In fünf Jahren wird bereits der Gotthard-Basistunnel eröffnet. Zusammen mit der Lötschberg-Basislinie, die vor bald vier Jahren in Betrieb genommen wurde, wird ein weiterer wichtiger Beitrag für einen beschleunigten Güteraustausch Nord-Süd geleistet.
LITRA Mediendossier vom 14. November 2011 (PDF)
Das Mediendossier «Herausforderungen im europäischen Schienengüterverkehr» ist eine Zusammenarbeit der LITRA mit dem Studiengang Verkehrssysteme der School of Engineering an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
Der zunehmende Güterverkehr soll auf die Schiene Foto: Marcel Manhart
Die Europäische Union EU will, dass der zunehmende Güterverkehr auf die Schiene verlagert wird. Dazu hat sie verschiedene Korridore in Nord-Süd- und in West-Ost-Richtung als vorrangige
Ausbauprojekte definiert, die sie gezielt fördert. Die neuen Eisenbahn-Alpentransversalen am Lötschberg und Gotthard fügen sich nahtlos in die Korridore A von Rotterdam nach Genua und C von
Antwerpen nach Lyon/Basel ein. Bis zur Eröffnung des Gotthard-Basistunnels im Jahr 2016 soll der Korridor mit dem europäischen Zugsicherungssystem ETCS ausgerüstet sein. Damit wird der Zugang zur
Schiene vereinheitlicht und vereinfacht, weil nicht mehr länderspezifische Zugsicherungssysteme auf den Lokomotiven implementiert werden müssen. Mit dem Wegfall der aufwändigen Traktion auf den
Rampenstrecken soll der Verkehr auf der Schiene schneller, kostengünstiger und somit konkurrenzfähig zur Strasse werden. In den folgenden Artikeln, verfasst von Studierenden des Studiengangs
Verkehrssysteme an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, werden einzelne Aspekte beleuchtet: Was wird im Süden gebaut? Was geschieht am Brenner? Mit welchen Innovationen ist im
intermodalen Verkehr zu rechnen?
Urs Brotschi, dipl. Ing. FH, Leiter Studiengang Verkehrssysteme
Quelle: DG Tren - Directorat-General Energy and Transport
Genuas Hoffnungen ruhen auf neuer Bahnlinie
Der Hafen von Genua ist heute im Vergleich mit den Häfen an der Nordsee nicht mehr konkurrenzfähig. Einer der Hauptgründe dafür
sind die ungenügenden Eisenbahnverbindungen nach Norditalien.
Flach, direkt und schnell
Die neue Bahnlinie zwischen Genua und Tortona
„Porca miseria! Immer dieser Stau!“, flucht Chauffeur Ilario Cerone. Seit nun 15 Jahren fährt Ilario mit seinem Lastwagen Container aus dem Hafen von Genau in die norditalienischen
Industriegebiete. Tag für Tag steht er im Stau, zu seinem und des Endkunden Ärger. Neben den Privatautos sorgen vor allem die Lastwagen für den täglichen Verkehrskollaps im Grossraum von Genua.
Das erstaunt nicht, denn 80 Prozent der ankommenden Seefracht werden auf der Strasse wegtransportiert. In Rotterdam, dem grössten europäischen Hafen, macht der Lastwagentransport gerade mal 20
Prozent aus.
Veraltete Bahninfrastruktur
Für einen modernen Hafen ist heute eine Verkehrsanbindung von hoher Kapazität zwingend. Die grossen Containerschiffe müssen aus Kostengründen möglichst schnell entladen werden, was einen
effizienten Weitertransport verlangt. In Frage kommen dafür nur die Eisenbahn oder die Binnenschifffahrt. Weil Genua im Gegensatz zu Antwerpen oder Rotterdam über keine Anbindung an ein
Binnenschifffahrtsnetz verfügt, ist der Hafen auf ein effizientes Eisenbahnnetz angewiesen. Doch genau hier liegt das Problem. Die zwei Bahnlinien, welche Genua mit dem Norden verbinden, stammen
aus dem 19. Jahrhundert und werden den heutigen Anforderungen des Schienengüterverkehrs nicht mehr gerecht. Enge Kurvenradien reduzieren die zulässige Höchstgeschwindigkeit der Züge und die
starken Steigungen machen eine zusätzliche Lokomotive notwendig. Weiter verhindern niedrige Tunnels und Brücken, dass übergrosse Container auf den Zügen transportiert werden können. Zu diesen
technischen Hindernissen kommt noch ein betriebliches Problem hinzu: Die Bahnlinien Genua–Mailand und Genua–Novara werden durch den Personenverkehr stark beansprucht, was die Kapazität für
Güterzüge mindert.
