Die im Januar 2010 beschlossenen Tariferhöhungen im öffentlichen Verkehr sind vom Preisüberwacher nach eingehenden Verhandlungen in weiten Teilen akzeptiert worden. Insgesamt werden die
Tarife per Dezember 2010 um 5,9 Prozent angehoben. Die Preise von Einzeltickets und von Streckenabonnementen erhöhen sich jedoch statt um durchschnittlich 3,4 nur um 2,4 Prozent, dazu fällt die
Beschränkung der Gültigkeit der Tagskarte Gemeinde ab 9 Uhr weg. Zusätzlich verlangt der Preisüberwacher, die von verschiedenen öV-Unternehmen angewandten Distanzzuschläge durch ein neues System
mit objektivierten, namentlich kostenorientierten Parametern wie Angebotsdichte, -kapazität und -qualität zu ersetzen.
Der stetige Angebotsausbau im öffentlichen Verkehr führt zu höheren Kosten beim Personal, bei der Sicherheit, der Energie und dem Unterhalt. Zusätzlich sind hohe Investitionen für neues
Rollmaterial nötig, alleine die SBB investiert in den nächsten Jahren über 20 Milliarden Franken in das Rollmaterial. Mitte Januar beschlossen die Schweizer Transportunternehmungen deshalb
Tarifmassnahmen im öffentlichen Verkehr von durchschnittlich 6,4 Prozent per Dezember 2010. Der Preisüberwacher unterzog diese Massnahmen einer näheren Prüfung. Die anschliessenden eingehenden
Verhandlungen haben nun folgende Einigung ergeben: Die Tarifmassnahmen bei GA und Halbtax-Abonnements werden wie beschlossen per Fahrplanwechsel am 12. Dezember eingeführt. Die Tarife der
Einzeltickets wie auch der Streckenabonnemente erhöhen sich im Durchschnitt aber bloss um 2,4 statt wie angekündigt um 3,4 Prozent. Insgesamt werden die Tarife per Dezember 2010 damit um 5,9
Prozent angehoben.
RhB und SBB fahren auch weiterhin "im Takt"..... Foto: Marcel Manhart
Auch die Tariferhöhung der Tageskarte Gemeinde wird wie beschlossen umgesetzt, hingegen wird auf die so genannte «9-Uhr-Regelung» verzichtet, die beliebten Tageskarten bleiben also auch weiterhin
einen ganzen Tag lang gültig. Gleichzeitig werden Massnahmen eingeführt, um die Abgabe der Tageskarten auf ihren ursprünglichen Bestimmungszweck als «Schnupperangebot» zurückzuführen.
Im Weiteren haben sich die Verhandlungspartner darauf geeinigt, das historisch gewachsene System der Distanzzuschläge durch ein neues System mit objektiven, namentlich kostenorientierten
Parametern zu ersetzen. Das können beispielsweise Dichte, Kapazität oder Qualität des Fahrplanangebots sein. Der VöV und der Preisüberwacher haben sich darauf geeinigt, dass die dazu notwendigen
Grundlagen bis am 30. April 2011 erarbeitet werden. Die Thematik der Distanzzuschläge ist auch ein wichtiges Element der von den Transportunternehmen bereits eingeleiteten Arbeiten für ein
zukünftiges Preissystem im öffentlichen Verkehr der Schweiz.
Mit den nun definitiven Tarifmassnahmen bleibt der öffentliche Verkehr der Schweiz mit seiner flächendeckenden Versorgung und einem immer dichteren Fahrplanangebot weiterhin äusserst attraktiv.
Gleichzeitig ist klar, dass angesichts der grossen Herausforderungen, vor denen der öffentliche Verkehr steht, sich die Kundinnen und Kunden künftig noch vermehrt an der Finanzierung des
öffentlichen Verkehrs beteiligen müssen.
Gewöhnliche Billette und Streckenabonnemente
Die Erhöhung bei gewöhnlichen Billetten und bei Streckenabonnementen beträgt 2,4 Prozent und beinhaltet wie alle anderen Sortimentskategorien die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,4 Prozent.
Halbtaxabonnemente
Die Erhöhung beim 1-Jahres-Halbtax ist die erste seit 1993. Das Halbtaxabonnement ist die beliebteste Rabattkarte der Schweiz. 75 Prozent der Einzelbillette werden heute in Kombination mit einem
Halbtax-Abonnement gelöst. Die Verantwortlichen des öffentlichen Verkehrs sind überzeugt, dass die Erhöhung mit 15 Franken für das 1-Jahres-Halbtax moderat angesetzt ist.
