Am Samstag haben die Verkehrsbetriebe Glattal zusammen mit dem Zürcher Verkehrsverbund und der Bevölkerung die Eröffnung der neuen Linie 12 gefeiert. Mit einem grossen Fest ist der dritte und vorerst letzte Ast der Zürcher Glatttalbahn eingeweiht worden. Die neue Linie 12 verbindet den Bahnhof Stettbach mit dem Flughafen und erschliesst eines der wichtigsten Zürcher Entwicklungsgebiete mit rund 100'000 Einwohnern.
Festplatz beim Bahnhof Stettbach Foto: Marcel Manhart
Mit der Eröffnung der Glattalbahn erfüllten sich praktisch alle Wünsche eines Volkswirtschaftsdirektors auf einen Schlag, sagte der Zürcher Regierungsrat Ernst Stocker (SVP) am
offiziellen Festakt in Dübendorf. Die Glattalbahn fördere den Standort Glattal und damit auch die wirtschaftliche Attraktivität des ganzen Kantons Zürich.
Zum andern würden durch die Unternehmen, die sich dank der Bahn im Glattal ansiedelten, neue Arbeitsplätze geschaffen. Und nicht zuletzt sei die Glattalbahn ein öffentliches Verkehrsmittel, das
den Individualverkehr entlaste und optimal ergänze, erklärte der Volkswirtschaftsdirektor vor rund 450 geladenen Gästen, unter ihnen Bundesrat Moritz Leuenberger.
Die Glattalbahn sei weit mehr als nur neue Gleise und Fahrzeuge, sagte Stocker weiter. Sie sei ein sorgfältig geplantes und breit abgestütztes Gesamtwerk zur nachhaltigen Entwicklung des
Glattals. Die Bahn werde einen «unglaublichen Impuls» und eine «enorme Attraktivitätssteigerung» des Wirtschaftsstandorts Zürich auslösen.
Die neue Glattalbahn-Linie 12 führt vom Bahnhof Stettbach über Wallisellen und Glattbrugg zum Flughafen Zürich. Gekostet hat der Bau der dritten Etappe 266,6 Millionen Franken. Bereits 2006 wurde
die Verlängerung der Linie 11 vom Hallenstadion nach Auzelg in Betrieb genommen. Im Dezember 2008 ging die neue Linie 10 vom Hauptbahnhof Zürich bis zum Flughafen in Betrieb.
Planung von unten nach oben
Nach 20 Jahren miteinander diskutieren, projektieren und bauen sei eine Vision Realität geworden, stellte Otto Halter, Präsident der Verkehrsbetriebe Glattal (VBG), fest. Dank der Übertragung der
Gesamtprojektleitung an die VBG sei es gelungen, die Glattalbahn von «unten nach oben» zu entwickeln und zu perfektionieren.
Als symbolischen Akt zur Eröffnung enthüllte VBG-Direktor und Gesamtprojektleiter Andreas Flury an der Haltestelle Neugut einen Baumkreis aus sechs Säuleneichen sowie sechs Stelen mit den Namen
der sechs an der Glattalbahn erschlossenen Städte und Gemeinden.
Drei Eichen stehen laut Flury für Wirtschaftlichkeit, Ökologie und Sozialverträglichkeit und damit für die Nachhaltigkeit als oberste Zielsetzung des Glattalbahn-Projektes. Die andern drei Eichen
symbolierten Sicherheit, Dauerhaftigkeit und Gebrauchstauglichkeit der Glattalbahn. Entlang der Neubaustrecke wurden insgesamt zehn solcher Baumkreise gepflanzt.
Blick bereits in Zukunft gerichtet
Zum Auftakt der Eröffungsfeier waren die Gäste an den beiden Endpunkten der Linie 12, am Flughafen Zürich und am Bahnhof Stettbach, empfangen worden. Der Direktor der Flughafen Zürich AG, Thomas
Kern, wies darauf hin, dass Dübendorfer und Walliseller mit der Glattbahn auf dem Weg nach nach San Francisco, Shanghai und über 170 weitere Städte nun nur noch einmal umsteigen müssten.
Für René Huber, Stadtpräsident von Kloten, bringt die Glattalbahn aber nicht nur Ferien- und Geschäftsreisenden einen «mobilen Mehrwert». Die neuen, kurzen Wege kämen vor allem auch den
zahlreichen Pendlern zum Flughafen zugute. Den Blick bereits in die Zukunft richtete der Dübendorfer Stadtpräsident Lothar Ziörjen. Er gab der Hoffnung Ausdruck, dass die Glattalbahn schon in
naher Zukunft weiter ausgebaut wird. Für Dübendorf besonders erstrebenswert sei die Option, die Bahn Richtung Flughafenareal Dübendorf und Wangen-Brüttisellen weiterzuführen.