Neubauprojekt stagniert
Die Lösung für dieses Problem soll die neue Eisenbahnlinie „Terzo Valico dei Giovi“ bringen. Die Strecke beginnt in Tortona, 70 Kilometer südwestlich von Mailand, und endet im Hafen von Genau
(vgl. Grafik). In Novi Ligure besteht Anschluss an die Strecke Richtung Alessandria und Novara. Von insgesamt 54 Kilometern verlaufen 39 Kilometer im Tunnel. Bis 2015 soll gemäss den Planern die
5 Milliarden teure „Terzo Valico dei Giovi“ fertiggestellt werden. Im Februar 2010 war Spatenstich für dieses Grossprojekt. Bis jetzt stehen aber erst 500 Millionen Euro zur Verfügung.
Ausländische Gelder fliessen kaum, da die Bahnlinie in Europa eine niedrige Priorität hat. Länder wie die Schweiz oder Deutschland konzentrieren sich auf die Verbindung mit den nördlichen Häfen.
Wegen dieser unsicheren Finanzlage weigert sich nun der Generalunternehmer weiterzubauen. Laut Vertrag mit der italienischen Staatsbahn müsste der Generalunternehmer auf alle seine Forderungen
aus früheren Aufträgen verzichten, falls die Arbeiten wegen ungenügender Finanzierung eingestellt würden. Gegen diese Klausel wehrt er sich vehement, was den Projektfortschritt stagnieren lässt.
Die Verhandlungen stehen aber noch am Anfang.
Bescheidenes Wachstum
Für den Hafen von Genua ist die neue Eisenbahnstrecke „Terzo Valico dei Giovi“ existentiell, um mit den Nordhäfen konkurrieren zu können. Die veraltete Hafeninfrastruktur und vor allem die
schlechten Verbindungen ins Hinterland von Genua sind verantwortlich dafür, dass der Hafen im europäischen Vergleich ein bescheidenes Wachstum aufweist. Während der Hafen von Rotterdam seit 1980
seinen Güterumschlag um das 30fache steigern konnte, wuchs Genuas Gütervolumen in der gleichen Zeitperiode nur um das 15fache.
Genua braucht Lagerfläche
Probleme bereitet der Hafenbehörde von Genua auch die fehlende Lagerfläche für Container. Eingeengt durch die gewachsene Grossstadt und die Hänge des Küstengebirges sind Veränderungen am Hafen
kaum möglich. Abhilfe könnte das hinter dem Küstengebirge liegende Güterverkehrszentrum Rivalta Scrivia schaffen. Die Anlage nahe Alessandria ist eine Art „Aussenlager“ des Hafens von Genua.
Heute werden grössere Mengen von Containern von Genua nach Rivalta Scrivia zur Weiterverarbeitung gebracht. Umgekehrt kann das Güterverkehrszentrum den Hafen zeitnah beliefern. Damit es weiter
wachsen kann, ist die Anlage von Rivalta Scrivia auf eine gute Bahninfrastruktur nach Genua angewiesen, insbesondere auf die Neubaustrecke „Terzo Valico dei Giovi“.
Strasse mit Geldsorgen
Vieles im Hafen von Genua hängt von einer schnellen Verbesserung der Verkehrsverbindungen in das Hinterland ab, da sind sich Hafenbehörde und Politik einig. „Es muss etwas passieren, sonst hält
in Genua gar kein Schiff mehr!“, meint auch der erfahrende Chauffeur Ilario Cerone. Damit er mit seinem Lastwagen nicht mehr täglich im Stau stehen muss, ist eine 26 Kilometer lange Umfahrung
geplant. Doch auch hier geht es nicht vorwärts. Finanzierungsprobleme behindern das Bewilligungsverfahren.
