Die Stadler Rail Group kam nach eingehender Analyse der wenigen von der SBB zur Verfügung gestellten Unterlagen zum Schluss, dass die Durchsetzung eines Rekurses schwierig sein dürfte.
Die formellen Anforderungen der Auftragsvergabe können aufgrund dessen als erfüllt betrachtet werden. Die Stadler Rail Group hat die entscheidenden Punkte einerseits beim nicht nachvollziehbar
tiefen Energieverbrauch der Gewinnerin und andererseits bei den im Ermessen der SBB zu beurteilenden Kriterien verloren. Hinzu kommt die tiefe Bewertung des Passagierkomfortes und –flusses. Die
Stadler Rail Group liegt in der Gesamtbewertung 0.7 Punkte hinter der Siegerin. Die Stadler Rail Group akzeptiert die schmerzliche Niederlage im Heimmarkt und verzichtet auf einen
Rekurs.
Die Stadler Rail Group hat im Jahr 2009 einen Umsatz von CHF 1’049 Mio. erreicht. Der Auftragseingang beträgt CHF 1310 Mio., wobei 80% ausserhalb der Schweiz anfallen. Damit ist eine
befriedigende Auslastung bis Ende 2012 garantiert.
Stadler Rail Group verzichtet auf einen Rekurs
Die SBB hat die Angebote nach vier Hauptkriterien beurteilt. Es sind dies: B1 Gesamtwirtschaftlichkeit & Termineinhaltung, B2 Erfüllung des Anforderungskatalogs, B3 Vertragserfüllung und B4
Bewährung.
Beim Hauptkriterium B1 Gesamtwirtschaftlichkeit, welches die Anschaffungs- und Jahresbetriebskosten sowie die strikte Termineinhaltung beinhaltet, haben wir nicht bei den Anschaffungs- sondern
bei den Jahresbetriebskosten entscheidende Punkte verloren. Die Siegerin konnte der SBB bei den Energiekosten, auf 25 Jahre hochgerechnet, Einsparungen im Energieverbrauch von über CHF 200 Mio.
im Vergleich zu den beiden Verlierern glaubhaft machen. Dies macht eine Einsparung von gegen 50% gegenüber Stadler Rail Group aus.
Bei den Hauptkriterien B2 Erfüllung des Anforderungskatalogs und B3 Vertragserfüllung lagen wir bei einer Maximalpunktezahl von 5 nur 0.07 bzw. 0.04 Punkte hinter der Gewinnerin und damit,
entgegen anders lautenden Aussagen, praktisch gleich auf.
Im Hauptkriterium B4 Bewährung hat die Stadler Rail Group im Innovationspotenzial über drei Punkte gegenüber der Siegerin verloren. In der Kommunikation des Vergabeentscheids wurde auf die höhere
Anzahl Sitzplätze von knapp 2000 auf die gesamte Flotte explizit hingewiesen.
Nach Prüfung des Sieger-Layouts kam diese Anzahl aus zwei Gründen zu Stande:
- Die Klappsitze (in Kombination mit Gepäckstaufläche oder Stehplatzfläche), die bis anhin in Intercity-Zügen unüblich sind, wurden mitberücksichtigt. Zieht man die Klappsitze ab, ist die
Sitzplatzanzahl gleich wie bei Stadler Rail Group.
- Es wurde eine Lounge-Bestuhlung (Bestuhlung längs zur Fahrtrichtung) zugelassen, die für ein gehobenes Intercity-Angebot ebenfalls unüblich ist. Zudem fehlen Ablage- und
Abfallentsorgungsmöglichkeiten.
Das Stadler-Konzept hat auf solche Sitzplatzvarianten bewusst verzichtet. Dies führt aber zu einer entsprechenden Sitzplatzreduktion und erklärt auch die höheren Sitzplatzkosten von 6%. Das
Oberdeck der neuen Doppelstock-Triebzüge der SBB wird über eine steile Treppe mit 90° Drehung und kurzen Trittstufen erreicht werden. Damit lässt sich zwar die Anzahl Sitzplätze erhöhen,
gleichzeitig wird der Passagierfluss beim Ein- und Ausstieg verlangsamt. Dieser Effekt wird durch einen engen Durchgang bei der Treppe im Oberdeck noch verstärkt. Die Zielsetzung für die Stadler
Rail Group war, den Komfort des IC 2000 zu erreichen. Das neue Flaggschiff der SBB sollte bezüglich Passagierkomfort und Zirkulation keine unnötigen Einbussen erfahren.
Umsatz und Vertrieb im Jahr 2009
Der Erfolg von Stadler Rail hat sich auch im Jahr 2009 fortgesetzt. Der Umsatz liegt mit CHF 1’049 Mio. auf dem Niveau des Vorjahres (2008: CHF 1060 Mio.). Für das laufende Jahr ist ein leicht
höherer Umsatz budgetiert. Zu einem Umsatzsprung dürfte es in den Jahren 2011/12 kommen, wenn die FLIRT für die Norwegischen Staatsbahnen (NSB) und die Doppelstock-Triebzüge der SBB für die
S-Bahn Zürich zur Auslieferung kommen.
