ÖBB: Für Züge und Service fehlt das Geld

Der ÖBB-Bahn-Boss Christian Kern kritisiert die zusätzlichen Belastungen, die den Spielraum für Investitionen weiter einengen. Die Bahn muss in fünf Jahren 1,6 Milliarden Euro einsparen, 920 Millionen davon beim Ausbau des Schienennetzes. Für Investitionen in neue Züge für die Kunden fehlt ihr das Geld.

 

Von Franz Jandrasits - KURIER 

Der  Staat  holt  sich  die  Rationalisierungserfolge   der   ÖBB   durch  höhere  Steuern, kritisiert  der  ÖBB-Chef  Christian Kern                                           Foto: Marcel Manhart

 

KURIER: Die Bahn muss neben den Einsparungen durch Streichung der Frühpensionen auch beim Ausbau des Netzes bis 2016 rund 920 Millionen einsparen. Drei Viertel davon kommen aus den großen Tunnelprojekten Brenner, Koralm und Semmering. Wie geht das ohne massive Eingriffe?
Christian Kern: Beim Brennertunnel werden die Einsparungen aus technischen Arrondierungen kommen. Etwa durch die Verkürzung des Sondierstollens, der Reduktion von Weichenverbindungen und Verschalungen und durch die Verschiebung kostenintensiver Bauphasen. Die Inbetriebnahme des Koralmtunnels wird mit dem Semmering 2023 zusammengelegt, also um ein Jahr verschoben. Projekte wie die Elektrifizierung der Strecke Gänserndorf–Marchegg–Staatsgrenze oder die Götzendorfer Spange werden nicht umgesetzt. Wichtig ist mir, dass die Güterterminals in Wolfurt, Ludesch und Inzersdorf außer Streit sind. Die Vereinbarung ist ein klares Bekenntnis zum Ausbau der Infrastruktur. Die Regierung stellt in den kommenden fünf Jahren fast 11 Milliarden Euro zur Verfügung. Das wird sich standort- und umweltpolitisch langfristig bezahlt machen.

 

Die Bahn muss wegen der Streichung von Ausnahmen künftig auch mehr für Diesel und Strom zahlen. Außerdem dürfen Sie Eisenbahner nicht mehr in Frühpension schicken. Was kostet Sie das?
Die Mehrkosten für höhere Mineralöl- und Energiesteuern treffen uns mit mehr als 200 Millionen Euro. Mit dem Aus für die betriebliche Frühpensionierung verlieren wir unser wichtigstes Instrument zur Anpassung der Personalkapazität. Die Mehrkosten, die wir schlucken müssen, betragen mehr als 500 Millionen Euro. Alles das müssen wir durch weitere Rationalisierungen zusätzlich zu den schon bestehenden Belastungen hereinholen. Im Ergebnis holt sich der Staat die Rationalisierungserfolge durch höhere Steuern.

Wirkt sich das auf das Service für die Kunden aus?
Der Druck auf die Absatzbereiche Personen- und Güterverkehr und auf den Postbus wird weiter steigen. Schon jetzt haben wir Investitionen in Wagenmaterial, Informationstechnik auf ein Minimum reduziert. Neue Spielräume für Investitionen werden wir uns dort mit zusätzlichen Belastungen kaum erarbeiten können. Sprich, es wird ein echter Kampf um die Erfüllung von Kundenbedürfnissen auf Basis limitierter Mittel.

Sie wollen die Mitarbeiterzahl weiter senken. Wie wollen Sie da unkündbare Eisenbahner abbauen, wenn Sie sie nicht mehr in Frühpension schicken können?
Wir haben im Vorjahr 943 Pensionierungen gehabt, der Anteil von Frühpensionierungen aus organisatorischen Gründen war der niedrigste seit Jahren. Wir haben eine enorme natürliche Fluktuation. Gleichzeitig versuchen wir Systeme zu entwickeln, die es für die Leute interessant macht, aus dem Unternehmen auszuscheiden. Wir haben ein Sozialplan-Modell eingeführt, im Vorjahr haben das 42 Mitarbeiter angenommen. Wir zahlen im Durchschnitt ein Jahresgehalt, also 40.000 bis 60.000 Euro brutto.

