Bisher mussten Lokführer vor der ersten Fahrt morgens einen obligatorischen Sicherheitscheck der Lok durchführen. Jetzt hat die SBB diese Sicherheitsvorschrift für Personenzüge gelockert, wie Recherchen von «10vor10» zeigen: Neu reicht es, die Sicherheits-Prüfung irgendwann im Laufe des Tags durchzuführen. Lokführer sind empört.
....na dann, gute Fahrt! Foto: Marcel Manhart
Der obligatorische Sicherheitscheck vor der ersten Abfahrt fällt weg: Seit Mitte August müssen alle SBB-Lokführer von Personenzügen diese Sicherheits-Vorrichtungen nicht mehr vor der Abfahrt überprüfen. Dies belegt eine interne SBB-Weisung, die «10vor10» vorliegt.
Bei solchen Sicherheitsvorrichtungen handelt es sich beispielsweise um automatische Bremssysteme. Diese verhindern, dass eine Lok weiterfährt, wenn der Lokführer beispielsweise bewusstlos ist
oder ein Rotlicht übersieht.
SBB: Laschere Sicherheitsvorschriften um den Fahrplan einzuhalten
Die neue Weisung gilt für sämtliche SBB-Lokführer von Personenzügen. Sie ist seit dem 13. August 2010 in Kraft. Darin schreibt die Bahn: «Sofern am Vortag die Sicherheitseinrichtungen geprüft
wurden, dürfen die Prüfungen im Laufe des aktuellen Kalendertags durchgeführt werden.»
Dies tritt laut der SBB-Weisung immer in Kraft, wenn Lokführer sonst mit dem Zug verspätet abfahren müssten. Mit anderen Worten: Die SBB hat die lascheren Sicherheitsvorschriften eingeführt, um
den Fahrplan einhalten zu können.
Lokführer-Verband protestiert
Hubert Giger ist Präsident des Verband Schweizer Lokführer VSLF und fährt selbst für die SBB Personenloks. Lokführer Giger sagt gegenüber «10vor10»: «Der Lokführerverband fordert, dass die
Sicherheitschecks wie früher vor der ersten Passagierfahrt durchgeführt werden, damit ein sicherer Eisenbahnbetrieb weiterhin gewährleistet ist. Die Einsparungen von wenigen Minuten Arbeitszeit
rechtfertigen nicht eine solche Lockerung der Vorschriften.»
«Sehr ungutes Gefühl»
Rinaldo Zobele vom Schweizer Eisenbahnverband, SEV, will jetzt gegen die schwächeren Sicherheitsbestimmungen kämpfen. Gegenüber «10vor10» sagt Zobele: «Für uns Lokführer ist dies ein sehr ungutes
Gefühl, so zu fahren. Wir wissen so nicht, ob die Sicherheitsvorrichtungen im Laufe des Tages funktionieren würden in einem Notfall.»
«Kein Zug fährt ohne Sicherheits-Abklärung»
SBB-Sprecher Christian Ginsig sagt gegenüber «10vor10», an der Sicherheit gebe es keine Abstriche. «Wir haben einen sehr dichten Fahrplan, und wir wollen die Züge nicht zusätzlich verspäten.
Darum teilen wir die Sicherheitschecks neu in kleine Portionen über den Tag verteilt auf. Doch ein Zug wird bei der SBB nur auf die Schiene geschickt, wenn sämtliche sicherheitsrelevanten
Erfordernisse abgeklärt sind.»
Bericht SF 10vor10 vom 16. September 2010
Lockerung der SBB-Sicherheits-Checks sorgt für Empörung
Seit rund einem Monat dürfen die Lokführer der SBB den Zug in Bewegung setzen, ohne vor der ersten Fahrt einen Sicherheits-Check gemacht zu haben. Diese Lockerung der Sicherheitsvorschriften hat nicht nur bei den Lokführern für Empörung gesorgt. Namhafte Verkehrspolitiker fordern nun, dass die SBB die umstrittene Weisung zurückzieht.
Jahrelang mussten die Lokführer vor der ersten Fahrt morgens einen Sicherheits-Check der Lok durchführen, wie «10vor10» berichtet. Nach einer Weisung vom 13. August 2010 reicht es nun aber, die
Prüfung irgendwann im Laufe des Tages durchzuführen - dies, um allfällige Verspätungen im Fahrplan zu vermeiden.
Max Binder, Nationalrat und Präsident der Verkehrskommission, hat absolut kein Verständnis für die neue Weisung. Wie er gegenüber «10vor10» sagt, ist der Check auch wichtig, damit der Lokführer
seine Fahrt mit einem gutes Gefühl startet. Binder fordert, dass die SBB diese Weisung «blitzartig» zurücknimmt.
Die SBB hingegen betont, die Züge würden auch ohne morgendlichen Notfall-Check sicher fahren. Die Bremsproben und die technischen Kontrollen muss man am Morgen machen, wie Andreas Rufener, Leiter Betriebsvorschriften SBB, erklärt. Hingegen die Sicherheitseinrichtungen müssten einfach einmal innerhalb des Tages gemacht werden. Die Sicherheit sei jedoch voll gewährleistet.
Bei den zu überprüfenden Sicherheitsvorrichtungen handelt es sich unter anderem um automatische Bremssysteme. Diese verhindern, dass eine Lok weiterfährt, wenn der Lokführer beispielsweise bewusstlos ist oder ein Rotlicht übersieht.