Die Strasse ist ein wichtiger Verkehrsträger – auch für den öffentlichen Verkehr. Das zeigt eine in Luzern vorgestellte Studie der ETH Zürich. Besonders gross ist die Bedeutung der Strasse für den öffentlichen Verkehr in den Berg- und Randregionen sowie in den Städten. Diesem Umstand haben auch die Verkehrs- und Finanzpolitik Rechnung zu tragen.
Der öffentliche Verkehr findet auch auf der Strasse statt Foto: Marcel Manhart
Der öffentliche Verkehr wird in der Politik und in der allgemeinen Wahrnehmung meistens mit Schienenverkehr gleichgesetzt. Doch auch die Strasse ist ein wichtiger Bestandteil des öffentlichen
Verkehrs. Das Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme der ETH Zürich hat die Bedeutung des öffentlichen Verkehrs auf der Strasse – also von städtischen Autobussen, Regionalbussen,
Trolleybussen und auch Strassenbahnen – quantifiziert. Die Ergebnisse wurden in Luzern an der Informationsveranstaltung «Der öffentliche Verkehr findet auch auf der Strasse statt» präsentiert.
Zur Veranstaltung eingeladen hatten der Fachverband Infra, die LITRA, die Schweizerischen Mischgut-Industrie und die Verkehrsbetriebe Luzern (vbl).
Das längste öV-Netz ist die Strasse
Das Tram- und Busnetz der Schweiz ist mit über 18’000 Kilometer fast vier Mal länger als das Schienennetz von SBB und den Privatbahnen. Geschätzte 20 Prozent des Schweizer Strassennetzes, das
sind etwa 15’000 Kilometer, werden auch von Trambahnen, Trolleybussen, Regional- oder städtischen Autobussen befahren. Postautodienste und andere Automobilunternehmen mit insgesamt knapp 14’500
Kilometer machen davon den grössten Anteil aus. Auf dem Netz des öffentlichen Strassenverkehrs werden jedes Jahr 1.3 Milliarden Personen oder rund drei Viertel aller Passagiere des öffentlichen
Verkehrs transportiert.
Faire Finanzierung
Die enge Vernetzung von öffentlichem Schienenverkehr, öffentlichem Strassenverkehr und motorisiertem Individualverkehr ist eine der grossen Stärken der Mobilität in der Schweiz. «Für eine
funktionierende Mobilität braucht es Schiene und Strasse», betonte auch Benedikt Koch. Koch ist Geschäftsführer des Fachverbands Infra, der Organisation der Schweizer Infrastrukturbauer. Die
mittel- bis langfristige Finanzierung des Strassen- und Schienennetzes sei nicht gesichert. Bund, Kantone und Gemeinden seien deshalb gefordert, die Finanzierung von Unterhalt und Ausbau des
öffentlichen Verkehrs zu gewährleisten. Koch erteilte der Volksinitiative des VCS, welche die Hälfte der Einnahmen aus dem motorisierten Individualverkehr für den öffentlichen Verkehr verwenden
möchte, eine klare Absage. Mit einer Umverteilung sei das Problem nicht aus der Welt geschafft.
Den Strassen Sorge tragen
Für Peter Bieri, Ständerat und Präsident der LITRA, dem Informationsdienst für den öffentlichen Verkehr, steht das Miteinander von Schiene und Strasse im Vordergrund: «Der öV hat der
Strasseninfrastruktur genauso Sorge zu tragen wie der Schiene.» Mit dem Infrastrukturfonds finanziere der Bund zwar bereits heute Agglomerationsprojekte auf Strasse und Schiene, sowie
Hauptstrassen mit. Der Investitionsbedarf übersteige die vorhandenen Mittel jedoch deutlich. Deshalb müssten sich der Bund, in erster Linie aber die Kantone, Gemeinden und Städte Gedanken über
die zukünftige Infrastrukturfinanzierung machen. «Der Fokus der Politik», forderte Bieri, «muss sich nach dem erfolgten Ausbau der Hauptverkehrsachsen auf die nachhaltige Bewältigung des
Agglomerationsverkehrs auf Strasse und Schiene richten».
Unentbehrlicher Verkehrsträger
Gemäss Prof. Ulrich Weidmann, Mitautor der ETH-Studie, liegen die Stärken der öffentlichen Strassenverkehrsmittel in der hohen Erschliessungsqualität, der guten Umweltverträglichkeit, den
geringen betriebswirtschaftlichen Kosten und den im Stadtverkehr gleichzeitig hohen Leistungsfähigkeiten. Tram und Trolleybus haben etwa zehnmal, der Autobus etwa dreimal mehr Fahrgäste je
Streckenkilometer als der gesamte öffentliche Verkehr im Durchschnitt. «Für die Verkehrsmittel des öffentlichen Strassenverkehrs gibt es insbesondere in den städtischen Ballungsräumen mit vielen
Raumnutzungskonflikten keine Alternativen», so Weidmann. Im allgemeinen Bewusstsein sei zudem kaum verankert, dass das Strassennetz auch die Grundlage der Feinerschliessung des öffentlichen
Verkehrs bildet. Dabei wird der öffentliche Strassenverkehr besonders oft für den Weg zum oder vom Arbeits- oder Ausbildungsplatz genutzt.
Das Beispiel Luzern
An die Verkehrsplanung in den Städten werden die unterschiedlichsten Ansprüche gestellt. Der öffentliche Raum wird knapp und der Verkehr nimmt zu. Welche Herausforderungen der öffentliche
Strassenverkehr in der Stadt Luzern zu bewältigen hat, zeigte Dr. Norbert Schmassmann, Direktor Verkehrsbetriebe Luzern vbl. Bereits im Herbst 2007 machte vbl mit einem Bericht auf die
Schwachstellen in ihrem Netz aufmerksam. Dieser an die zuständigen Bau- und Polizeibehörden gerichtete Bericht stiess in den lokalen Medien auf grosses Echo. Noch heute wird an der Behebung der
aufgezeigten Schwachstellen gearbeitet. Nächstes Jahr wird vbl eine aktualisierte Standortbestimmung machen. Im Anschluss an die Informationsveranstaltung von Infra, LITRA, SMI und vbl wurden auf
einer Rundfahrt per Bus die wichtigsten neuralgischen Punkte in der Stadt Luzern besichtigt und erörtert.