Im Zürcher Verkehrsverbund ZVV werden die 250 Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter der Zürcher S-Bahn wie geplant bis Ende 2012 ersetzt. An ihre Stelle tritt ein Sicherheitsdienst, der mit aggressiven Fahrgästen besser klarkommen soll. Im Kantonsrat scheiterte die Linke mit dem Versuch, die Zugbegleiter zu retten.
Nächtliche Kontrolle bei der Zürcher S-Bahn Foto: Marcel Manhart
Seit 2004 sind sie jeden Tag ab 21 Uhr in jeder S-Bahn unterwegs, kontrollieren Billette, räumen Zeitungen und Flaschen weg und versuchen, den Passagieren ein Sicherheitsgefühl zu vermitteln.
Weil die Zugbegleiter aber den häufiger auftretenden aggressiven Fahrgästen immer weniger Herr wurden, sannen die Verantwortlichen nach neuen Lösungen.
Sie beschlossen, auf Anfang 2011 die Zugbegleiter abzuschaffen und einen Sicherheitsdienst einzurichten. Anders als die Zugbegleiter sind die Leute des Sicherheitsdienstes mit Schlagstöcken und
Pfeffersprays ausgerüstet. Sie dürfen Personen festhalten und Ausweise kontrollieren.
Seit die SBB die Umstellung im letzten September publik
machten, wehren sich die rund 250 Zugbegleiter mit Protestversammlungen und Flugblättern gegen ihre Abschaffung. Gestern Morgen markierte ein Dutzend von ihnen vor dem Rathaus Präsenz und
verteilte nebst Flugblättern Schokolade, um die Kantonsratsmitglieder in letzter Minute umzustimmen.
Es half nichts: Mit 99:59 Stimmen beschloss die Mehrheit, den Ersatz der Zugbegleiter wie geplant laufen zu lassen. SP, Grüne, Teile der EVP und die EDU versuchten dies zu verhindern. Ihr Vehikel
war ein Minderheitsantrag in den «Grundsätzen über die mittel- und langfristige Entwicklung von Angebot und Tarif im öffentlichen Personenverkehr» (siehe auch Artikel unten).
Unnötiger Systemwechsel?
«Mir graut vor diesen martialischen Transportpolizisten», sagte Marcel Burlet (SP, Regensdorf). Die Zugbegleiter hätten ihre Arbeit bestens erledigt und seien nicht mehr wegzudenken. Robert
Brunner (Grüne, Steinmaur) meinte, die Verhältnisse in den Zügen seien längst nicht so schlimm wie vom Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) geschildert. «Ein kompletter Systemwechsel wäre nicht nötig»,
folgerte er. Schon die Abschaffung der Kondukteure sei ein grosser Fehler gewesen, fügte Dominique Feuillet (SP, Zürich) an. Mehrfach wurde auch die Befürchtung geäussert, dass schlecht bezahlte
Securitas-Leute im Sicherheitsdienst nicht in der Lage seien, den Zugpassagieren auch Fahrplanauskünfte zu erteilen.
Die bürgerliche Ratsseite liess sich nicht beeindrucken: «Was nützen Zugbegleiter, die sich nicht mehr in die Waggons getrauen?», fragte Willy Germann (CVP, Winterthur) rhetorisch. Den Freunden
der Zugbegleiter gehe es nur um Nostalgie. «Sie kultivieren eine Scheinsicherheit», meinte Germann. Benno Scherrer (GLP, Uster) sagte, es brauche nicht in jedem Zug einen Begleiter. Ein
flächendeckender Service public, wie ihn die SP fordere, sei da fehl am Platz. Auch Volkswirtschaftsdirektor Ernst Stocker (SVP) versuchte, die Bedenken der Gegner zu zerstreuen. Der
Handlungsbedarf beim Sicherheitskonzept sei real. «Meine Spezialisten finden das die beste Lösung», sagte er mit Blick auf das neue Konzept.
Schwerpunktkontrollen
Bei den Verkehrsbetrieben der Städte Zürich und Winterthur sowie im Nachtbetrieb der S-Bahnen ändert sich nichts. Das neue Regime umfasst aber den ganzen übrigen Kanton und erstreckt sich auf
Züge, Busse und Bahnhöfe. Neu sollen sogenannte Schwerpunktkontrollen stattfinden, wie sie in der Stadt Zürich praktiziert werden. Dabei tritt der Sicherheitsdienst je nach Situation in Gruppen
von zwei bis acht Personen auf. Bei Kontrollen können nebst Sicherheitsleuten auch Kontrolleure oder Präventionsleute dabei sein. Gesteuert werden die Einsätze von der Transportpolizei, einer
Tochter der SBB.
Von den 250 Bahnpolizisten haben laut Regierungsrat Stocker 50 eine neue Stelle gefunden. Rund 130 hätten die Möglichkeit, sich zum Zugbegleiter im Fernverkehr weiterzubilden. Die SBB hätten
versprochen, auf Entlassungen zu verzichten, sagte Stocker. Das neue Sicherheitskonzept soll nicht mehr kosten als das bisherige: gut 40 Millionen Franken. Der Personalbestand bleibt laut ZVV in
etwa gleich gross.