Autoren: Fabian Hasler, Vincent Hischier und Christoph Zurflüh
Das Warten auf den nächsten Basistunnel
Fünf Monate nach dem ersten Durchstich in der Oströhre wurde Ende März 2011 auch die zweite Röhre des Gotthardbasistunnels durchbrochen. Ein weiterer Meilenstein im Hinblick auf die Eröffnung im
Jahre 2016. Was für uns Schweizer der Gotthard ist, ist für die Österreicher der Brenner. Doch die Kritik am geplanten Brenner-Basistunnel wird nicht leiser.
Brenner-Basistunnel – Die drei Multifunktionsstellen im Tunnel dienen als Nothaltestelle und bieten Überholmöglichkeiten Quelle: BBT
Finanzierung nicht geklärt
Ein Staatsvertrag zwischen Österreich und Italien verlangt, dass der Scheitelpunkt des geplanten, 55 Kilometer langen Brenner-Basistunnel (BBT) genau auf der Staatsgrenze zwischen diesen beiden
Staaten liegen muss. Dies hat zur Folge, dass die Steigung im Tunnel unnötig erhöht wird. Schwere Güterzüge, für solche wird der BBT hauptsächlich gebaut, benötigen mehr Energie. Die Begründung,
dass italienisches Wasser im Tunnel nach Italien und österreichisches Wasser nach Österreich fliesst, tönt zwar amüsant, ist in Anbetracht des höheren Energiebedarfs aber eher bedenklich. Dieses
Beispiel zeigt deutlich die Schwierigkeiten beim momentan grössten Bauprojekt der EU. Die Europäische Union spielt eine wesentliche Rolle beim Bau des Tunnels. So zahlt sie die Hälfte der
Planungskosten und beteiligt sich bis 2013 mit 27% an den Baukosten.
Trotz der Unterstützung aus Brüssel ist die Finanzierungsfrage alles andere als geklärt. Bis heute weiss niemand, wer für die 9 Milliarden Euro, so die aktuelle und offizielle Schätzung der
Erbauerein BBT SE, aufkommen soll. Steigen die Kosten, wie von Kritikern befürchtet, auf 15 Milliarden Euro, droht ein finanzielles Fiasko wie beim Bau des Kanaltunnels zwischen England und
Frankreich. Dieser kostete mehr als doppelt so viel wie prognostiziert und ist bis heute mit 9 Milliarden Euro verschuldet.
Sowohl Italien als auch Österreich setzen bei der Finanzierung auf die Benützer der Brennerautobahn. So sind 25% der Mautgebühren zwischen Innsbruck und dem Brennerpass für den Bau des neuen
Tunnels reserviert. Dies ist eine gute Idee, bringt jährlich aber nur etwa 25 Mio. Euro ein.
Eröffnung 2025
Der geplante Brenner-Basistunnel gilt als Herzstück des transeuropäischen Korridors Stockholm–Palermo. Das Nordportal ist in Innsbruck, der Landeshauptstadt des Tirols, das Südportal in
Franzenfeste (Fortezza) im Südtirol. Der 55 Kilometer lange Tunnel besteht aus zwei eingleisigen Hauptröhren, drei Multifunktionsstellen und Verbindungsstollen zwischen den Tunnelröhren. (vgl.
Grafik) Im Vergleich zum 2 km längeren Gotthard-Basistunnel sind die Multifunktionsstellen mit einem Überholgleis ausgerüstet. Dies erlaubt das Überholen von langsamen Güterzügen durch Reisezüge
im Tunnel, erhöht aber die Kosten massiv. Weiter ist zu erwähnen, dass jede zusätzliche Weiche eine Fehlerquelle sein kann und somit die Sicherheit beeinträchtigt.
