Finanzierung Bahninfrastruktur in der Schweiz: Der Mittelbedarf für Unterhalt des Bahnnetzes steigt

Das Bundesamt für Verkehr (BAV) bestätigt, gestützt auf eine Zweitmeinung zum SBB-Netzaudit, dass künftig mehr Mittel für den Erhalt der Infrastruktur nötig sind. Die Höhe wird von den Experten jedoch unterschiedlich beurteilt. Vor diesem Hintergrund haben BAV und SBB vereinbart, eine gemeinsame enge Überwachung des Netzzustandes einzuführen.

Um zusätzliche Grundlagen über den Zustand der Bahninfrastruktur und die Auswirkungen des intensivierten Unterhalts zu erhalten, führen BAV und SBB im Rahmen der neuen Leistungsvereinbarung bereits ab 2011 ein vertieftes Reporting über den Zustand des Netzes ein. So liefert die SBB Kennzahlen zur Verfügbarkeit und Qualität des Netzes, beispielsweise Angaben zu Schienenbrüchen, durch die Infrastruktur verursachte Störungen oder zu Gleisdeformationen. Aufgrund dieses jährlichen Netzzustandberichts werden in Zukunft laufend aktualisierte Daten zur Verfügung stehen.

                                                                                                      Foto: Marcel Manhart

 

Mit der am 23. Juni 2010 verabschiedeten Botschaft beantragt der Bundesrat für die Jahre 2011/12, die Mittel für die SBB-Infrastruktur pro Jahr um durchschnittlich 160 Mio. Fr. aufzustocken. Der Mittelbedarf für die Substanzerhaltung der Bahninfrastruktur der SBB (aber auch der Privatbahnen) wird nach Einschätzung des BAV auch in den folgenden Jahren 2013 bis 2016 ansteigen. Diese zusätzlichen Mittel sind bisher im Finanzplan des Bundes nicht eingestellt. Mit dem verbesserten Controlling stehen zusätzlichen Informationen über die Entwicklung des Netzzustands zur Verfügung, welche für die Bestimmung des Mittelbedarfs ab 2013 eine wichtige Grundlage darstellen. Schon heute zeichnet sich ab, dass für den Mehrbedarf zusätzliche Einnahmen beschafft werden müssen.

Die Mittel für die Jahre 2011/12 werden durch tiefere Einlagen in den FinöV-Fonds kompensiert. Die Finanzierung der zusätzlichen Mittel für die Jahre ab 2013 ist Thema der vom BAV geleiteten verwaltungsinternen Arbeitsgruppe «Finanzierung Bahninfrastruktur». Diese erarbeitet derzeit Möglichkeiten für die mittel- und langfristige Finanzierung von Substanzerhalt und auch Ausbau des Schienennetzes. Die Ergebnisse werden im Herbst/Winter 2010 vorliegen.

Zweitmeinung zum Netzaudit
An einer gemeinsamen Medienorientierung mit dem BAV hatte die SBB im Februar 2010 die Resultate des so genannten externen Netzaudits präsentiert. Dieser kam zum Schluss, dass es für die Substanzerhaltung der bestehenden Anlagen grosse zusätzliche Anstrengungen im Umfang von bis zu 850 Mio. Franken pro Jahr braucht. Das BAV gab darauf eine Zweitmeinung in Auftrag, was die SBB angesichts der Höhe der zusätzlich benötigten Mittel begrüsste; diese liegt nun vor. Auch darin kommen die Fachleute zum Schluss, dass die vorgesehenen Mittel nicht ausreichen, um die Leistungsfähigkeit des bestehenden SBB Netzes in der Zukunft zu gewährleisten. Vielmehr sei – nach Abzug von Einsparungen dank Effizienzsteigerungen der SBB – ein Mehrbedarf in der Höhe von bis zu 500 Mio. Fr. vorhanden.

Die Experten der Zweitmeinung beurteilen die Methodik des SBB-Netzaudits als gut, stellten jedoch teilweise Vereinfachungen, ungenaue Datengrundlagen oder etwa konservative Ansätze bei Lebensdauer von Infrastrukturelementen oder beim Wiederbeschaffungswert fest. Die Differenz der Gesamtsummen erklärt sich zu einem grossen Teil dadurch, dass in der Zweitmeinung die Kosteneinsparungen aufgrund Effizienzmassnahmen der SBB bereits in Abzug gebracht sind, während diese im Netzaudit zwar aufgelistet, aber nicht in Abzug gebracht worden waren. Zudem schätzt die Zweitmeinung die möglichen Effizienzgewinne höher ein. Die Zweitmeinung beziffert den Bedarf auf bis zu 500 Mio Fr. pro Jahr. Mittels zeitlicher Staffelung gewisser Aufgaben kann der Bedarf in der Vierjahresperiode 2013–16 überdies weiter gesenkt werden.

Netzaudit und Zweitmeinung bilden zusammen eine gute Basis für die jetzt notwendigen Massnahmen. Angesichts der hohen Kosten, welche der Substanzerhalt des SBB-Netzes verursacht, ist dies unerlässlich. Gefordert sind dabei die SBB selbst, der Bund und auch die Bahnkundinnen und -kunden.

SBB leistet gewichtigen Beitrag
Es ist das Ziel der SBB, den Eigenfinanzierungsgrad laufend weiter zu steigern und so den notwendigen Einsatz der Mittel der öffentlichen Hand möglichst tief zu halten. Die SBB leistet in diesem Sinn einen gewichtigen Beitrag zur Bewältigung der festgestellten Zusatzkosten im Substanzerhalt. Ein umfassendes Effizienzprogramm soll jährlich wiederkehrende Kosteneinsparungen im Umfang eines dreistelligen Millionenbetrags ermöglichen. Erste Massnahmen dieses Pakets sind bereits in Umsetzung und erlauben Kosteneinsparungen im Umfang von 50 Mio. Fr. ab 2011. Durch ein professionalisiertes Anlagenmanagement wird die SBB die Substanzerhaltungskosten der Bahninfrastruktur so weit wie möglich senken, etwa durch Zusammenfassung von Baustellen oder Überprüfung technischer Standards.

Angesichts der grossen Bedeutung, welche eine gute funktionierende Bahninfrastruktur für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der Schweiz hat, sind die Investitionen ins Bahnnetz Investitionen in die Zukunft und in die weitere erfolgreiche Entwicklung des Landes.