SBB Cargo und der Kombi-Operateur Hupac gründen gemeinsam eine eigenständige, neutrale Gesellschaft für den alpenquerenden Transitverkehr zwischen Deutschland und Italien. Ein vertaktetes
Produktionssystem und schlanke Strukturen sollen das neue Unternehmen zum Kostenführer auf der Nord-Süd-Achse machen.
Auf Anfang 2011 gründen SBB Cargo und Hupac ein neues Eisenbahnverkehrsunternehmen, das sich auf das Fahren von Ganzzügen und Zügen des Kombinierten Verkehrs (KV) auf der europäischen Nord-Süd
Achse zwischen Deutschland und Italien fokussiert. Damit hat der Verwaltungsrat der SBB seinen Stossrichtungsentscheid vom Februar zur strategischen Neuausrichtung von SBB Cargo bestätigt.
Aktionäre der Gesellschaft sind SBB Cargo (75%) und Hupac (25%), dem führenden KV-Operateur auf der Nord-Süd-Achse. Die Beteiligung weiterer Partner ist möglich. Über die neue Gesellschaft soll
die jahrzehntelange Partnerschaft der beiden Unternehmen vertieft werden. Ziel ist es, gemeinsam ein starkes, marktnahes und neutrales Traktionsunternehmen aufzubauen und zu entwickeln. Mit einer
auf ausgewählte Relationen bezogenen Optimierung der Ressourcen und der Halbierung der Strukturkosten soll die Kostenführerschaft im KV-Segment erreicht werden. Als Schweizer Firma wird die
Qualität einen hohen Stellenwert haben.
Kunden der neuen Gesellschaft sind primär Operateure des Kombinierten Verkehrs, die vom geplanten Gesamtumsatz von CHF 300 Mio. rund 80% ausmachen werden. Auch wenn die Hupac der grösste
Einzelkunde sein wird, ist das Angebot klar auf weitere Grosskunden ausgerichtet. Neben Operateuren sind dies Bahnspeditionen, andere Bahnen und einzelne Grossverlader. «Entscheidend ist, dass
wir als unabhängiges und neutrales Bahnunternehmen die Traktionsleistungen zwischen Deutschland und Italien am Markt anbieten. Dies liegt im Interesse beider Aktionäreº erklärt Nicolas Perrin,
Leiter SBB Cargo.
Die Nord-Süd-Achse wird von mehreren Cargo-Bahnen dominiert. Neben SBB Cargo führen inzwischen einige Bahnen Güterzüge auf dieser Achse. Die intensive Wettbewerbssituation führt zu einem starken
Druck auf die Preise und zu geringen Margen für die Traktionäre. «Die jetzt beschlossene Weiterentwicklung ermöglicht es, auch in Zukunft als Schweizer Unternehmen auf der zentralen europäischen
Güterachse tätig zu bleiben. Im Hinblick auf den Gotthard-Basistunnel müssen die zwei stärksten Schweizer Akteure ihre Kräfte bündeln. Nur so haben wir Chancen, dem Druck ausländischer Bahnen
aktiv eine eigene Lösung entgegen zu setzen», erklärt Hans-Jörg Bertschi, Verwaltungsratspräsident der Hupac.
Neutrales Traktionsangebot für alle Kunden zu gleichen Bedingungen
Das Geschäftsmodell des neuen Carriers ist ein Novum im Schienengüterverkehr. Über die Beteiligung von Hupac werden erstmals die Kunden des kombinierten Verkehrs Mitverantwortung für die
Strategie und die Entwicklung eines Bahnunternehmens tragen. «Entgegen des europäischen Trends haben wir ein Modell entwickelt, in dem nicht die Bahn den Kombi-Operateur integriert und somit
faktisch seine Handlungsfreiheit ausschaltet», so Hans-Jörg Bertschi. In der neuen Bahngesellschaft kommen zwei unabhängige Partner zum Zuge: SBB Cargo bringt Traktionsressourcen und
bahntechnisches Know how ein, während Hupac über eine europaweite Marktpräsenz verfügt und einen wichtigen Teil des Transportvolumens beisteuert. Hupac wird auf strategischer Ebene die
marktorientierte Entwicklung der neuen Gesellschaft aktiv mitprägen, was schliesslich allen Kunden des neuen Carriers zugute kommen wird. Die Verladerschaft steht hinter dieser Art der
Zusammenarbeit, denn sie fördert Marktnähe und Effizienz und trägt zur Bahnliberalisierung bei. SBB Cargo International wird eigenständig handeln und Neutralität gegenüber allen Kunden wahren.
