Bundesrat beschliesst neue strategische Ziele für die SBB AG

Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 22. Dezember 2010 für die SBB die strategischen Ziele festgelegt, die er als Eigner in den Jahren 2011 – 2014 erreichen will. Er hat die bisherige, bewährte Stossrichtung im Grundsatz bestätigt. Die wichtigste Änderung betrifft den internationalen Güterverkehr.

Der Bund ist Alleinaktionär der SBB AG, die Wahrung der Eignerinteressen obliegt dem Bundesrat. Seine Vorgaben legt er für die Dauer von jeweils vier Jahren in den strategischen Zielen fest. Der Verwaltungsrat muss seine Unternehmensstrategie an diesen Vorgaben ausrichten und sie umsetzen. Er ist dafür verantwortlich, dass die Ziele erreicht werden. Der Bundesrat überprüft die Zielerreichung jährlich anhand eines Kennzahlensystems. Die vorliegenden Ziele wurden in Zusammenarbeit mit den SBB erarbeitet.

Die allgemeinen Ziele definieren die Erwartung, dass die SBB attraktive und qualitativ gute Mobilitätslösungen für Menschen und Güter erbringt, die dafür notwendige Infrastruktur bereitstellt und ihre Immobilien professionell bewirtschaftet. Damit ist der Auftrag verbunden, die Position des öffentlichen Verkehrs insgesamt zu stärken und einen massgeblichen Beitrag zur Verkehrsverlagerung zu leisten.

                                                                                                         Foto: Marcel Manhart

 

Strategische Schwerpunkte für die Geschäftsbereiche
Beim Personenverkehr sind die Kapazitäten von Schienennetz und Rollmaterial nach Jahren mit starkem Wachstum vielerorts ausgeschöpft. Angesichts des prognostizierten Verkehrswachstums erwartet der Bundesrat von der SBB, dass sie das qualitativ hohe Niveau auch in Zukunft zu halten vermag. Im liberalisierten internationalen Verkehr erwartet er, dass die SBB ihre Marktstellung durch Kooperationen stärkt und somit gute Verbindungen zu wichtigen europäischen Wirtschaftszentren sicherstellt.

Beim internationalen Güterverkehr erfolgt eine wesentliche Änderung der strategischen Ziele: In Kooperation mit der schweizerischen Hupac soll sich SBB Cargo International künftig auf die Rolle als Unternehmen fokussieren, welches Kombi- und Ganzzüge auf der Nord-Süd-Achse transportiert. Bis 2013 soll es Gewinne erwirtschaften. Im Binnenverkehr soll SBB Cargo ein auf den Bedarf der verladenden Wirtschaft ausgerichtetes Wagenladungsverkehrsnetz eigenwirtschaftlich betreiben.

Die Ziele für die Division Infrastruktur bestehen darin, dass die SBB ein professionelles, diskriminierungsfreies Trassenmanagement umsetzt sowie den Zustand ihres Netzes durch geeignete Investitionen auf einem qualitativ hohen Stand hält. Um die Infrastrukturfinanzierung nachhaltig sicherzustellen, ist die SBB aufgefordert, den Betrieb der Infrastrukturen so effizient wie möglich zu gestalten.

Die Division Immobilien soll das Immobilienportfolio marktorientiert bewirtschaften und die Bahnareale gezielt weiterentwickeln. Die Erträge der Division Immobilien sollen nach wie vor wesentlich zur Sanierung der SBB - Pensionskasse beitragen und die Bundesfinanzierung der Infrastruktur um jährlich 150 Mio. Franken ergänzen.

Finanzielle und personelle Vorgaben
Aufgrund der unbefriedigenden finanziellen Situation der SBB hat der Bundesrat bereits Ende 2009 die strategischen Ziele für diesen Bereich angepasst und für 2010 klare Vorgaben zu Konzerngewinn und Free Cash Flow gemacht. Diese Stossrichtung wird für die Periode 2011 – 2014 beibehalten und weiter präzisiert.

Die SBB hat auch in Zukunft eine fortschrittliche und sozialverantwortliche Personalpolitik zu verfolgen und das Vertrauen des Personals in die Unternehmensführung zu stärken. Die SBB AG muss mit den Sozialpartnern Gesamtarbeitsverträge (GAV) abschliessen, in denen die Mitspracherechte der Gewerkschaften geregelt sind. Für ausgegliederte inländische Konzerngesellschaften gilt eine GAV-Verhandlungspflicht.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die SBB AG im In- und Ausland Kooperationen abschliessen kann. Er steckt jedoch den Rahmen dieser Tätigkeiten ab, indem er klare Leitplanken setzt.

Für die Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV ist erfreulich, dass die Pflicht zu Gesamtarbeitsverträgen bestehen bleibt, auch bei Auslagerungen. Er vermisst aber Vorgaben des Bundesrats zur Zufriedenheit von Personal und Kundschaft.

Noch stärker als in früheren Versionen sind die Ziele des Bundesrats an die SBB auf finanziellen Erfolg ausgerichtet, so insbesondere mit der neuen Vorgabe nach einer Preispolitik, die sich auch nach der Nachfrage und Auslastung richtet. Der SEV warnt weiterhin vor einer Tarifgestaltung, die die Einfachheit des Schweizer Bahnsystems gefährdet.

Der SEV ist jedoch zufrieden, dass der Bundesrat an der Pflicht zu Gesamtarbeitsverträgen festhält. Er bestätigt damit die Praxis der Personalmitsprache sowohl im Stammhaus als auch bei der Auslagerung in Tochterfirmen. «Damit wird die Grundlage der funktionierenden Sozialpartnerschaft bei der SBB fortgeschrieben», freut sich SEV-Präsident Giorgio Tuti.

Unverständlich ist für den SEV, dass der Bundesrat der SBB keine Ziele vorgibt, was die Personalzufriedenheit und die Kundenzufriedenheit angeht. Gerade unter dem Gesichtspunkt der vernichtenden Resultate der jüngsten Umfrage zur Personalzufriedenheit hätte es der SEV als nötig erachtet, dass der Bundesrat hier ebenso klar Vorgaben macht wie im finanziellen Bereich. «Nur mit zufriedenem Personal kann die SBB die hochgesteckten wirtschaftlichen Ziele erreichen; das sollte auch dem Bundesrat klar sein», hält Tuti fest.

Das wirtschaftliche Ziel fürs Jahr 2011 setzt der Bundesrat unerwartet hoch an: Die SBB soll mit 402 Mio CHF den Gewinn gegenüber dem Ziel fürs laufende Jahr (170 Mio CHF) mehr als verdoppeln, zudem den negativen Cash Flow massiv verkleinern. Der SEV warnt davor, zu hohe Erwartungen in weitere Produktivitätssteigerungen zu setzen; das Personal hat in den vergangenen 15 Jahren hier bereits bis an die Leistungsgrenze zu Verbesserungen beigetragen.