Ein sehr gutes Ergebnis hat der Vertrieb erreicht. Der Bestellungseingang lag Ende Jahr bei über CHF 1310 Mio., was eine befriedigende Auslastung der Kapazitäten bis Ende 2012 garantiert.
Besonders stolz sind wir auf den Auftrag der ODEG (Ostdeutsche Eisenbahn GmbH) für die S-Bahn Berlin-Brandenburg, die bei Stadler Pankow 16 Doppelstock-Triebzüge (DOSTO-Triebzüge) sowie sechs
Gelenktriebwagen (GTW) und einen Regio-Shuttle bestellt hat. Damit konnte sich Stadler Rail mit ihrem DOSTO-Fahrzeugkonzept innerhalb von etwas mehr als einem Jahr seit der Lancierung bereits in
ihren beiden Heimmärkten Deutschland und Schweiz sowie in Österreich durchsetzen.
Ausbau der Kapazitäten im Jahr 2009
Im Jahr 2009 haben wir die Kapazitäten in der Division Schweiz weiter erhöht. Das Doppelstockkompetenzzentrum in Altenrhein wurde in Betrieb genommen und mit dem Bau der Doppelstock-Triebzüge der
SBB für die S-Bahn Zürich begonnen. Der Roll-out des ersten Fahrzeugs erfolgt am 4. Juni 2010. Ende Jahr zog Stadler Winterthur ins neue Drehgestell-Kompetenzzentrum nach Oberwinterthur ein.
Weitergeführt werden die Arbeiten am neuen Inbetriebsetzungszentrum in Erlen, das im Herbst dieses Jahres betriebsbereit sein wird.
Schliesslich begann Stadler Bussnang Ende 2009 mit dem Bau der neuen Multifunktionshalle. Dank diesem Ausbau wird die Division Schweiz über eine jährliche Produktionskapazität von 2,75 Mio.
Stunden verfügen und damit gut gerüstet sein, die laufenden Aufträge abzuarbeiten.
Stadler Rail Group baut Kapazitäten in Deutschland und ein Engineering-Zentrum auf
Die Division Deutschland hat in den vergangenen Jahren eine stetige und nachhaltige Umsatzsteigerung verzeichnet. Mittlerweile beschäftigt die Division über 700 Mitarbeiter. Dank dieser
erfreulichen Entwicklung werden im laufenden Jahr die Kapazitäten von Stadler Pankow ausgebaut. In der Division International wurden die Kapazitäten optimiert. Das Montagewerk in Siedlce (Polen)
wurde erweitert und dieses Jahr 200 Mitarbeiter beschäftigen. In Szolnok (Ungarn) wurde die bereits geplante zweite Bauphase realisiert. Das für den Bau von Aluminium-Wagenkasten eingerichtete
Werk beschäftigt mittlerweile 110 Mitarbeiter und ergänzt die in der Schweiz bestehenden Kapazitäten. Im November 2009 haben wir Stadler Prag gegründet. Dieser Standort beschäftigt etwas mehr als
30 erfahrene Ingenieure aus der Branche und verstärkt damit unsere Engineering-Teams der Divisionen Deutschland und Schweiz.
UPDATE vom 01. Juni 2010:
Nach Stadler verzichtet auch Siemens auf einen Rekurs
Nach Stadler verzichtet auch Siemens auf einen Rekurs gegen den Vergabeentscheid der SBB für 59 neue Doppelstockzüge. Laut Siemens sei das Verfahren «korrekt und transparent»
gewesen.
Siemens Schweiz rekurriert nicht beim Bundesverwaltungsgericht gegen die Vergabe des grössten Auftrags in der Geschichte der SBB. Das Verfahren sei «korrekt und transparent» gewesen, sagte ein
Siemens-Sprecher auf Anfrage gegenüber der Nachrichtenagentur SDA.
Preislich «an der Schmerzgrenze»
Siemens habe selber ein «technisch sehr gutes Angebot» gemacht und sei dabei preislich «an die Schmerzgrenze» gegangen. Der Vergabe-Entscheid zugunsten von Bombardier sei «nachvollziehbar». So
sehe Siemens keine Chance mehr für eine erfolgreiche Anfechtung, sagte der Sprecher weiter. Die Beschwerdefrist läuft am 4. Juni ab.
Es geht um 59 Doppelstockzüge für 1,9 Milliarden Franken – der grösste Auftrag der SBB-Geschichte. Die SBB vergab diesen vor Auffahrt an den kanadischen Konzern Bombardier. Dritte Bewerberin war
Stadler Rail von SVP-Nationalrat Peter Spuhler gewesen; sie hatte am vergangenen Donnerstag den Verzicht auf einen Rekurs bekannt gegeben.
Der Entscheid war laut SBB klar ausgefallen. Zwar haben auch Stadler und Siemens Angebote auf gutem Niveau gemacht, doch Bombardier habe sowohl beim Komfort für die Kunden als auch der
Wirtschaftlichkeit am besten abgeschnitten. Deren Züge kosten die SBB 1,9 Mrd. Franken statt der budgetierten 2,1 Milliarden.