Gemeinsames Ziel ist eine zuverlässige Bedienung und eine verlässliche, kontinuierlich optimierte Auslastung der Kapazitäten.
Standort auf der Nord-Süd-Achse
Das neue Unternehmen wird rund 480 Stellen anbieten, davon 237 Lokführer und 76 Stellen für operatives Personal. Die Planung, Disposition und Administration werden rund 170 Stellen umfassen. SBB
Cargo International wird von Beginn an eigenes Lokpersonal in Deutschland und Italien haben. In der Schweiz wird Lokpersonal vorerst von SBB Cargo angemietet.
Durch die Ausgliederung des internationalen Verkehrs in die neue Gesellschaft erfolgt bei SBB Cargo in den nächsten zwei Jahren ein Abbau von 157 Stellen. Der Stellenabbau wird sozialverträglich
gestaltet. Die SBB wird dabei im Rahmen des Gesamtunternehmens Möglichkeiten zur Umqualifizierung anbieten und kann dank Wachstum in anderen Bereichen auch neue Anstellungschancen anbieten.
Hierbei werden alle zur Verfügung stehenden Lösungen des konzernweiten Arbeitsmarktes der SBB genutzt, inkl. Angebote in anderen Bereichen des Unternehmens, Ausnutzen der Fluktuation,
Frühpensionierungen und falls notwendig auch Outplacement. Zu Entlassungen kommt es im GAV-Bereich nicht.
Der Standort der neuen Gesellschaft wird voraussichtlich im Raum Basel-Olten-Luzern sein. Die Suche nach einem geeigneten Bürogebäude läuft. Die heute bestehenden Depotstandorte auf der
Nord-Süd-Achse in der Schweiz werden beibehalten. Neu werden die Lokführer vermehrt innerhalb eines Landes eingesetzt. Basel wird dabei der zentrale Drehpunkt des Produktionskonzeptes für
Gotthard- und Lötschbergachse sein. Die Zahl der Lokführerinnen und Lokführern an den Standorten von SBB Cargo im Tessin und der Zentralschweiz wird im heutigen Umfang beibehalten,. In
Deutschland wird der heutige Personalstandort in Offenburg mittelfristig nach Mannheim verlegt. Die übrigen Standorte in Deutschland und Italien bleiben vorerst bestehen. Die heutigen
Tochtergesellschaften für die Produktion in Deutschland und Italien werden in die neue Gesellschaft integriert. Chemoil, die auf den Transport von Mineralöl und Chemieprodukten spezialisierte
Tochtergesellschaft, bleibt Tochter von SBB Cargo AG.
Mit neuem Produktionssystem zu nachhaltigem wirtschaftlichen Erfolg
Die neue Gesellschaft wird anfangs 2011 den Betrieb aufnehmen. Dazu werden vorerst 109 Streckenlokomotiven aus der bestehenden Flotte von SBB Cargo angemietet, darunter 59 moderne Mehrsystemloks
für den grenzüberschreitenden Einsatz. Kernelement der Unternehmensstrategie ist die Erhöhung der Produktivität von Lokomotiven und Lokführern. Dies soll über ein vertaktetes Produktionssystem
mit hohen Lokumläufen und reduzierten Standzeiten sowie über die Konzentration auf aufkommensstarke Relationen erreicht werden. Bis 2013 soll das Unternehmen profitabel werden und mittelfristig
Investitionen aus eigener Kraft vornehmen. «Mit SBB Cargo International schaffen wir einen starken Player auf dieser Achse, unterstützen die Verkehrsverlagerung und tragen zum Wachstum des
Wirtschaftsstandorts Schweiz bei», unterstreicht Nicolas Perrin, Leiter SBB Cargo.
Umfassendes Angebot von SBB Cargo in der Schweiz
Durch die Ausgliederung kommt es auch zu Veränderungen bei der heutigen SBB Cargo AG. Diese wird sich zukünftig auf den Binnenverkehr in der Schweiz sowie im Verbund mit anderen Güterbahnen auf
den Transport von Import- und Exportsendungen konzentrieren. Das bestehende Netz im Wagenladungsverkehr wird in der heutigen Grössenordnung beibehalten. Mit der verstärkten Ausrichtung auf
Branchen und Grosskunden will SBB Cargo ihr Angebot besser auf den Markt ausrichten. Bereits die 15 grössten Kunden erwirtschaften 59% des Umsatzes, nutzen 74% aller Bedienpunkte und buchen 77%
aller Wagentypen. Damit ist ein wesentlicher Teil des heutigen Angebots als Ausgangsbasis gegeben. Sowohl die Schweizer Wirtschaft wie die SBB haben seit Jahren stark in den Güterverkehr auf der
Schiene investiert.