Karte |
Preis aktuell |
neuer Preis |
Erhöhung |
Erhöhung |
---|---|---|---|---|
Halbtax mit Visa Karte |
125.– |
135.– |
10.– |
8.0 |
1-Jahres-Halbtax |
150.– |
165.– |
15.– |
10.0 |
2-Jahres-Halbtax |
250.– |
300.– |
50.– |
20.0 |
3-Jahres-Halbtax |
350.– |
400.– |
50.– |
14.0 |
Generalabonnemente
Das überaus beliebte Generalabonnement wird zunehmend als Pendlerfahrausweis für immer längere Distanzen benutzt. Diese an sich erfreuliche Tatsache führt dazu, dass die Erträge pro gefahrenen
Kilometer bei den Transportunternehmungen laufend zurückgehen. Heute erhalten die Transportunternehmungen nur noch rund 10 Rappen pro gefahrenen Kilometer – Tendenz fallend. Trotz der Erhöhung
von durchschnittlich 6,7 Prozent weist das GA auch weiterhin ein sehr gutes Preis- Leistungsverhältnis auf.
Keine Preisanpassungen wurden dagegen beim GA Kind, GA Plus Familia Kind, GA Plus Familia Jugend und GA Behinderte vorgenommen.
2. Klasse:
Sortiment |
Preis aktuell |
neuer Preis |
Erhöhung |
Erhöhung |
---|---|---|---|---|
GA Erwachsene |
3'100.– |
3'300.– |
200.– |
6.5 |
GA Senior |
2'350.– |
2'550.– |
200.– |
8.5 |
GA Junior |
2'250.– |
2'400.– |
150.– |
6.7 |
GA Junior für Studierende |
2'250.– |
2'400.– |
150.– |
6.7 |
GA Behinderte |
2'200.– |
2'200.– |
0.– |
0.0 |
GA Kind |
1'500.– |
1'500.– |
0.– |
0.0 |
GA-Plus Duo Partner |
2'100.– |
2'300.– |
200.– |
9.5 |
GA-Plus Familia Kind |
620.– |
620.– |
0.– |
0.0 |
GA-Plus Familia Jugend |
830.– |
830.– |
0.– |
0.0 |
GA-Plus Familia Partner |
1'700.– |
1'850.– |
150.– |
8.8 |
GA Hund |
650.– |
700.– |
50.– |
7.7 |
übertragbares GA |
5'000.– |
5'400.– |
400.– |
8.0 |
1. Klasse:
Sortiment |
Preis aktuell |
neuer Preis |
Erhöhung |
Erhöhung |
---|---|---|---|---|
GA Erwachsene |
4'850.– |
5'150.– |
300.– |
6.2 |
GA Senior |
3'700.– |
4'000.– |
300.– |
8.1 |
GA Junior |
3'600.– |
3'850.– |
250.– |
6.9 |
GA Junior für Studierende |
3'600.– |
3'850.– |
250.– |
6.9 |
GA Behinderte |
3'500.– |
3'500.– |
0.– |
0.0 |
GA Kind |
2'500.– |
2'500.– |
0.– |
0.0 |
GA-Plus Duo Partner |
3'200.– |
3'500.– |
300.– |
9.4 |
GA-Plus Familia Kind |
2'500.– |
2'500.– |
0.– |
0.0 |
GA-Plus Familia Jugend |
2'500.– |
2'500.– |
0.– |
0.0 |
GA-Plus Familia Partner |
2'650.– |
2'900.– |
250.– |
9.4 |
übertragbares GA |
7'900.– |
8'550.– |
650.– |
8.2 |
Tageskarten
Wie beim GA muss auch bei diesem Fahrausweissortiment die Ertragssituation verbessert werden. Das bestehende Tageskartensortiment erfährt eine differenzierte Preiserhöhung. Im Durchschnitt
beträgt die Erhöhung rund 6,6 Prozent. Dabei steigt der Preis für die normale Tageskarte um 5,6, derjenige der 9-Uhr-Tageskarte um 7.5 Prozent. Die 9-Uhr-Tageskarte ist nur noch Montag bis
Freitag gültig.
