Der schönste Laden nützt nichts,wenn die Bedienung nicht stimmt

Mit Mystery Shopping testen Unternehmen, ob die Kundschaft so behandelt wird, wie es sein sollte.

 

Von Romeo Regenass - Tages Anzeiger

 

SBB prüfen Qualitätsstandards
Die Bahn überprüft im Rahmen von Qualitätsmessungen mit externen Testkunden seit April 2009 ihre Leistungen. Die SBB haben ihr Personal über die Ziele der Tests informiert. Gemäss Sprecher Frédéric Revaz dienen sie nicht der Mitarbeiterüberwachung, sondern der Feststellung von Qualitätsmängeln.

Im Gegensatz zum Detailhandel, wo die Testkunden unerkannt unterwegs sind, geben sich die rund 20 Testpassagiere gegenüber Zugbegleitern zu erkennen. Allerdings beurteilen sie auch nicht das Personal, sondern kontrollieren die Einhaltung der SBB-Qualitätsstandards bei Kundeninformation und Sauberkeit. Die SBB-Testkunden nehmen total rund 15 000 Messungen pro Jahr vor.
 

Professionelle Beratung bei Reisebüros
Äusserst beratungsintensiv ist die Tätigkeit der Reisebüros. Erst kürzlich hat das Fachblatt «Schweizer Touristik» 24 Reisebüros in Zürich, Basel, Bern, Luzern und St. Gallen anonym überprüft. Die Beratung für eine dreiwöchige Thailand-Rundreise mit angehängten Badeferien erfolgte mehrheitlich professionell, grosse Mankos ergaben sich beim Verkaufsabschluss und Nachfassen. TUI Suisse und Kuoni schnitten deutlich besser ab als die Migros-Marken Hotelplan und Travelhouse.

Buchautor Weiss überprüft im Auftrag der Vereinigung Zürcher Bahnhofstrasse seit Jahren die Servicequalität der Detailhandelsgeschäfte an der Nobelmeile. Die Gesamtnote verbesserte sich in den Jahren von 1998 bis 2006 von 4,77 auf eine gute 5 (bei einer Notenskala von 1 bis 6). Mit 4,88 wurde die Behandlung von Einwänden zuletzt am schlechtesten bewertet. Um zur «freundlichsten Einkaufsstadt der Welt» zu werden, setzt auch Luzern derzeit auf Mystery Shopping. Je nach Ladengrösse werden 6 bis 21 Testkäufe durchgeführt.

Die Theorie ist klar: Der Kunde ist König. Doch die Praxis sieht oft anders aus:

Das Verkaufspersonal hat Besseres zu tun, als der Kundschaft zu helfen; statt beraten wird belehrt; das Fachwissen des Verkäufers ist ungenügend.

Um Kunden solches zu ersparen, setzen Unternehmen auf geschulte Testkäufer, die als Mystery Shopper anonym auf Einkaufstour gehen und ihre Erfahrungen nach bestimmten Kriterien festhalten. Werde ich als Kunde begrüsst? Geht man auf meine Fragen ein? Werden meine Bedürfnisse sauber abgeklärt?

«Der schönste Laden nützt nichts, wenn die Bedienung nicht stimmt», sagt Hans Weiss, Autor eines Buchs zum Mystery Shopping im Detailhandel*. Aus seiner Sicht fokussieren Geschäftsinhaber zu sehr auf Warenangebot und Ladenbau und vernachlässigen, was im Verkaufsgespräch passiert – oder eben nicht passiert (siehe Text unten).

Die Besten werden belohnt
Auf die Migros trifft das nicht zu. Die regionalen Genossenschaften lassen regelmässig überprüfen, ob ihr Personal in den Fachmärkten Verkaufsgespräche so führt, wie es die Schulung vorsieht. Das Personal kennt den Inhalt der entsprechenden Fragebögen. Jede Filiale von SportXX oder Micasa wird einmal im Monat von einem externen spezialisierten Unternehmen getestet. «Diese Testkäufe setzen dem Personal einen Spiegel vor, aber sie sind für uns kein Disziplinierungsinstrument», sagt Reto Sopranetti, Leiter Fachmärkte Migros Aare. Die Resultate erfährt jeweils nur der Filialleiter, dieser bespricht sie mit den einzelnen Mitarbeitenden und im Team. Die Bestklassierten werden mit einem Nachtessen, Kinobesuch oder Reisegutschein belohnt. «Viele hoffen deshalb sogar, bei den Testkäufen wieder mal bewertet zu werden», weiss Sopranetti.

Coop wendet Mystery Shopping im Warenhaus Coop City sowie in den Bau+ Hobby-Märkten regelmässig an, um den Erfolg der Mitarbeiterschulung zu prüfen. Das Verkaufsgespräch ist in diesen Läden besonders wichtig. Der Zeitraum, in dem diese Überprüfung stattfindet, ist den Mitarbeitenden jeweils bekannt. In den Supermärkten gibt es Testkäufe nur im Hinblick auf die Einhaltung der Jugendschutz-Vorschriften beim Verkauf von Alkohol und Tabak.

 

K-Kioske auf dem Prüfstand
Der Handelskonzern Valora prüft mit Mystery Shopping die Aufmerksamkeit des Verkaufspersonals gegenüber den Kunden. Gleichzeitig werden aber auch die Sauberkeit der Verkaufsstelle, die Umsetzung von Aktionen sowie die Einhaltung von Sicherheitsbestimmungen kontrolliert. Die Tests, über die das Personal informiert ist, erfolgen pro Verkaufsstelle mindestens einmal im Jahr und zur gleichen Zeit an verschiedenen Orten. Laut Sprecherin Stefania Misteli wird das Mystery Shopping derzeit bei den K-Kiosken eingesetzt, um allfälligen Verbesserungs- und Handlungsbedarf zu ermitteln. «Mittelfristig wollen wir es auf möglichst alle Läden ausweiten.»

 

Die Todsünden beim Verkaufen
Was an der Verkaufsfront abläuft, ist für den Erfolg oder den Misserfolg bei der Kundschaft entscheidend.

 

Ein Auszug aus dem Sündenregister der Verkaufsberatung gemäss dem Experten Hans Weiss:

  • Kunden werden über längere Zeit nicht begrüsst.
  • Es findet keine Bedarfsermittlung statt.
  • Kunden werden belehrt statt beraten.
  • Statt aktiv zu beraten, verhält sich das Personal passiv.
  • Auf Einwände wird schlecht reagiert.
  • Produkte werden schlecht präsentiert.
  • Dem Mitarbeitenden fehlt das Fachwissen.
  • Es findet keine Hinführung zum Verkaufsabschluss statt.
  • Es werden keine Zusatzverkäufe gemacht.
  • Der Kontakt zum Kunden ist unfreundlich.
  • Verkaufsregeln werden nicht eingehalten.
  • Kundentypologie wird falsch eingeschätzt.
  • Sprache ist unangebracht, zu kollegial.
  • Erscheinung ist ungepflegt.
  • Bekleidung ist unpassend.
  • Es fehlt der Enthusiasmus für das Produkt.
  • Unfreundlicher Abschied bei Kaufverzicht.
  • Geringe Firmenidentifikation.