WIEN: Das Viertel um den Franz-Josefs-Bahnhof und die Wirschafts-Uni, die demnächst in den Prater übersiedelt, sollen bis zum Jahr 2020 umgestaltet werden. Ein Ziel der Stadtplanung ist dabei ein besserer Zugang zum Donaukanal.
Von Gerhard Bitzan - Die Presse
Julius-Tandler-Platz / Franz-Josefs-Bahnhof in Wien Foto: Marcel Manhart
Einladend wirkt das Bahnhofsgelände am Julius-Tandler-Platz nicht wirklich. Im Gegenteil. Die grosse Aussentreppe zum dominierenden Bank-Austria-Gebäude ist gesperrt – angeblich wegen zu vieler „Sandler“. Die Rolltreppe zur Bank hinauf ist angerostet. Der Eingang zu den Bahnsteigen ist unten im Erdgeschoß, neben dem Minimarkt und dem Fast-Food-Restaurant: eine Bahnhofshalle, die mit einem großstädtischen Bahnhof nur wenig gemein hat.
6000 Bahnreisende frequentieren täglich den Franz-Josefs-Bahnhof. Viele Passagiere, die aus der Wachau oder dem Waldviertel kommen, steigen aber schon in der Spittelau aus. Ein Umstand, der Stadtplaner im Rathaus und im Bezirk zu der Idee bewegte, den Bahnhof vom Julius-Tandler-Platz in die Spittelau zu verlegen.
Auch die Chefin im Ressort Stadtplanung, die grüne Vizebürgermeisterin, Maria Vassilakou, wünschte sich eine Absiedlung des Bahnhofs: Denn dann könne man großflächig planen und – wenn 2013 die Wirtschafts-Uni in ihr neues Gebäude im zweiten Bezirk übersiedelt – zwischen Spittelau und Julius-Tandler-Platz ein riesiges neues grünes Stadtviertel errichten.
Bahnhof bleibt bestehen
Die ÖBB signalisierten damals Gesprächsbereitschaft und kündigten eine Machbarkeitsstudie an. Doch mittlerweile ist die Untersuchung fertig – und das Ergebnis ist für die Stadtplaner enttäuschend. „Die Studie hat ergeben, dass der Personenbahnhof bestehen bleibt“, heißt es bei den ÖBB. Der Grund ist ein finanzieller: Den Status quo zu erhalten ist immer noch billiger als eine Absiedlung mit Ausbau der Spittelau.
„Schade“, meint Bezirkschefin Martina Malynar (SP), die ebenso wie die grüne Planungsstadträtin gerne eine Verlegung gesehen hätte. „Der Bahnhof ist ein massiver Riegel hier im Bezirk, von der Größe der Shopping City“, sagt die Bezirkschefin. Die ÖBB-Entscheidung mache die Gestaltung des ganzen Areals jetzt deutlich schwieriger. Aber immerhin habe die ÖBB-Studie auch ergeben, dass der Frachtenbahnhof an der Althanstraße „mittelfristig disponibel“ sei, also wegkommen kann.
Tatsächlich zerteilt dieser „Riegel“ – bestehend aus Wirtschafts-Uni, Frachtenbahnhof, Uni-Wien-Institute, Post, Bank Austria, Franz-Josefs-Bahnhof (siehe Grafik) – das ganze Viertel. Dazu kommt noch, dass die Besitzverhältnisse kompliziert sind: Der Großteil der Grundflächen gehört den ÖBB, das Bank-Austria-Gebäude einer deutschen Vorsorgebank, das Gebäude der Wirtschafts-Uni gehört wiederum der BIG (Bundesimmobiliengesellschaft), der Grund darunter den ÖBB. Die Stadt Wien selbst besitzt hier keine Flächen.
Vizebürgermeisterin Vassilakou sieht trotz der Einschränkungen durch den Verbleib des Bahnhofs großes Potenzial für das Gebiet: „Im Idealfall soll dort ein gemischtes Stadtviertel entstehen mit Wohnungen, Büros, viel Grün – und Zugang zum Wasser“, sagt sie im Gespräch mit der „Presse“. Es sei schade, dass ein Bezirk am Donaukanal liege, viele Bewohner aber wegen des „Riegels“ nur schwierig zum Wasser gelangen könnten. Bei künftigen Planungen für das Viertel müsse auf Durchlässigkeit geachtet werden, so Vassilakou, etwa durch Überplattungen des Bahnhofsgeländes. „Denn es zeigt sich an internationalen Beispielen, dass die Sehnsucht der Menschen, beim Wasser zu leben, immer größer wird.“
Beim Projekt Althangrund soll die Bevölkerung stark eingebunden werden. Das hat schon 2010 begonnen: Da schrieben die Stadtplaner 17.000 Haushalte aus dem Bezirk und angrenzenden Vierteln an und befragten die Bewohner zu ihren Vorstellungen. Dann gab es geführte Rundgänge, interessierte Bürger wurden ausgelost, die aktiv an Planungsgesprächen teilnehmen.
Und schliesslich wurden Studenten aufgefordert, Ideen für den Althangrund zu entwickeln. An dem Wettbewerb beteiligten sich Studierende der TU, der Akademie der bildenden Künste und auch der Pariser Ecole Nationale Superieure d'Architecture. Ergebnisse wurden im Jänner in einer Ausstellung in der WU gezeigt. „Da waren hervorragende Ideen dabei“, sagt Vassilakou.
Siedelt das Parlament in die WU?
Wie geht es jetzt weiter? Die Ideen der Studenten werden in ein grobes Leitbild einfließen und gleichzeitig wird es weitere Gespräche mit den Eigentümern, Investoren und dem Bezirk geben. Der Zeithorizont für große Entwicklungen reicht bis 2020: Die Bank Austria hat einen Mietvertrag bis zu diesem Jahr, wird aber schon 2016 ausziehen und in den neuen BA-Campus am Nordbahnhof übersiedeln.
Und auch das WU-Gelände soll nach dem Auszug der Studenten in Richtung Prater im Sommer 2013 nicht leer stehen. Laut BIG-Sprecher Ernst Eichinger ist „derzeit angedacht“, dass die Universität für angewandte Kunst, die ab 2013 renoviert werden soll, das WU-Gelände als Ausweichquartier nutzt. Und es gebe weiters intensive Gespräche mit dem Parlament. Auch dieses könnte bei einer Renovierung ausweichen auf den Althangrund und die WU als Zwischenquartier nutzten. „Die WU ist ja in einem durchaus brauchbaren Zustand“, sagt Eichinger. „Bis Ende 2020 wird sie sicher belegt sein.“