Mit der Linie 12 erhalte das Glattal die langersehnte Tangentialverbindung, freute sich der Walliseller Gemeindepräsident Bernhard Krismer. Eine der wichtigsten Wachstumsregion im Kanton Zürich
rücke damit enger zusammen und Wallisellen mit den vielen neuen Siedlungsgebieten liege nun im Herzen dieser Region.
Fest auf neun Plätzen
Das gesamte Streckennetz der Glattalbahn misst 12,7 Kilometer umd umfasst 21 Haltestellen. Die zum grössten Teil eigentrassierte Strassenbahn verbindet Teile der Agglomerationsgemeinden Kloten,
Opfikon, Rümlang, Wallisellen und Dübendorf mit dem nördlichen Stadtgebiet und der City von Zürich.
Ausgiebig Gelegenheit hatte auch die Bevölkerung, den Abschluss des 650-Millionen-Projektes zu feiern. Auf neun Festplätzen entlang der Linie 12 gab es neben Chilbibetrieb zahlreiche Attraktionen
und Ausstellungen. Gross war auch der Ansturm auf die weiss-blauen Cobratrams, die am Samstag auf der Glattalbahn-Strecke gratis verkehrten und am Sonntag ihren regulären Betrieb aufnehmen.
Das Tram an der Endhaltestelle "Fracht" beim Flughafen Foto: Marcel Manhart
Gut gelaunte Besucherinnen und Besucher feierten am Samstag, 11. Dezember 2010 die Eröffnung der Glattalbahn-Linie 12. Bei mildem Winterwetter nutzten sie die neue Linie zwischen dem
Bahnhof Stettbach und dem Flughafen Zürich und erfreuten sich an den verschiedenen musikalischen Darbietungen, zahlreichen Attraktionen und interessanten Ausstellungen.
Ab 11 Uhr hatte die Bevölkerung die Möglichkeit, die Strecke der neuen Glattalbahn-Linie 12 kennen zu lernen. Über 70'000 Besucherinnen und Besucher nutzten die Gelegenheit und fuhren vom Bahnhof
Stettbach an den Flughafen Zürich oder in umgekehrter Richtung. Unterwegs gab es vieles zu bestaunen. Auf den gut besuchten neun Festplätzen beim Flughafen Zürich, Fernsehstudio, Belair, Bahnhof
Wallisellen, Glatt, Neugut/Zwicky Areal, Giessen, Ringwiesen und Bahnhof Stettbach fanden interessante Ausstellungen zu den Themen Gesamtmobilität, Lebensraum und Berufsbilder statt. „Ich sah
viele zufriedene Gesichter auf den einzelnen Festplätzen und bin beeindruckt, was die verschiedenen Mitorganisatoren aufgebaut haben und mit welchem Engagement diese die Besucherinnen und
Besucher bewirteten“, blickt ein zufriedener VBG-Direktor und Gesamtprojektleiter Glattalbahn Dr. Andreas Flury auf die Festivitäten zurück. Rund 300 Helferinnen und Helfer waren am Samstag
während dem Glattfest auf den neun Festplätzen im Einsatz.
Fahrbetrieb bereit für den Fahrplanwechsel
Von 11.00 bis 18.30 Uhr fuhr die Glattalbahn im 5-Minuten-Takt und beförderte die Besucherinnen und Besucher von Festplatz zu Festplatz, später wurde der Takt etwas ausgedünnt. Für diese
Fahrleistung wurden 13 Glattalbahn-Fahrzeuge benötigt. Dafür wiederum waren 21 Wagenführer im Einsatz und fuhren die Cobras sicher über die Strecke. 13 Serviceleiter und Kundenberater sowie 25
Securitas unterstützten den Fahrbetrieb von den Haltestellen aus. Nebst den Wagenführern waren auch Shuttlebusse im Einsatz, welche die Gäste in Dübendorf und Kloten an den gewünschten
Ausgangsort fürs Fest beförderten. „Zwischen 14 und 16 Uhr war die Zahl der Besucherinnen und Besucher derart gross, dass der 5-Minuten-Takt ins Wanken geriet. Während dieser Zeit haben wir
zusätzlich Extrabusse eingesetzt“, so Dr. Andreas Flury.
Die erste fahrplanmässige Fahrt um 5.03 Uhr ab Bahnhof Stettbach
Der fahrplanmässige Betrieb der Linie 12 startete am 12. Dezember 2010 um 5.03 Uhr ab Bahnhof Stettbach. Der Betriebsstart verzögerte sich zwischen Auzelg und Bahnhof Stettbach um eine Stunde.
Grund war ein Selbstunfall eines Automobilisten auf der Ringstrasse in Dübendorf während der Nachtpause. Während dem Betriebsausfall verkehrten Ersatzbusse. Seit der Räumung der Unfallstelle
unter Leitung der Polizei verläuft der Betrieb stabil. Schäden sind keine entstanden.
