Hauptversammlung der ÖBB-Holding: ÖVP zieht Aufsichtsräte ab

Nach monatelangem Streit um die ÖBB-Personalpolitik zieht die ÖVP Konsequenzen: Ihre Vertreter sollen keine Verantwortung mehr für die Bahn übernehmen.

 

Von Hanna Kordik - Die Presse

Die ÖBB-Zentrale am Wienerberg                                                   Foto: Marcel Manhart

 

Eigentlich wäre die Sache eine reine Routineangelegenheit gewesen:

Am Mittwoch Nachmittag fand die Hauptversammlung der ÖBB-Holding statt. Und dort sollten die Kapitalvertreter im ÖBB-Aufsichtsrat um eine weitere Funktionsperiode verlängert werden. So weit jedenfalls der Plan von SPÖ-Infrastrukturministerin Doris Bures in ihrer Funktion als Eigentümervertreterin.


Aus der Routine wurde freilich ein Eklat: Bures konnte nur sechs der insgesamt acht Kapitalvertreter in ihrer Funktion bestätigen. Die ÖVP hat die Veranstaltung quasi boykottiert, indem sie „ihre“ Vertreter nicht mehr für eine weitere Funktionsperiode nominiert hat. In der Praxis bedeutet das: Die ÖVP-nahen Aufsichtsräte werden gleichsam aus dem Kontrollgremium abgezogen. Das sind zwar nur zwei Personen – nämlich Aufsichtsrats-Vize Franz Rauch und Leipnik-Lundenburger-Manager Christian Teufl –, doch die Symbolik hinter diesem Schritt ist bemerkenswert: Die ÖVP will für die wirtschaftliche Zukunft der Bundesbahnen keine Verantwortung mehr übernehmen.

Zur „Presse“ sagte ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf gestern: „Wir haben uns nicht dazu durchringen können, dass jemand aus unserem Umfeld in den Aufsichtsrat geht.“ Die ÖBB-Personalpolitik sei in den vergangenen Monaten zu „blutroten Festspielen“ geworden, heißt es in der ÖVP. Und da sei es eine Zumutung für die Aufsichtsräte, die Haftung für Dinge zu übernehmen, auf die sie keinen Einfluss hätten.


Die Bundesbahnen werden damit zur rein „roten Veranstaltung“. Ob das so bleibt, ist nicht klar. Aus der ÖVP wird signalisiert, dass man die weitere Entwicklung in den ÖBB abwarten wolle – und notfalls zwei Kandidaten nachnominieren werde.

Die Eskalation hatte sich schon vor Monaten angekündigt. Genau genommen seit dem Sommer 2009. Damals war Eduard Saxinger als Aufsichtsrats-Vize der ÖBB zurückgetreten. Saxinger gilt als ÖVP-nahe, die Volkspartei hatte also das Vorschlagsrecht für Saxingers Nachfolger. Damit begannen allerdings die Probleme: Die ÖVP kaprizierte sich auf den früheren ÖVP-Verkehrs-Staatssekretär Helmut Kukacka. Die Eisenbahnergewerkschaft lehnte ihn allerdings ab – und also die SPÖ ebenso.


Es folgte eine monatelange Pattstellung: Die ÖVP weigerte sich aus prinzipiellen Gründen, von ihrem Kandidaten Kukacka abzurücken. Die SPÖ verweigerte ihm ebenso nachdrücklich die Zustimmung.

Streit um Asfinag-Aufsichtsrat

Im Januar dieses Jahres machte Ministerin Bures schliesslich Nägel mit Köpfen. Sie ließ kurzerhand Paul Blumenthal auf den vakanten Aufsichtsratssessel setzen. Blumenthal war zuvor Chef des Personenverkehrs der Schweizerischen Bundesbahnen – ist aber kein ausgewiesener ÖVP-Kandidat. Die Volkspartei war ausser sich vor Zorn.


Nun ist die Sache einen Dreh weiter eskaliert. Wie berichtet, legt Saxinger dieser Tage auch sein Mandat als Aufsichtsratschef der Straßenbaugesellschaft Asfinag zurück. Die ÖVP nominierte daraufhin den Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Markus Beyrer, als Saxingers Nachfolger. Doch von Doris Bures gab es keine Zusage, dass Beyrer Aufsichtsratschef wird. Aus Sicht der ÖVP eine reine Kriegserklärung. Das wollte man nicht auf sich sitzen lassen.