Das wird aber nicht viele Mitarbeiter locken ...
Das stimmt. Aber wir setzen auf die natürlich Fluktuation, auf die Umverteilung der Mitarbeiter im Unternehmen und wir setzen auch auf solche Modelle. Mit diesen Maßnahmen versuchen wir jetzt voranzukommen. Aber man muss auch sehen, dass die Mitarbeiter-Produktivität in den letzten zwei Jahren um 20 Prozent gestiegen ist. In den letzten zwei Jahren haben wir die Mitarbeiterzahl um 2500 gesenkt, in vielen Bereichen ist die Personalsituation schon sehr angespannt. Und es gibt Teilbereiche, wo wir eigentlich schon zu wenige haben. Da müssen wir uns überlegen, wie wir für die Zukunft Mitarbeiter-Kontingente aufbauen.

Also Beamte abbauen und neue Mitarbeiter aufbauen?
Wir bauen auch ASVG-Angestellte ab. Das Ziel ist, dass wir die Fluktuation stärker nutzen. Jetzt haben wir ohne Lehrlinge knapp unter 41.000 Mitarbeiter, wir wollen mit etwas weniger als 40.000 auskommen. Das ist das Ziel vorerst bis 2015. Aber es kann auch schon etwas früher sein.

Der Betriebsrat wirft Ihnen vor, dass Sie auf der einen Seite Leute abbauen, auf der anderen Seite aber immer mehr Leasingpersonal aufnehmen. Die Kosten für die sogenannten bezogenen Leistungen seien unter anderem auch dadurch auf rund 1,5 Milliarden Euro angestiegen.
Das ist völliger Humbug. In dieser Position machen die Kosten für Leasingpersonal nur einen winzigen Bruchteil aus. Die Zahl der Leasingkräfte ist stabil und leicht rückläufig. Aber die brauchen wir zur Spitzenabdeckung. Etwa zur Baustellensicherung, die der Betriebsrat so kritisiert. Da hat es eine Reihe von Initiativen gegeben, die Mitarbeiter dafür heranzuziehen. Das Problem ist, dass diese Jobs einmal hier, einmal da sind, einmal dauern sie drei Tage, dann mehrere Wochen. Über das gesamte Jahr verteilt brauchen wir dafür etwa 300 Leute. Wenn wir das mit eigenen Leuten machen, müssten wir aber die dreifache Menge vorhalten, weil ja nicht immer alle verfügbar sind.

Es gibt auch viel Kritik, dass der interne Arbeitsmarkt, also die Versetzung von Mitarbeitern in Bereichen mit Personalmangel, nicht funktioniert. Was ist daran so schwierig?
Alleine letztes Jahr haben 1669 Mitarbeiter einen neuen Arbeitsplatz im Unternehmen angenommen, das ist eine enorme Zahl. Grundsätzlich gelten für die ÖBB-Mitarbeiter die gleichen arbeitsrechtlichen Bestimmungen wie für alle anderen österreichischen Arbeitnehmer, auch beim Versetzungsschutz. Problematisch wird es aber durch die Kombination mit der Pragmatisierung. Wenn ein Mitarbeiter in einem anderen Unternehmen einen Wechsel ablehnt, ist oft der Arbeitsplatz weg. Bei uns braucht es wegen der Unkündbarkeit zusätzliche Anreize.

Es entsteht aber schon der Eindruck, dass in den ÖBB die Mitarbeiter besonders oft eine Versetzung ablehnen ...
Dem muss ich widersprechen. Da wird in der Öffentlichkeit oft ein Bild gezeichnet, dass die Eisenbahner herumsitzen, Daumen drehen und jeden Wechsel blockieren. Das ist ja nicht so. Im internen Arbeitsmarkt, mit dem Mitarbeiter in eine andere Tätigkeit vermittelt werden, ist derzeit eine kleine dreistellige Zahl von Mitarbeitern. Die sind aber bis zu einem Wechsel durchgehend beschäftigt.

 

Sparschiene: 1,6 Milliarden

Infrastruktur

920 Millionen Euro weniger als geplant werden bis 2016 in den Schienenausbau gesteckt.

Der größte Brocken entfällt auf die Tunnel-Großprojekte Brenner, Koralm und Semmering. Kleinere Projekte werden ersatzlos gestrichen.

Pensionen

Durch den Wegfall der Frühpensionen erspart sich der Bund in Summe 525 Millionen Euro.