Gebaut wird am Tunnel seit 2008, jedoch erst an Erkundungsstollen. Die Eröffnung des Tunnels ist zur Zeit für das Jahr 2025 geplant, dürfte sich jedoch mit den Finanzierungsproblemen noch weiter
verzögern.
Vorteil NEAT
Gemäss der BBT SE ist ein Basistunnel ein Tunnel, der einen Berg möglichst ohne Steigung und ohne Auffahrtsrampe durchquert. Zwischen Bozen und dem Tunnelsüdportal in Franzenfeste besteht eine
Höhendifferenz von rund 500 Metern. Auf dieser 40 Kilometer langen Strecke beträgt die durchschnittliche Steigung 12 Promille. Da stellt sich die Frage, ob man wirklich von einem Basistunnel
sprechen kann oder ob es sich mehr um eine Mischung zwischen Basis- und Scheiteltunnel handelt.
Auch hier zeigt der Vergleich zur NEAT deutliche Vorteile für die Schweiz. Der Scheitelpunkt des Gotthard-Basistunnels liegt mit 550 m.ü.M knapp 300 Meter unter demjenigen des BBT. Ein
entscheidender Vorteil, sollten die beiden Tunnels ab 2025 im Wettbewerb zueinander stehen.
Nutzen umstritten
Das Ende März vorgestellte „Weissbuch Verkehr“ dient als Grundlage für die europäische Verkehrspolitik. Es verlangt eine Reduktion der Treibhausgase im Verkehrssektor um 60% bis 2050 (Basisjahr
1990). Um dieses ambitiöse Ziel zu erreichen, setzt die EU auf die Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene. Der BBT ist eine der Massnahmen und soll den Schienengüterverkehr
effizienter, günstiger und somit konkurrenzfähiger machen.
Anderseits sollen auch die Passagiere auf der Brennerachse von schnelleren Verbindungen zwischen München und Mailand profitieren. So prognostizieren die Erbauer des BBT ein jährliches Wachstum im
Personenfernverkehr von 7 Prozent. Eine Studie der Wirtschaftsuniversität Wien stellt diese Zahlen in Frage und relativiert den Mehrwert. Zwar werde die Reisezeit zwischen München und Mailand
verkürzt, trotzdem beträgt sie noch immer über 6 Stunden. Somit ist sie keine Alternative für Geschäftsleute, die heute mit dem Flugzeug reisen. Wirklich konkurrenzfähig wird eine Bahnstrecke
erst ab einer Reisezeit von unter 4 Stunden.
Alternativen sind vorhanden
Diese Fakten erklären, warum der Unmut über den geplanten Tunnel wächst. Es gibt jedoch auch Alternativen. Der wohl prominenteste Kritiker ist Professor Hermann Knoflacher, eine Koryphäe der
österreichischen Verkehrsplanung. Er schlägt als Alternative den Ausbau der Tauernstrecke vor. Damit könnten genügend Kapazitäten geschaffen und sehr viel Geld gespart werden. Die Verfasser der
Studie der Wirtschaftsuniversität Wien kommen zu einer anderen Lösung. Sie schlagen einen reinen Güterverkehrstunnel vor. Die Kapazitäten eines solchen wären massiv höher, da alle Züge mit
derselben Geschwindigkeit unterwegs sind und sich somit nicht gegenseitig behindern. Für einen solchen Tunnel wäre aufgrund der geringeren Sicherheitsmassnahmen nur eine Röhre mit zwei Geleisen
notwendig. Die Kosten könnten um einen Drittel gesenkt werden. In dieser Variante stünde die bestehende Strecke für den Personenverkehr zur Verfügung. Inwiefern die Kritiker Recht behalten und
welche heutigen Prognosen zutreffen werden, wird sich erst in den ersten Betriebsjahren zeigen. Doch schon heute sind die Schwierigkeiten offensichtlich, die beim Bau eines Projekts in diesem
Ausmass entstehen. Erschwerend kommt der Umstand hinzu, dass mit Österreich, Italien und der EU drei verschiedene Parteien mit unterschiedlichen Interessen beteiligt sind.