 

 

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Der Streit zwischen SPÖ und ÖVP um die Österreichischen Bundesbahnen erreicht einen neuen Höhepunkt: Bei der gestrigen Hauptversammlung der ÖBB Holding, bei der die Kapitalvertreter im Aufsichtsrat bestellt wurden, verzichtete die ÖVP auf ihre Mandate. Die nach dem Rücktritt von Eduard Saxinger verbliebenen zwei ÖVP-Mitglieder im Kontrollgremium, Franz Rauch und Christian Teufl, teilten mit, nicht mehr für eine weitere Periode zur Verfügung zu stehen. Damit wird die ÖBB Holding künftig ausschließlich von der SPÖ kontrolliert.

Für ÖVP-Verkehrssprecher Ferdinand Maier ist der Rückzug der Aufsichtsräte die "Reaktion auf die Ereignisse der vergangenen Monate". Wie berichtet gab es zwischen den Koalitionsparteien nicht nur wegen Schuldenexplosion, Dienstrecht, Frühpensionierungen und Infrastrukturinvestitionen heftige Kontroversen, sondern auch wegen personeller Entscheidungen: So scheitere die ÖVP beim Versuch, Ex-Verkehrssprecher Helmut Kukacka in den Aufsichtsrat zu hieven. Sie musste dafür die Einsetzung des Schweizer Bahnmanagers Paul Blumenthal tatenlos hinnehmen. Ein jüngster Brief von Rauch und Teufl an den designierten ÖBB-Chef Christian Kern dürfte den Ausschlag für den Rückzug gegeben haben: Denn auf die umfangreichen Verbesserungsvorschläge der beiden ÖVP-Kontrollore habe es lediglich eine "freundliche, aber unverbindliche Antwort" gegeben.
 
"Nur im Aufsichtsrat zu sitzen und immer überstimmt zu werden, hat keinen Sinn", sagt Maier, für den der Kontrollverzicht "nicht so schlimm" ist: "Jetzt ist die politische Verantwortung für die Fehlentwicklung bei der ÖBB eindeutig ausgeschildert." Eigentümervertreterin, Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ), blieb indes ihrer Linie treu und verlängerte die Mandate der SPÖ-Aufsichtsräte: Somit wird das Kontrollgremium der Staatsbahn bis 2015 weiter von Ex-Porr-Chef Horst Pöchhacker geleitet, der zuletzt immer wieder im Zentrum der Kritik stand. Auch Herbert Kasser, Generalsekretär im Infrastrukturministerium, die Abgeordneten Kurt Eder und Maria Kubitschek sowie Anwalt Leopold Specht und Blumenthal bleiben. Die vier vom Betriebsrat delegierten Aufsichtsräte, allen voran der mächtige Chef der Eisenbahngewerkschaft Wilhelm Haberzettl, werden von der Personalvertretung nominiert - de facto von der SPÖ.

Zum ÖVP-Rückzug gab es seitens Bures keine offizielle Reaktion, SPÖ-intern ist von einer "beleidigten Reaktion der ÖVP" die Rede. Da laut Satzung bereits sechs Aufsichtsräte ausreichen, nominierte Bures für Rauch und Teufl auch keine Ersatzmitglieder.

ÖVP-Staatssekretär Reinhold Lopatka heizte indes den Streit weiter an und forderte Personal- und Gehaltskürzungen bei der ÖBB. Haberzettl wies dies umgehend zurück.

Der Konflikt um die ÖBB spitzt sich zu: Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) gibt Schwarz-Blau die Schuld am Desaster.

 

Zwischen den Regierungsparteien ÖVP und SPÖ fliegen die Fetzen: Am Samstag stärkte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) Verkehrsministerin Doris Bures im Streit um die ÖBB demonstrativ den Rücken und drehte den Spieß um. Unter Schwarz-Blau sei die Bahn heruntergewirtschaftet worden. Er werde, wenn es um die Aufsicht über eines der wichtigsten Infrastrukturunternehmen geht, sicherlich „nicht jenen Leuten vertrauen, die wir unter Schwarz-Blau kennenlernen mussten“. Er, so Faymann, vertraue in dieser Frage „voll und ganz“ Ministerin Bures. Solange er Kanzler sei, werde die ÖBB nicht zerschlagen.

Anlass für Faymanns Machtwort ist ein „Presse“-Interview mit Finanzminister Josef Pröll (ÖVP). Darin entzog Pröll der Verkehrsministerin das Vertrauen. „Die SPÖ sieht die ÖBB als Vorfeldorganisation und die Führung glaubt, weitermachen zu können wie bisher“, kritisierte Pröll. Es könne nicht sein, dass alle sparen müssen, nur die ÖBB nicht. „Dort gibt es Privilegien, die zu beseitigen sind.“ Aus Sicht der Sozialdemokraten seien die ÖBB von der Notwendigkeit des Sparens ausgenommen. Dabei könnte die Bahn durch Personalabbau rund 150 Mio. Euro pro Jahr einsparen – doch stattdessen sei die Zahl der Mitarbeiter im Vorjahr sogar aufgestockt worden. 

