Die SBB-Angestellten sind ihren direkten Vorgesetzten und dem Unternehmen noch immer gut gesinnt. Das Vertrauen in die Konzernleitung ist aber merklich gesunken. SBB-Chef Meyer zeigt sich
betroffen, die Gewerkschaft ortet Handlungsbedarf.
Das Personal der SBB ist immer unzufriedener mit ihrem Arbeitgeber. Nach wie vor fühlen sich die Bähnler aber verbunden mit dem Unternehmen. Die SBB-Chefs zeigen sich besorgt über die Resultate
der Personalumfrage.
Keine Überraschung
Angesichts der vielen Herausforderungen, der Beiträge für die Pensionskassensanierung oder der GAV-Verhandlungen überrasche die sinkende Personalzufriedenheit aber nicht, heisst es in einem
Communiqué der SBB vom Donnerstag.
Die Verschlechterung ist markant: Innerhalb eines Jahres ist die Personalzufriedenheit von 64 auf 58 Punkte gesunken. Das Vertrauen in die Konzernleitung erreicht noch 43 von 100 möglichen
Punkten. «Die Resultate machen mich betroffen», lässt sich SBB-Chef Andreas Meyer zitieren.
Direkte Vorgesetzte
Versöhnlich ist immerhin das Engagement und die Verbundenheit mit dem Unternehmen, die 72 Punkte erreicht. Positiv beurteilt werden gemäss SBB auch die Aspekte Team, Sicherheitskultur,
Arbeitsinhalte oder direkte Vorgesetzte. Das Bahnunternehmen will die Resultate nun analysieren und Schlüsse daraus ziehen.
Mehr Wertschätzung nötig
Der Schweizerische Eisenbahn- und Verkehrspersonal-Verband (SEV) hat dies bereits getan. Für ihn ist der Handlungsbedarf offensichtlich: Dem Personal müsse Wertschätzung spürbar entgegengebracht
werden, heisst es in einer Medienmitteilung.
Der SEV fordert auch, das Tempo der Reorganisationen zu bremsen. Bei der SBB werde eine ungesunde Kultur der permanenten Reorganisation gepflegt. Bei allem Verständnis für die Weiterentwicklung
des Unternehmens sei nach Umbauphasen jeweils Konsolidierung nötig.
Die Personalumfrage 2010 wurde zwischen Mitte September und Mitte Oktober bei allen rund 25'000 Mitarbeitenden der SBB durchgeführt. Über die Hälfte von ihnen nahm an der Umfrage teil.
SBB Mitarbeitende sind engagiert und verbunden mit dem Unternehmen, aber weniger zufrieden mit der Arbeit als in den Vorjahren: Das sind die zentralen Resultate der Personalumfrage 2010.
Mit Besorgnis hat die Konzernleitung die Resultate zur Kenntnis genommen, auch wenn diese angesichts der grossen Herausforderungen für die SBB nicht überraschend sind. Die Konzernleitung wird die
Personalumfrage vertieft analysieren und Verbesserungen erarbeiten. Bei den SBB Mitarbeitenden ist viel Potential vorhanden; dieses muss verstärkt erkannt und genutzt werden.
Engagement und Verbundenheit bezüglich der SBB sind mit 72 von 100 möglichen Punkten trotz sinkender Tendenz nach wie vor hoch: Dies zeigt die Personalumfrage 2010 der SBB. Gesunken sind die
Personalzufriedenheit von 64 Punkten im Vorjahr auf 58 Punkte, sowie das Vertrauen in die Konzernleitung (43 Punkte; 2006: 51 Punkte) und in die Leitung der Divisionen. Positiv beurteilt werden
unter anderem die Aspekte Team, Sicherheitskultur, Arbeitsinhalte, direkte Vorgesetzte sowie Konzernziel/Strategien.