Autoren: Domink Looser, Simon Hofmann, Lukas Wellauer
Sattelauflieger einfach und schnell verladen
Im Kombinierten Verkehr werden die Stärken der beiden Verkehrsträger Strasse und Schiene wesensgerecht eingesetzt. Die Bahn übernimmt den Transport über lange Strecken und der Lastwagen macht die
Feinverteilung zu den Kunden. Ein deutscher und ein französischer Hersteller treten mit einem neuen Produkt auf den Markt, das diese beiden Vorteile vereint. Die Grundidee ist der Verlad von
Sattelauflieger auf die Bahn mit wenig Infrastruktur.
Abbildung 1: In den grossen Terminals werden die
Sattelauflieger mittels Portalkränen verladen.
Die Nachfrage nach Gütern wird in Zukunft weiterhin steigen. Mehrere Studien prognostizieren ein deutliches Wachstum. Je nach Szenario werde die Gesamtverkehrsleistung, gerechnet in Tonnenkilometer (Tkm), in der Schweiz von Strasse und Schiene um +32% bis +78% ansteigen. Ein Vergleich mit Deutschland und Österreich zeigt ähnlich Zahlen. Gemäss der Studie “Terminal Study on the Freight Corridor“, welche die Entwicklung in den Terminals untersucht, werden die Umschläge in den Güterterminals auf dem TEN 24 Korridor (Eisenbahnverbindung zwischen Rotterdam und Genua) um 173% zunehmen. Doch das Wachstum im Güterverkehr bringt auch einige unerwünschte Begleiterscheinungen mit sich. Kapazitätsengpässe auf hochfrequentierten Achsen, höhere Umweltbelastung durch den CO2-Ausstoss und Lärm. Senken lassen sich diese Werte durch Bündelung der Ware, wie es im Kombinierten Verkehr geschieht. Die Sattelauflieger, welche im Binnenverkehr in Europa viel zum Einsatz kommen, werden im konventionellen Kombiverkehr hauptsächlich vertikal verladen. Das heisst, dass die Transportgefässe mittels Portalkran oder Stapler auf ein anderes Transportmittels umgeladen werden. Folglich müssen die Transportgefässe mit speziellen Greifvorrichtungen ausgestattet sein. Im europäischen Binnenverkehr ist der Sattelauflieger das bevorzugte Transportgefäss, jedoch verkehren nur ungefähr zwei Prozent der Sattelauflieger mit dieser Zusatzausrüstung.
Abbildung 2: Der parallele Verlad beim Cargobeamer dauert 15 Minuten
Abbildung 3: Die Wagenaufsätze von Modalohr erlauben mit den tiefen
Wagenböden auch den Verlad von 4m hohen Aufliegern.
Schnell und einfach
Um das System für die Speditionen offener zu gestalten, haben sich ein deutscher und ein französischer Hersteller daran gemacht, dieses Problem zu lösen. Beide Unternehmen haben sich darauf
spezialisiert, ein Produkt zu entwickeln, welches einen Verlad der Sattelauflieger ohne Kranen ermöglicht. So wird beim sogenannten Horizontalverlad das Transportgefäss nicht angehoben, sondern
auf die Bahnwagen gefahren. Es sind keine teuren Portalkrane nötig, und die Sattelauflieger brauchen keine Greifvorrichtungen. Durch den horizontalen Verlad können laut Weidmann,
Vorstandsvorsitzender der Firma Cargobeamer AG, alle Beteiligten profitieren: "(...) der Spediteur, dessen Auflieger schneller umgeschlagen werden, die Bahnen, die die Standzeiten ihrer Wagen und
Lokomotiven drastisch verringern können, und die Terminalbetreiber, die mehr Züge abfertigen können." Im Prinzip arbeiten beide Systeme gleich. Der Lastwagen fährt mit dem Auflieger auf
Wagenaufsätze, die Auflieger werden abgesattelt, die Zugmaschine fährt weg, und die Wagenaufsätze werden automatisch auf die Wagen des Zuges verschoben. Beim System Cargobeamer werden die
Wagenaufsätze ganz vom Wagen des Zuges gefahren und der LKW fährt parallel zum Bahnwagen auf den Aufsatz (siehe Abb. 2). Das Modalohrsystem hingegen lässt die Wanne auf dem Bahnwagen. Zum Verlad
werden die Wannen um 30 Grad gedreht, so dass der LKW auffahren kann (siehe Abb. 3). Beide Techniken haben zur Folge, dass beim horizontalen Verladen höhere Investitionskosten für die Bahnwagen
entstehen, weil diese speziell dafür ausgerüstet sein müssen. Jedoch können Kosten bei der Umschlagsanlage eingespart werden. Cargobeamer hat hier Vorteile gegenüber Modalohr und dem
konventionellen Kombiverkehr. Das System weist die tiefsten Investitionskosten und den kleinsten Flächenbedarf für das Terminal auf. Im Vergleich zum vertikalen Kombiverkehr können beide neuen
Systeme vor allem auch beim automatisierten und schnellen Umschlag glänzen. Damit dieser Vorteil zum Tragen kommt, müssen jedoch kurze Zugfolgezeiten gewährt werden.