Sortiment |
Preis aktuell |
neuer Preis |
Erhöhung |
Erhöhung |
---|---|---|---|---|
Tageskarte 1. Klasse |
103.– |
108.– |
5.– |
4.9 |
Tageskarte 2. Klasse |
64.– |
68.– |
4.– |
6.3 |
Multi-Tageskarte (6 für 5) 1. Klasse |
515.– |
540.– |
25.– |
4.9 |
Multi-Tageskarte (6 für 5) 2. Klasse |
320.– |
340.– |
20.– |
6.3 |
9-Uhr-Tageskarte 1. Klasse |
87.– |
94.– |
7.– |
8.0 |
9-Uhr-Tageskarte 2. Klasse |
54.– |
58.– |
4.– |
7.4 |
9-Uhr-Multitageskarte (6 für 5) 1. Klasse |
435.– |
470.– |
35.– |
8.0 |
9-Uhr-Multitageskarte (6 für 5) 2. Klasse |
Tageskarten Gemeinde
Der Preis der Tageskarte Gemeinde wird um 15 Prozent erhöht, gleichzeitig sollen drei Massnahmen ihren ursprünglichen Bestimmungszweck als «Schnupperangebot» klarer definieren: Der Zwischenhandel
wird untersagt, Abgabe und Versand sind (Ausnahmen nach Absprache in besonderen Fällen) nur noch innerhalb der jeweiligen Gemeinde möglich. Dazu wird die maximale Anzahl Tageskarten, die von
einer Gemeinde bezogen werden kann, wird an ihre Einwohnerzahl gekoppelt.
Erhöhung der Preise bei der Tageskarte Gemeinde:
Preis aktuell |
Preis aktuell |
neuer Preis |
neuer Preis |
---|---|---|---|
9'775.– |
30.– |
11'300.– |
34.– |
Die Wolken haben sich verzogen.... Foto: Marcel Manhart
Die Billettpreise steigen Ende Jahr deutlich weniger stark als von der Bahn gewünscht. Tagesanzeiger.ch/Newsnetz zeigt die neuen Tarife.
Der für den nächsten Fahrplanwechsel im Dezember 2010 angekündigte Anstieg der Billettpreise für den öffentlichen Verkehr fällt tiefer aus als letzten Januar angekündigt. Die Tarife werden im
Schnitt um 5,9 statt um 6,4 Prozent steigen.
Abstriche musste der Dachverband der Transportunternehmungen des öffentlichen Verkehrs in den Verhandlungen mit dem Preisüberwacher nur bei den Einzelbilletten und Streckenabonnementen machen.
Bei diesen Produkten werden die Preise um 2,4 statt um 3,4 Prozent erhöht, wie der Verband öffentlicher Verkehr (VöV) und der Preisüberwacher am Mittwoch bekanntgaben.
Halbtax bis 20 Prozent teurer
Die deutlichen Preisaufschläge auf den General- und Halbtax- Abonnementen akzeptierte Preisüberwacher Stefan Meierhans hingegen. So wird der Preis für das 1-Jahres-Halbtax um 15 Franken auf 165
Franken erhöht. Das 2-Jahres-Halbtax schlägt um 50 Franken auf 300 Franken auf, was 20 Prozent entspricht. 50 Franken beträgt der Aufschlag auch auf dem 3-Jahres-Halbtax, das neu 400 Franken
kosten soll.
Das GA für Erwachsene in der 2. Klasse schlägt um 6,5 Prozent oder 200 Franken auf und soll neu 3300 Franken kosten. Für Jugendliche und Studierende soll es um 150 Franken auf 2400 Franken
aufschlagen.
Teurere Gemeindetageskarte
Deutlich teurer wird die Gemeindetageskarte. Die Gemeinden müssen dafür ab dem 12. Dezember 1525 Franken mehr bezahlen. Die Gemeinden und der Preisüberwacher konnten den VöV aber überzeugen, auf
die sogenannte 9-Uhr-Regel zu verzichten.
Der VöV hatte verlangt, dass die beliebten Abonnemente an Werktagen erst ab 9 Uhr gültig sind. Diese Massnahmen hatte der Gemeindeverband als inakzeptabel zurückgewiesen. Mit dieser Regel würden
die Tageskarten kaum mehr nachgefragt, befürchteten die Gemeinden.
Parallelmarkt den Riegel schieben
Der VöV wollte mit dieser Massnahme die Attraktivität dieser Tageskarten mindern. Die Karten, die heute den Einwohnern für 30 Franken pro Tag angeboten werden und künftig 34 Franken kosten,
hatten sich nämlich zu einem eigentlichen Konkurrenzprodukt für die normale Tageskarte entwickelt.