Die starke Verbundenheit mit der SBB ist für die Konzernleitung erfreulich – die Verschlechterung der Umfragewerte hat sie aber mit Besorgnis zur Kenntnis genommen: «Die Resultate machen mich
betroffen», sagte SBB CEO Andreas Meyer. Gleichzeitig seien sie nicht überraschend angesichts der vielen Herausforderungen, die sich der SBB dieses Jahr stellen: So werden die Mitarbeitenden und
auch das ganze Unternehmen stark belastet durch Beiträge an die Pensionskassensanierung, auch wenn der Bund hier voraussichtlich ebenfalls einen namhaften Beitrag leisten wird. Hinzu kommen die
laufenden GAV-Verhandlungen mit der notwendigen Anpassung des Lohnsystems an den Markt, der Mehrbedarf beim Substanzerhalt der Bahninfrastruktur, die Neuausrichtung in den Divisionen
Infrastruktur und Cargo oder die politischen Grundsatzdiskussionen über die künftige Finanzierung des öffentlichen Verkehrs. «Wir haben 2010 Transparenz in vielen Bereichen geschaffen», sagte
Andreas Meyer. «Und das ist schmerzhaft.»
Die Resultate werden in den kommenden Wochen in den einzelnen SBB Organisationseinheiten auf allen Stufen analysiert, um Verbesserungen herbeizuführen. «Aus regelmässigen Gesprächen mit SBB
Mitarbeitenden weiss ich, dass es uns in vielen Fällen nicht gelingt, das Potential der Mitarbeitenden an der Basis zu erkennen und zu nutzen. Das muss besser werden», sagte der SBB CEO. Zudem
sei es wichtig, den Dialog zwischen Basis und Kadern zu stärken, das gemeinsame Verständnis über die unternehmerischen Herausforderungen zu verbessern, den Mitarbeitenden Perspektiven und
gemeinsam den Weg in eine erfolgreiche Zukunft aufzuzeigen.
Die Personalumfrage 2010 wurde durchgeführt zwischen Mitte September und Mitte Oktober 2010 bei allen rund 25'000 SBB Mitarbeitenden, neu zum Teil online. Die Rücklaufquote lag mit 57 Prozent
höher als in früheren Jahren. 2009 war eine Stichprobenbefragung bei 2000 Mitarbeitenden durchgeführt worden, 2006 eine rein schriftliche Vollerhebung.
Der SEV, die Gewerkschaft des Verkehrspersonals, ist nicht überrascht vom Rück-gang der Personalzufriedenheit bei der SBB, jedoch über das Ausmass höchst be-sorgt. Der Handlungsbedarf ist
offensichtlich: Dem Personal muss Wertschätzung spürbar entgegengebracht werden, und das Reorganisationstempo ist zu bremsen.
Seit Jahren weist der SEV darauf hin, dass bei der SBB eine ungesunde Kultur der permanenten Reorganisation gepflegt wird. Bei allem Verständnis für die Weiterentwicklung des Unternehmens ist es
für den SEV unverständlich, dass die SBB nicht erkannt hat, dass nach Umbauphasen jeweils zwingend Konsolidierung nötig ist.
Im Vordergrund steht bei allem jedoch die Wertschätzung, die das SBB-Personal vermisst. «Je mehr die Führung von Wertschätzung spricht, umso mehr wird diese zur Worthülse», stellt SEV-Präsident
Giorgio Tuti fest. Das Personal erlebt tatsächlich das Gegenteil: Unverständnis, wenn von Überlastung die Rede ist, Entwertung der Arbeit, wenn es um ein neues Lohnsystem geht.
«Die Umfrage zur Personalzufriedenheit zeigt in grösster Deutlichkeit, dass eine Richtungskorrektur zwingend ist», betont Tuti. Wenn die SBB-Führung das Vertrauen des Personals zurückgewinnen
will, muss sie mit Taten zeigen, dass sie das Personal als menschlichen Wert (human resource!) ernst nimmt und nicht einfach als Kostenfaktor in Wirtschaftlichkeitsrechnungen führt.
Der SEV weist abschliessend auf einen Aspekt hin, den eigentlich die SBB hätte anfügen müssen: Trotz der Unzufriedenheit mit der Führung des Unternehmens und der einzelnen Bereiche leistet das
Personal Tag für Tag hervorragende Arbeit, um das weltbeste Bahnsystem auf gleichbleibend höchstem Niveau zu betreiben. Das ist nicht selbstverständlich, erst recht nicht bei einer solchen
Unzufriedenheit auf allen Stufen.