Nach Meinung der ÖVP haben Bures und die ÖBB die Probleme nicht im Griff: „Tausende Pendler ärgern sich etwa täglich über unerträgliche Verspätungen und Bedingungen.“ Die Devise der SPÖ und der Gewerkschaft sei, „Hauptsache, viele Leute sind angestellt, und darüber hinaus ist mir die Qualität wurscht“, so Pröll. Aus Protest hatte die ÖVP am Mittwoch ihre Aufsichtsräte aus der ÖBB-Holding abgezogen.

Streit auch um Asfinag. Neben Faymann gab am Samstag auch SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter der Volkspartei die Schuld am Desaster. Die Zerschlagung der Bahn, die Misswirtschaft und verantwortungslose Spekulation habe laut Kräuter „unter Schwarz-Blau und ÖVP-Mann Martin Huber“ stattgefunden. Durch Finanzgeschäfte seien 300 Mio. Euro in den Sand gesetzt worden. Bures habe nun „die mühsame Sanierung der Folgen der schwarz-blauen ÖBB-Skandale übernommen.“ Die SPÖ würde „im Gegenzug zu den polemischen Aussagen von Pröll darauf verzichten, den Bauernbund als ÖVP-Zentrale oder Karl-Heinz Grasser als ÖVP-Schutzbefohlenen“ zu bezeichnen, so Kräuter. 

Bei dem Konflikt geht es nicht nur um Einsparungen, sondern auch um mehr Einfluss auf Staatsunternehmen. Die ÖVP will den Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Markus Beyrer, zum Aufsichtsratschef der Straßenbaugesellschaft Asfinag machen. Dagegen legt sich die SPÖ quer. Die ÖVP sieht darin eine Kriegserklärung.

Seit SP-Verkehrsministerin Doris Bures bei einem Vieraugengespräch schwarze Personalwünsche verweigerte, ist die ÖBB im Visier der ÖVP.

Verkehrsministerin Doris Bures traute ihren Ohren nicht. Während der letzten Nationalratssitzung am vergangenen Donnerstag hatte sie sich mit VP-Klubchef Karlheinz Kopf zu einem diskreten Vieraugengespräch im Hohen Haus zurückgezogen: „Statt über die Zukunft der Bahn, Reformen oder Einnahme-Ausfälle bei der Lkw-Maut zu reden, knallte mir Kopf eine ganze Latte von Personalwünschen auf den Tisch.“

Der wichtigste: Die VP will den Generalsekretär der Industriellenvereinigung Marcus Beyrer als Aufsichtsratsboss der Straßenbau-Gesellschaft Asfinag installieren.

Bures sagte nicht einmal ab: „Ich habe nichts gegen Beyrer. Aber der Aufsichtsrat wählt den Vorsitzenden selbst.“ Als sie dies Kopf mitteilte, beendete der Klubchef das Gespräch abrupt

Kurz danach schieden die beiden schwarzen VP-Aufsichtsräte aus dem ÖBB-Aufsichtsrat aus. VP-Staatssekretär Reinhold Lopatka eröffnete eine ganze Serie von Angriffen auf die ÖBB, Vizekanzler Josef Pröll nannte die Bahn eine „sozialistische Vorfeldorganisation“ und Kopf selbst sagt ganz offen: „Die Schlacht um die ÖBB ist eröffnet. Die Bahn wird zum Kampfgebiet zwischen sozialistischer Schuldenwirtschaft und konservativer Marktwirtschaft.“

Bures: „Ich lasse mir von absolut niemand drohen“
Kopf gibt gegenüber ÖSTERREICH zwar zu, dass er das Avancement Beyrers in der Asfinag vorgeschlagen habe, das Ausscheiden der Eisenbahn-Aufsichtsräte habe damit aber nichts zu tun: „Wir wollten nicht für diese Unternehmenspolitik mit sinkendem Pensionsantrittsalter und sieben Milliarden Euro aus Steuergeldern pro Jahr zur Verfügung stehen.“

Bures hat das ganz anders verstanden: „Ich bin nicht erpressbar und lasse mir auch von niemand drohen. Die ÖVP war gegen international anerkannte Experten im Aufsichtsrat und wollte stattdessen Ex-Verkehrssprecher Herbert Kukacka ins Gremium entsenden.“

Die Rache für das Nein von Bures zu dieser „weiteren personellen Allmachtsfantasie der ÖVP“, wie es die Ministerin wörtlich nennt, folgte auf dem Fuß.