Die Position im Kombinierten Verkehrs (KV) will SBB Cargo auch im Binnenverkehr mit dem neuen Produkt «Bahn & Umlad» ausbauen. Langfristig prüft SBB Cargo dabei auch innovative Lösungen, die
für die vergleichsweise kurzen Distanzen in der Schweiz geeignet sind. Im Import/Export spielt primär der Verkehr ab den Nordseehäfen eine wesentliche Rolle. Dafür ist der Bau des geplanten neuen
Gateway-Terminals Limmattal in Dietikon eine wichtige Voraussetzung.
Standardisierung und Ausrichtung auf Kundenanforderungen
Mit der Neupositionierung wird SBB Cargo ihr Angebot stark standardisieren. «Damit machen wir einen Schritt, der in der Logistikbranche üblich ist, bei den Bahnen bis heute aber noch nicht Fuss
gefasst hat», erklärt Nicolas Perrin. «Standardprozesse und definierte Leistungskomponenten werden wir je nach Kundenbedürfnis zusammenstellen können. Dies schafft Transparenz für eine
verursachergerechte Preisbildung und in der Abrechnung. Bekanntlich werden durch erhöhte Transparenz auch weitere Optimierungspotentiale sichtbar, die zusammen mit den Kunden in einem länger
dauernden Prozess realisiert werden. Deshalb gehe ich nicht von einer wesentlichen Einschränkung unserer Leistungen aus.»
Die Standardisierung soll die Einführung einer Standardsoftware, Prozessoptimierungen und die Verbesserung der Kapazitätsbewirtschaftung ermöglichen. Nur wenn es SBB Cargo gelingt, alle
Ressourcen richtig zu dimensionieren und besser auszulasten, kann das Binnennetz kostendeckend betrieben werden. Gleichzeitig müssen auch im Schweizer Teil der Aktivitäten von SBB Cargo die
Strukturkosten langfristig auf ein branchenübliches Niveau gesenkt werden. Parallel zur Ausgliederung des Transitverkehrs in eine separate Gesellschaft wird SBB Cargo in der Schweiz den Schritt
in eine prozessorientierte Organisation vornehmen. Die Organisationsstruktur wird im zweiten Halbjahr 2010 entsprechend angepasst werden.
Schrittweise Umsetzung
Die Strategie im Schweizer Wagenladungsverkehr wird schrittweise über mehrere Jahre umgesetzt. Ziel von SBB Cargo ist es, dass der Schweizer Wagenladungsverkehr mittelfristig ein positives
Ergebnis erzielt, das auch die notwendigen Reinvestitionen in Rollmaterial und den Finanzaufwand abdeckt. In enger Zusammenarbeit mit den Kunden und SBB Infrastruktur werden damit die
Voraussetzungen für einen langfristig erfolgreichen Güterverkehr im hoch ausgelasteten Schweizer Schienennetz geschaffen.
Michail Stahlhut heisst der Leiter von SBB Cargo International, der letzte Woche von SBB Cargo und dem Kombi-Operateur Hupac angekündeten Gesellschaft für den alpenquerenden
Transitverkehr zwischen Deutschland und Italien.
Der 44-jährige Michail Stahlhut wird Leiter von SBB Cargo International. In dieser Funktion wird er den Aufbau der neuen Nord–Süd-Tochter von SBB Cargo und Hupac verantworten.
Michail Stahlhut besitzt eine langjährige und fundierte Erfahrung im Eisenbahngüterverkehr. Er ist seit 2006 Vorstand der Osthannoverschen Eisenbahnen AG. Mit dem Anteilserwerb durch Arriva wurde
er 2008 zum Geschäftsführer Technik der Arriva Deutschland GmbH. In dieser Funktion verantwortete er den Ausbau des Cargogeschäfts, die Werkstätten sowie die Infrastruktur. Zuvor hatte er für
eine private Firma ein Eisenbahnverkehrsunternehmen aufgebaut und leitete bei der Railion AG den Cargobahnhof Mannheim.