Dabei hat sich ein Parallelmarkt mit Zwischenhandel entwickelt. Dem will der VöV nun mit gezielten Massnahmen den Riegel schieben. So sollen die Gemeinden die Karten nur noch an ihre Einwohner
auf ihrem Gemeindegebiet verkaufen.
Die Gemeinde-Tageskarten bleiben weiterhin auch vor 9 Uhr gültig.
Eine Einschränkung wäre für Graubünden fatal gewesen.
Die Gültigkeit der Gemeinde-Tageskarten wird nicht eingeschränkt. Die SBB und der Verband öffentlicher Verkehr haben dem Druck der Kommunen sowie anderer Institutionen nachgegeben und das Anfang
Jahr kommunizierte Vorhaben, die Gültigkeit der Gemeinde-Tageskarten unter der Woche auf die Zeit nach 9 Uhr zu beschränken, zurückgezogen. An der von den Gemeinden und Städten ohnhin
akzeptierten Preiserhöhung wird hingegen festgehalten.
Ab dem 12. Dezember 2010 müssen die Gemeinden für 365 Tageskarten 11 300 Franken bezahlen, 1525 Franken mehr als heute. Die meisten Gemeinden dürften deshalb die einzelnen Tageskarten neu für 34
bis 40 statt 30 bis 35 Franken verkaufen. Damit sind diese Tageskarten aber immer noch günstiger als wenn sie der Kunde am Bahnschalter (heute rund 64 Franken) löst.
Erleichtert über den Entscheid
In Graubünden wird der Entscheid, die zeitliche Gültigkeit nicht einzuschränken, mit grosser Erleichterung zur Kenntnis genommen. Aufgrund der peripheren Lage wäre Graubünden für Ausflügler mit
Gemeindetageskarte/ nicht mehr attraktiv gewesen.
Entsprechend gross wären die Einbussen für die/ Öffentlichen Verkehr und die Gastronomie in Graubünden gewesen. Das Bau-, Verkehrs- und Forstdepartement mit Regierungsrat Stefan Engler hatte
deshalb schon früh via Gemeinde- und Städteverband interveniert.
Der Plan, die Kunden über die Billettpreise in die Randzeiten umzuleiten, funktioniert nur bedingt.
Seit langem wiederholen es die SBB-Chefs Ulrich Gygi und Andreas Meyer in praktisch jedem Interview: Passagiere, die zur Stosszeit die Züge füllen, sollen dereinst für die gleiche Fahrt mehr bezahlen als jene, die auf weniger ausgelastete Züge in den Randstunden umsteigen. Mit einer solchen Preisdifferenz möchten die Bundesbahnen die Verkehrsspitzen etwas brechen und umgekehrt verkehrsschwächere Zeiten attraktiver machen.
Der Wunsch geht nicht in Erfüllung
Allerdings zeigt mittlerweile eine vom Bundesamt für Verkehr (BAV) in Auftrag gegebene Studie, was Kritiker dieser Idee schon lange monieren: Der Wunsch mag verständlich sein, dass er aber durch
Tarifdifferenzierung in Erfüllung geht, ist fraglich. Denn gestützt auf Erfahrungen im Ausland legen die Autoren des Beratungsbüros Infras dar, dass sich die Kundenströme mit unterschiedlichen
Preisen nur bedingt lenken lassen. So müsse die Preisdifferenz zwischen Stoss- und Randzeit mindestens 25 Prozent betragen, damit eine Verlagerungswirkung eintrete. Und selbst dann erfolge dieser
Wechsel nur mittelfristig, da die Kunden kurzfristig ihr Verhalten nicht anpassen könnten.
Die Autoren warnen überdies vor einer ungewünschten finanziellen Umverteilung: Den späteren Zug könnten nur jene Pendler nehmen, deren Arbeitszeiten flexibel sind. Und diese Flexibilität finde
sich eher bei Arbeitnehmern aus mittleren und oberen Einkommensschichten. Die Menschen mit einfacheren Jobs seien demgegenüber oft an fixe Arbeitszeiten gebunden. «Somit würden eher die höheren
Einkommensklassen von den niedrigeren Off-Peak-Preisen profitieren», bilanziert der Bericht.
Wortkarge SBB
Zuletzt warnen die Infras-Experten auch vor einem Imageverlust der Bahn. Aus ihrer Sicht würde eine Preisdifferenzierung zwar erlauben, die Kosten verursachergerechter zu verteilen. Doch dabei
bestehe das Risiko, dass das Tarifsystem nur noch schwer nachvollziehbar sei, was sich negativ auf die Zufriedenheit und Treue der Bahnkunden auszuwirken drohe. Die Autoren empfehlen darum, erst
einmal Grundregeln zu formulieren, was zeitlich differenzierte Preise leisten könnten und sollten.
