen Informationen können auch Kunden in Winterthur ein solches Ticket kaufen», sagt er. Für Hansrudolf Bitterli
tönt das wie blanker Hohn. In der Zwischenzeit musste er die Strecke schon öfters fahren und jedesmal wiederholt sich der Spiessrutenlauf. «Ein solches Ticket lässt sich am Schalter nicht lösen»,
ist er nach wie vor überzeugt.
Billette der Frauenfeld-Wil-Bahn gibt es ab Ende Jahr auch ausserhalb des Verbundgebietes zu kaufen. Den Anstoss für diese Änderung gab ein Artikel in der Thurgauer Zeitung. Schweizweit
ist das aber eine Ausnahme.
Der Ärger von Hansrudolf Bitterli verpufft nicht ungehört. Der Elektrotechniker aus Winterthur hatte sich darüber geärgert, dass er am SBB-Schalter in Winterthur kein Anschluss-Billett für die
Strecke von Frauenfeld nach Wängi kaufen konnte (siehe oben). Um nach Wängi zu kommen, musste er in Frauenfeld aussteigen und hier ein Ticket lösen. Eine Herausforderung, denn zum Umsteigen hat
Bitterli gerade mal drei Minuten Zeit.
Wenig kundenfreundlich
Dass dies nicht gerade kundenfreundlich ist, sieht man auch bei der Frauenfeld-Wil-Bahn. Denn dort, wo der Ostwind-Tarifverbund nicht gilt, werden auch keine Fahrkarten für interne Strecken der
Frauenfeld-Wil-Bahn und der Appenzeller Bahnen verkauft. Dies sei bei der Einführung des Tarifverbundes vom Bundesamt für Verkehr so gewünscht worden, erklärt Simone Agosti, Leiterin Marketing
und Verkauf bei der Frauenfeld-Wil-Bahn.
Denn die Appenzeller Bahnen und die Frauenfeld-Wil-Bahn sind eigenständige Transportunternehmen. Die Frauenfeld-Wil-Bahn zum Beispiel ist eine Aktiengesellschaft und gilt als privates
Unternehmen, obwohl Bund, Kantone und Gemeinden die Mehrheit der Aktien besitzen.
«Wir haben intern abgeklärt, was möglich ist», sagt Alexander Liniger, Mediensprecher bei der Frauenfeld-Wil-Bahn. Daraufhin habe man zusammen mit anderen Transportunternehmen des Tarifverbundes
einen Antrag beim Verband öffentlicher Verkehr gestellt. Mit Erfolg: Ab Fahrplanwechsel (9. Dezember 2012) können auch an den SBB-Bahnhöfen ausserhalb des Tarifverbundes ohne Einschränkung
Tickets für die Strecken der Frauenfeld-Wil-Bahn und der Appenzeller Bahn verkauft werden.
Das grundsätzliche Problem ist damit aber nicht gelöst. Ein TZ-Leser wollte einen 9-Uhr-Pass für den Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) am Bahnhof Frauenfeld lösen, als Anschluss-Ticket zu seiner
SBB-Fahrkarte von Frauenfeld nach Winterthur. Doch das war weder am Automaten noch am Schalter möglich.
«Grundsätzlich werden Tickets für den Zürcher Verkehrsverbund nur innerhalb des ZVV-Gebiets verkauft», sagt Anna Vollmer, Mediensprecherin beim ZVV. Es gebe aber Ausnahmen, wie etwa der Bahnhof Zug. «Darüber entscheiden die SBB», sagt Anna Vollmer.
Aufwand wäre zu gross
Daniele Pallecchi ist Mediensprecher der SBB. Er bestätigt, dass die SBB keine Tarifverbundsangebote ausserhalb des jeweiligen Verbundgebiets verkaufen. Der Aufwand dafür stünde in keinem
Verhältnis zum Nutzen. Immerhin gebe es 20 verschiedene Tarifverbunde in der Schweiz. Würden deren Billette im ganzen Land verkauft, dann müssten die Mitarbeiter an den Schaltern über sämtliche
Spezialitäten Bescheid wissen und entsprechend geschult werden. Ausserdem gebe es eine vertragliche Verpflichtung der Transportunternehmen, dass innerhalb eines Verbundes nur die Verbund-Tickets
verkauft würden.
Pallecchis Tip: «Über Internet und Smartphone sind die Angebote aller Tarifverbunde erhältlich.»