Starke Organisationspartner
Das von der VBG und vom ZVV gemeinsam veranstaltete Glattfest wurde von zahlreichen Mitorganisatoren massgeblich mitgeprägt. Dazu zählten die von der Glattalbahn erschlossenen Städte und
Gemeinden, zahlreiche Vereine und Gruppierungen, die Hauptpartner Einkaufzentrum Glatt, Genossenschaft Migros Zürich, Zürcher Kantonalbank sowie die lokalen Energie-Partner Glattwerk Dübendorf,
IBK Kloten, Energie Opfikon, Die Werke Wallisellen und EWZ Zürich. Unterstützung erhielt das Glattfest zudem von verschiedenen weiteren Sponsoren.
Am Samstag feiern vier Glattalgemeinden die Fertigstellung ihres eigenen Strassenbahnnetzes. Über die Eröffnung der Linie 12 freuen sich aber nicht alle Beteiligten.
Wenn am Samstag die dritte Linie der Glattalbahn mit einem grossen Festakt eröffnet wird, erhalten Zehntausende in Dübendorf und Wallisellen eine direkte Verbindung zum Airport Shopping. Das
flughafeneigene Einkaufszentrum ist auch sonntags geöffnet und bedeutet für die Flughafen Zürich AG eine wichtige Einnahmequelle.
«Die neue Tramlinie ist für uns eine höchst erfreuliche Ergänzung», sagt Sprecherin Jasmin Bodmer auf Anfrage. Da die Linie 12 bis zur Fracht fährt, profitieren laut den Verkehrsbetrieben Glattal
(VBG) auch Angestellte im Frachtbereich, Flugzeugvernarrte (wegen «freier Sicht auf die Westpiste») und Inlineskater, da dort die Skaterroute um den Flughafen beginnt. Der Flughafen dürfte von
der Glattalbahn am meisten profitieren.
Jährlich 2000 neue Arbeitsplätze
Daneben zählen die Gemeinden Dübendorf, Wallisellen, Opfikon-Glattbrugg und Kloten zu den grössten Gewinnern. Glaubt man den Prognosen der VBG, springt eine 16-fache Rendite heraus. Den Baukosten
von 555 Millionen Franken stehen angeblich private Investitionen von 9 Milliarden gegenüber. Gerechnet wurde mit jenen Investitionen, die im 400-Meter-Radius um eine der 21 Haltestellen getätigt
werden. Sie spülen in absehbarer Zeit höchst willkommene Steuergelder in die Gemeinde- und Stadtkassen.
Zusammen mit den vier Gemeinden Rümlang, Bassersdorf, Dietlikon und Wangen-Brüttisellen entsteht der Gemeindeverbund «Glow.das Glattal». Deren Standortförderer Christoph Lang spricht von 2000
neuen Arbeitsplätzen, die in diesen acht Gemeinden jedes Jahr dazukommen. Bis im Jahr 2025 sollen es insgesamt 130'000 Arbeitsplätze sein.
Ein eher kleiner Profiteur ist das Glattzentrum. Der Einkaufstempel in Wallisellen erhält zwar eine eigene Haltestelle, musste dafür aber 220 von 4500 Parkplätzen opfern. Der ÖV-Anteil werde
stattdessen von heute 21 auf 25 Prozent ansteigen, wie Zentrumsleiter Marcel Stoffel gegenüber der NZZ prognostizierte. Das Glatt bleibe aber nach wie vor «ein Einkaufszentrum, wo man mit dem
Auto hinfährt».
Kleine Betriebe gehören zu den Verlierern
Von der Glattalbahn profitieren längst nicht alle. Die Schreinerei Werchschüür, die sozial Benachteiligte ausbildet, musste ihre Räumlichkeiten aufgeben. Nach fast 20 Jahren am Standort in der
Nähe des Bahnhofs Glattbrugg kam Anfang 2008 die Kündigung. Weil gleich vor der Tür eine Glattalbahn-Haltestelle gebaut wurde, wollte der Vermieter mehr Profit aus der Gewerbeliegenschaft holen.
Nach monatelanger Suche fand die Werchschüür einen Standort am Stadtrand – weit von der nächsten ÖV-Haltestelle entfernt. So dürfte es mehreren kleinen Firmen ergehen.
Felicitas Huggenberger, Präsidentin des Zürcher Mieterverbands, befürchtet zudem, dass sich zahlreiche alteingesessene Bewohner in Dübendorf und Wallisellen bald die Mieten nicht mehr leisten
können. Entlang der neuen Linie 12 sind mehrere neue Wohnungen im Bau. Dies habe eine Aufwertung der Region und damit eine Erhöhung der Mieten zur Folge. «So werden jene Bewohner verdrängt, die
sich die erhöhten Mieten nicht mehr leisten können.»