Vorteile für die Neuen
Sowohl Modalohr als auch Cargobeamer können mit weiteren Vorteilen überzeugen. Die tiefliegenden Wagenböden bei den überarbeiteten Modalohrwagen können den Verlad von Aufliegern mit 4 m Höhe
ermöglichen. Dieser Vorteil ist wichtig, weil die Speditionen immer mehr in solche Megatrailer investieren. Auch das deutsche System weiss mit intelligenten Lösungen zu überzeugen. Es wird
möglich, die Zeit für den Wechsel von europäischer Normalspur (Spurbreite 1435mm) auf russische Breitspur (Spurbreite 1520mm) deutlich zu reduzieren. Ein Umlad eines Zuges mit 30 Wagen dauert mit
der neuen Technik von Cargobeamer bloss 15 Minuten. Dieser Vorteil soll nun genutzt werden. Die EU unterstützt im Rahmen des Programms Marco-Polo eine Pilotstrecke von Rotterdam nach Riga, welche
2014 in Betrieb gehen soll. Die Entwickler von Modalohr können auf eine längere Praxiserfahrung zurückgreifen. Seit 2003 fahren Shuttlezüge auf der Versuchsstrecke zwischen Aiton (Frankreich) und
Orbassano (Italien). Nach der positiven Erfahrung wurde im Juni 2007 eine zweite Verbindung eröffnet, welche nun den Güterverkehr auf der Strasse von Perpignan (Frankreich) und Bettembourg
(Luxemburg) entlasten soll.
Die beiden neuen Systeme können also durchaus mit interessanten Vorteilen auf sich aufmerksam machen. Klar ist aber auch, dass sie Investitionskosten auslösen und sich im Markt etablieren müssen.
Auch müssen noch technische und betriebliche Hürden genommen werden, beispielsweise die Zulassung der Modalohrwagen auf weiteren Strecken in Europa durch den internationalen Eisenbahnverband
(UIC) oder die Integration der Shuttelzüge in das stark belastete Streckennetz der Bahn. So erstaunt es nicht, dass Betreiber von konventionellen Verladesystemen Vorbehalte anmelden. Die neuen
Systeme müssen sich zuerst in der Praxis bewähren und mit dem bestehenden System kompatibel sein. In Anbetracht dessen, dass die Terminalbetreiber hohe Investitionskosten haben, ist diese
Einschätzung verständlich.
Eine Chance werden die neuen Systeme sicherlich haben, wenn sie ihre Vorteile gezielt ausspielen. Sei es das 4m-Profil bei Modalohr oder der schnelle Wechsel von Normal- auf Breitspur beim
Cargobeamer. So sollten diese neuen Systeme nicht in erster Linie als Konkurrenten gesehen werden, sondern als wichtige Ergänzung zum konventionellen Kombiverkehr. Klar ist, dass das Wachstum im
Güterverkehr in den nächsten 20 Jahren nicht ohne innovative Lösungen bewältigt werden kann.
Autoren: Christoph Barmet, Michael Feuz, Tobias Keller