Die Auseinandersetzung zwischen der WESTbahn und den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) erreicht einen neuen Höhepunkt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat für Mittwoch, den 21. März 2012, die erste mündliche Verhandlung im Rechtsstreit C-136/11 anberaumt. Im Mittelpunkt des Schlagabtausches steht die Forderung der Westbahn Management GmbH um Stefan Wehinger, den Eisenbahn-Infrastrukturbetreiber, die ÖBB-Infrastruktur AG, zu verpflichten, der Westbahn "in Echtzeit sämtliche Informationen über Zugbewegungen und insbesondere über eventuelle Verspätungen der Anschlusszüge zur Verfügung zu stellen". Die Privatbahn will ihren Kunden während der Fahrt über Monitore die Daten zur Verfügung stellen - ohne Erfolg.
Die WESTbahn fordert eine Gleichbehandlung der Bahnen Foto: Marcel Manhart
Laut EuGH-Aktenlage haben die ÖBB-Infrastruktur AG und die ÖBB-Personenverkehr AG, beide Töchter der ÖBB Holding AG, die Herausgabe dieser Daten bzw. eine Vereinbarung darüber verweigert. Die
Westbahn sieht darin eine Diskriminierung und Behinderung durch die ÖBB sowie eine Verletzung der EU-Verordnung 1371/2007. Denn: Ohne die Echtzeitdaten der ÖBB-Infrastruktur sei "ein
chancengleicher und konkurrenzfähiger Wettbewerb bei der Erbringung der Personenverkehrsdienstleistung nicht gewährleistet". Die Westbahn hat daher die Wiener Schienen-Kontroll-Kommission (SCK)
angerufen. Die hat beim EuGH ein "Vorabentscheidungsverfahren" zur Auslegung der Bestimmungen der Richtlinie gestellt.
Mündliche Verhandlung
"Wir sind zuversichtlich, dass der Rechtsstandpunkt der Westbahn vom EuGH bestätigt wird", sagt Martin Mödritscher, Leiter der Rechtsabteilung der Westbahn, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Und Firmenanwalt Rüdiger Schender (Kanzlei Böhmdorfer & Schender) fügt hinzu: "Auch die EU-Kommission vertritt in ihrer Stellungnahme den Standpunkt, dass die begehrten Daten allen
Eisenbahnverkehrsunternehmen im Interesse der Fahrgäste zugänglich gemacht werden sollen."
Laut EuGH-Aktenlage brachte die ÖBB-Infrastruktur, vertreten von Anwalt Gerald Ganzger vor, dass laut EU-Verordnung unter "Verspätungen nur solche zu verstehen seien, die den Zug, den der
Fahrgast benütze, betreffen und nicht solche von Anschlusszügen". Auch beziehe sich die Informationsverpflichtung in der EU-Verordnung laut ÖBB "nur auf jene Informationen über Zugbewegungen, die
für die Zugsteuerung nötig seien, was bei Echtzeitdaten von Anschlusszügen nicht der Fall sei".
Indes hat die EU-Kommission zu diesem Fall ihre Stellungnahme beim EuGH abgeliefert. Eine strenge Auslegung der Fahrgastverordnung würde "den Interessen der Fahrgäste widersprechen".
"Die EU-Kommission vertritt daher den Standpunkt, dass der Artikel acht der Verordnung weit auszulegen sei und die Informationen über die wichtigsten Anschlussverbindungen neben den
fahrplanmäßigen Abfahrtszeiten und die Bekanntgabe von Verspätungen oder Ausfällen dieser Anschlusszüge umfassen müsse", heißt es in den EuGH-Akten.
Die Kommission schlägt vor, die Verordnung so auszulegen, dass der Infrastrukturbetreiber verpflichtet ist, "Eisenbahnunternehmen in diskriminierungsfreier Weise Echtzeitdaten von Zügen anderer
Eisenbahnen zur Verfügung zu stellen, sofern es sich bei diesen Zügen um die wichtigsten Anschlussverbindungen handle".
"Es handelt sich dabei um Daten der ÖBB-Personenverkehr AG und die kann die ÖBB-Infrastruktur dem Konkurrenten nicht geben", sagt ÖBB-Sprecher Herbert Ofner zur "Wiener Zeitung". Die
ÖBB-Infrastruktur vertritt den Standpunkt, "bei den Echtzeitdaten handle es sich nicht um Informationen, die der Infrastrukturbetreiber den jeweils anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen zur
Verfügung stellen muss". Ofner: "Der ÖBB-Infrastruktur AG läge es fern, der Westbahnmanagement GmbH ein ihr als Eisenbahnverkehrsunternehmen zukommendes Recht vorzuenthalten."