Bei den SBB wollte zu diesen Bedenken niemand Stellung nehmen. Der Kommunikations-Lead für jegliche Tarifmassnahmen liege beim Verband öffentlicher Verkehr (VöV), teilte die Pressestelle wortkarg
mit. Man solle bitte dort nachfragen. Dass der VöV als Dachorganisation aller Unternehmen des öffentlichen Verkehrs die Sache freilich skeptischer sieht, ist kein Geheimnis. Er hat bereits den
Wunsch der SBB abgelehnt, ein ab 9.00 Uhr geltendes GA zum Spezialpreis einzuführen. Und er ist auch gegenüber ähnlichen Ideen skeptisch eingestellt: Man könne solche Steuerungsüberlegungen
längerfristig in Betracht ziehen, sagt Direktor Peter Vollmer, der derzeit die Arbeiten an einem neuen Tarifsystem koordiniert. «Aber das wird nicht der erste Schritt sein.» Denn auch Vollmer
glaubt, dass der Ansatz, über die Tarife die Kunden zu lenken, ein «schwieriger» ist.
Hilferuf an die Wirtschaft
Die SBB wollen sich aber so schnell nicht von ihren Plänen abbringen lassen. Präsident Gygi sagte erst kürzlich wieder, es lohne sich, solche Ideen weiterzuverfolgen und möglichst rasch zu
realisieren. Und indirekt rief er die Wirtschaft dazu auf, flexiblere Arbeitszeiten anzubieten, damit nicht alle Pendler zur gleichen Zeit den Zug nehmen müssen.
«Die Diskussion würde mithelfen, Milliardenkosten zu vermeiden», so Ulrich Gygi. Dabei kann er sich paradoxerweise auf dieselben berufen, die auch die Infras-Studie bestellt haben: Der Bund hat
es den SBB in den strategischen Zielen vorgeschrieben, zur Optimierung der Erträge auch «Elemente einer nachfrageorientierten Preisgestaltung» einzuführen.
Teurere Billette für volle Züge, günstigere Billette für schlechter besetzte Züge; unterschiedliche Tarife für Regional-, Schnell- oder Intercityzüge: Die SBB-Chefs denken laut über differenzierte Preise nach. So wollen sie die Passagierströme besser lenken und die Einnahmen erhöhen. Nun zeigt eine Studie, dass solche Anreizsysteme entweder wenig bringen oder negative Nebeneffekte haben. Allerdings hätte es diese Studie gar nicht gebraucht, um die Idee zu verwerfen.
Der Erfolg der Bahn beruht auf einem dichten Fahrplan, pünktlichen Zügen – und auf einem einfachen Tarifsystem, das sich am Prinzip «Ein Billett für eine Strecke» orientiert. So raffiniert differenzierte Tarife in der Theorie scheinen, in der Praxis würden sie bloss Ärger verursachen. Bei den Kunden, die herausfinden müssten, mit welchem Billett sie welchen Zug nehmen dürfen. Und bei den SBB, welche die Tarife mit grossem Aufwand erklären und mit einer massiven Zunahme reklamierender Passagiere rechnen müssten. Auch wenn der Fahrpreis automatisch übers Handy abgerechnet würde, will der Kunde vorher wissen, was es kostet – oder er reklamiert nachher, weil es teurer war als bei der letzten Fahrt.
Die SBB argumentieren mit ausländischen Bahnen, um ihre Pläne zu rechtfertigen.
Doch das S-Bahn-Land Schweiz mit kurzen Strecken und hohen Frequenzen lässt sich kaum mit Hochgeschwindigkeitsländern wie Deutschland, Frankreich oder Italien vergleichen. Deren unterschiedliche Tarife gehen zudem häufig mit kaum wünschbaren Qualitätsunterschieden zwischen regionalen und nationalen Zügen einher.
Das heisst nicht, dass die SBB-Tarife in Stein gemeisselt sind. Preiserhöhungen müssen ebenso möglich sein wie eine weitere Ausdifferenzierung der Kilometertarife für stark und weniger stark befahrene Strecken. Sinnvoll sind auch einfach kommunizierbare Rabatte wie die Tageskarte nach 9.00 Uhr. Der Schritt vom allgemeingültigen Billett zum Fahrschein für nur noch gewisse Züge wäre hingegen kontraproduktiv.