Ähnliche Entwicklung wie beim Bau der S-Bahn
Huggenberger geht davon aus, dass jene Leute, die in Zürich keine Wohnung finden, dort weitersuchen, wo die Anbindung in die Stadt besonders gut ist. Mit der Glattalbahn ist dies in Dübendorf und
Wallisellen nun der Fall. Im Moment sind ihr zwar noch keine konkreten Fälle bekannt. «Die Befürchtungen sind aber da, weil wir diese Verschiebungen bereits bei der Einführung der S-Bahn vor 20
Jahren beobachteten.» Damals seien in Uster die Mietpreise überdurchschnittlich stark angestiegen, weil die Stadt plötzlich viel besser an Zürich angebunden war.
Schliesslich kritisiert der Zürcher VCS die Linienführung. Geschäftsführerin Gabi Petri stört sich daran, dass fast nur Bürolandschaften bedient werden. Die Glattalbahn sei völlig an Dübendorf
vorbei geplant worden, beklagt sich zudem Tagesanzeiger.ch-Leser Fritz Isenegger in einem Kommentar. Für Standortförderer Christoph Lang gibt es hingegen praktisch nur Gewinner: «Wenn man
jemanden als Verlierer bezeichnen könnte, dann Kantone wie Appenzell Ausserrhoden oder Glarus. Jedes Jahr gibt es dort weniger Firmen.» Dank Standortvorteilen wie dem Flughafen und der
Glattalbahn ziehen diese laut Lang vermehrt das Glattal vor.
Nicht in den Alpen, sondern quer durchs Glattal führt die längste Bahnbrücke der Schweiz. Dafür waren aufwändige Neukonstruktionen nötig.
Der Viadukt beim Glattzentrum führt über die Autobahn und die Eisenbahngeleise
100 Pfeiler wurden in den Boden gerammt, 9950 Kubikmeter Beton gegossen. Die 1209 Meter lange Brücke, die Wallisellen und Dübendorf verbindet, ist der längste Bahnviadukt der Schweiz – je
nachdem, ob sie auch als solche gewertet wird: Die Glattalbahn, zu deren Netz die Konstruktion gehört, ist ein Zwitter aus Eisenbahn und Tram.
Zwar füärt sie nach dem Prinzip «Fahrt auf vortrittsberechtigte Sicht», die Sicherungssystem einer Eisenbahn hat sie nicht. Für eine Bahn spricht aber, dass sie ausschliesslich auf ihrem eigenen
Trassee verkehrt. Hans G. Wägli, einer der profiliertesten Bahnexperten der Schweiz, wollte die Glattalbahn in der NZZ deshalb keiner Fahrzeuggattung zuordnen.
Ob Tram- oder Bahnviadukt, das Bauwerk ist ein ingenieurstechnisches Meisterwerk: Nachdem das Trassee beim Bahnhof Wallisellen parallel zu den SBB-Gleisen verläuft, steigt es empor und überquert
die Schienen in einer Rechtskurve. Nach dem Stopp beim Glattzentrum überwindet der Viadukt die siebenspurige Autobahn, unterquert eine Autobahnausfahrt und überquert eine -einfahrt, führt weiter
über die vierspurige Hauptstrasse und senkt sich schliesslich wieder bis zur Haltestelle Neugut.
Neukonstruktion gegen Verformungen
Nicht nur die Linienführung war eine Knacknuss. Besonders schwierig war für die Ingenieure die Kraftübertragung zwischen Gleis und Brückenbauwerk. Das Problem: Je nach Wetter verformen sich die
verschiedenen Materialen unterschiedlich stark. Die Ingenieure entschieden sich für eine sogenannten feste Fahrbahn, die ohne Schotter auskommt.
Auf langen Brücken ist das für die Schweiz neu. Das Bundesamt für Verkehr bewilligte der Bau erst nachdem verschiedene rechnerische Nachweise gebracht und die Interaktionen zwischen Brücke und
Gleisoberbau simuliert wurde. Die Abschnitte zwischen den Fugen, die Brücken vor Spannungsrissen bewahren, sind beim Viadukt besonders lang. Deshalb war gar eine Neukonstruktion nötig: Sogenannte
Schienenauszüge fangen die Längsverschiebungen ab.
Auch hier zu sehen: Schienenauszüge auf dem Viadukt Foto: Marcel Manhart
Wohnen im Autobahn-Dreieck
Im Nordosten von Zürich schiessen Wohnsiedlungen und Geschäftshäuser wie Pilze aus dem Boden - das Glattal boomt. Dank der besseren Erschliessung durch die neue Stadtbahn wird die Region massiv aufgewertet.