SPÖ und ÖVP liefern sich einen Tag vor der Wahl im Burgenland einen heftigen Schlagabtausch um ihre Prestigeprojekte Mindestsicherung (SPÖ) und Transferdatenbank (ÖVP). Auch um die ÖBB wird gestritten

Einen Tag vor der Burgenland-Wahl haben sich SPÖ und ÖVP einen heftigen Schlagabtausch um Mindestsicherung und ÖBB geliefert. Bundeskanzler und SP-Chef Werner Faymann kritisierte beim Landesparteitag der Wiener SPÖ mit ungewöhnlicher Schärfe die Junktimierung der Mindestsicherung mit der Transferdatenbank durch die ÖVP. "Es ist eine Schande, die Armutsbekämpfung zu einem Tauschobjekt zu machen", sagte Faymann. "Jemand, der sein christlichsoziales Gewissen an der Garderobe abgegeben hat, wird uns kennenlernen", so der Kanzler in Richtung VP-Klubchef Karlheinz Kopf, der die Debatte losgetreten hatte.

Agrarförderung oder nicht
Hintergrund des Streits sind Unstimmigkeiten bei der Gestaltung der Transferdatenbank. Konkret geht es um 800 Millionen Euro Agrarförderung, die die ÖVP nicht in die Datenbank, die alle Transferleistungen transparent machen soll, aufnehmen will. Insgesamt fließen in die Landwirtschaft im Jahr 2,2 Milliarden Euro. Die SPÖ will alle diese Gelder offenlegen, die ÖVP hingegen nur 1,4 Mrd. Euro.

EU-Subventionen bereits einsehbar
650 Millionen Euro an EU-Subvention sind schon jetzt abrufbar weitere rund 700 Millionen sollen auch transparent gemacht werden. Die restlich 800 Mio. sieht die ÖVP nicht als Transferleistung, sondern als Umwelt- und Bergbauernförderprogramm, aus dem Bauern monetäre Zuwendungen bekommen, wenn sie zum Beispiel auf Dünger verzichten, d. h. eine Gegenleistung erbringen. Und die Transferdatenbank soll nur jene Zahlungen erfassen, die ohne unmittelbare Gegenleistung stattfinden, so die VP-Argumentation. Die SPÖ sieht das freilich anders.

 

Mindestsicherungsblockade angedroht
Aufgrund dieses Disputs hat Kopf gedroht, die Mindestsicherung zu blockieren, sollten die Details der Transparenzdatenbank bis Anfang Juni nicht stehen. Pröll bekräftigte beim Vorarlberger VP-Parteitag diese Linie. "Die Mindestsicherung wird's zwölfmal geben, aber wir wollen auch Transparenz und Klarheit", so Pröll. In Richtung Faymann meinte er, es sei Zeit für Gerechtigkeit, "aber auch für Ehrlichkeit". Kopf legte in einer Aussendung noch nach und meinte, Faymann würde sich "in der Rolle des Sozialpopulisten gefallen", je näher der Parteitag der SPÖ komme.

Das ließ wiederum SP-Klubchef Josef Cap nicht unbeantwortet und richtet der ÖVP aus, dass sich die Sozialdemokratie grundsätzlich zur Transparenz von staatlichen Leistungen bekenne, man das Gleiche aber beim Bauernbund vermisse. Die Mindestsicherung sei nicht nur "eine politische und soziale, sondern auch eine moralische Verpflichtung", und keine "Hängematte". "Die ÖVP soll sich lieber mehr um Steuerhinterziehung und Steuerflucht kümmern", so Cap.


Wer ruiniert die ÖBB?
Nicht weniger ruppig verlieft auch der koalitionäre Streit um die ÖBB, der von Pröll im Interview mit der "Presse" weiter angeheizt wurde. Der VP-Chef warf dem Regierungspartner vor, das Unternehmen "als Vorfeldorganisation" zu betrachten. Für die SPÖ stehe "der politische Einfluss im Vordergrund" und die Gewerkschaft "feiert fröhliche Urstände". Daher solle die SPÖ auch alleine die Verantwortung für das Unternehmen übernehmen, so der Vizekanzler als Begründung, warum die ÖVP-Vertreter aus dem ÖBB-Aufsichtsrat ausgezogen sind. 

SPÖ Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter wies diese Attacke zurück und "erinnerte daran, dass die Zerschlagung des Unternehmens, Misswirtschaft und verantwortungslose Spekulationen unter Schwarz-Blau und ÖVP-Mann Martin Huber stattgefunden haben". Er wolle auch darauf "verzichten", den "Bauernbund als ÖVP-Zentrale oder Karl-Heinz Grasser als ÖVP-Schutzbefohlenen" zu bezeichnen, so Kräuter.