Adieu Chris Lohner: Neue ÖBB-Stimme "Petra" sagt viele Ortsnamen falsch
32 Jahre lang schallte ihre Stimme durch Österreichs Bahnhöfe: Jetzt löst der Computer Chris Lohner ab. Ein schmerzlicher Verlust, denn EDV-Lady "Petra" spricht viele Ortsnamen falsch aus. Bestes Beispiel: Hallein.
Zum 30 Jahr-Jubiläum wurde am 5. Februar 2009 in Wien am Praterstern der
Talent-Triebwagen Nr. 4124 037-5 auf den Namen von Chris Lohner getauft.
Diese Garnitur trägt auch heute noch ihren Namen und ist auf dem Wiener
Schnellbahn Netz im Einsatz. Foto: Marcel Manhart im April 2010
Der Zug fährt ein. Chris Lohner ist Geschichte. Seit Dezember spricht auf Salzburgs modernsten Bahnhöfen "Petra". Eine Kennerin der Region ist die Computer-Dame aber nicht. Salzburg-Sam wurde zu "Säm", Taxham zu "Täxhäm"…
Und auch die Halleiner wünschen sich Chris Lohner zurück, denn "Petra" macht in ihren Bahnhofsansagen die Salinenstadt Hallein zu Hallein. Nur im Zug hören die Bahnfahrer dann noch das vertraute Lohnerische "Nächster Halt, next stop Hallein."
Betonung auf der ersten Silbe
"Das passt mit der Geschichte überhaupt nicht zusammen. Hall bedeutet Salz. Die Endung deutete nur darauf hin, dass wir kleiner als Bad Reichenhall waren", bittet auch Bürgermeister Christian
Stöckl die ÖBB um eine Verbesserung. Und Michael Neureiter weiß: "Auf der ältesten Stadtansicht aus 1632 ist die Betonung auf die erste Silbe sogar extra hervorgehoben."
"Petra" ist lernfähig
Bei den ÖBB hat die volltechnisierte "Petra" zum Glück eine eigene Stimmtrainerin. Die Germanistin Susanne Trenkwalder bessert Fehler für Fehler aus. Tücken der Technik, die in den Anfängen von
Chris Lohner im Studio eines Wiener Gewölbekellers nicht passiert wären.
Erst auf modernen Bahnhöfen
Vorbei ist das Zeitalter Lohner derzeit erst in Vorarlberg, Tirol und Salzburg. Angeschlossen sind moderne Bahnhöfe, die bereits über die Betriebsführungszentrale in Salzburg abgewickelt werden.
"Die persönliche Note geht verloren", ärgern sich Bahnfahrer und trauern den vertrauten Ansagen nach.
Der Talent Triebwagen 4124 037-5 "Chris Lohner" Foto: Marcel Manhart
UPDATE vom 03. März 2011
Österreichs Bahnfahrer kämpfen für ihre Ansagerin – und gegen den Computer.
Wer im Zürcher Hauptbahnhof in einen Zug nach Innsbruck, Salzburg oder Wien steigt, kann die Stimme nicht überhören. «Sehr geehrte Fahrgäste! Im Namen der ÖBB begrüssen wir Sie im Railjet»,
ertönt sie aus den Lautsprechern, nach jeder Station: «Der Railjet verfügt über drei Klassen, in denen Sie individuell betreut werden, sowie über ein Railjet-Bistro in der Mitte des Zuges. 80
Bildschirme informieren Sie über Halte und Ankunftszeiten.» Nun kann man über die «individuelle Betreuung» im österreichischen Premiumzug geteilter Meinung sein – die ungeliebten Bistros werden
bald zu Speisewagen umgebaut, und die «80 Bildschirme» sind in Wahrheit 58.
Über solche Übertreibungen wollen wir jedoch nobel hinwegsehen und lieber über die Stimme aus dem Lautsprecher reden. Sie gehört Chris Lohner, die in Österreich als Radiosprecherin und
TV-Moderatorin zur Legende wurde. Für unvergessliche Fernsehmomente sorgte sie in der Kriminalserie «Kottan ermittelt», als sie den einfältigen Kommissar massregelte. Heute schreibt sie Romane,
Lebensratgeber und spielt Theater. Und seit 1979 ist sie in Bahnhofshallen, auf Bahnsteigen und in allen Zügen zu hören. Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) seien damals die erste
Bahnverwaltung in Europa gewesen, die mit einer Stimme eine «Corporate Identity» schufen, sagt Lohner, die heute noch Fanpost bekommt: «Die Leute sagen mir:‹Es ist so angenehm, in der Bahn Ihre
Stimme zu hören. Wir wissen dann, dass wir zu Hause sind.›»
Flexibilität der künstlichen Stimme
Ginge es nach den ÖBB, würde Lohner bald verstummen. Eine am Computer erzeugte Stimme namens «Petra» sollte sie ersetzen. Seit vergangenem Jahr ist Petra auf den Bahnhöfen in Innsbruck und
Salzburg zu hören, in nächster Zeit sollten weitere Stationen entlang der Westbahn folgen. Wels, Linz, vielleicht auch Wien. Die ÖBB lobten die Flexibilität der künstlichen Stimme: Informationen
könnten schnell an die Fahrgäste weitergegeben werden, man müsse den Text nur in den Computer eingeben. So einfach aber liessen sich die Fahrgäste «ihre» Chris nicht wegnehmen.
Bereits an ihren ersten Arbeitstagen sorgte Petra für Protest. Die Fahrgäste empfanden die Stimme als unpersönlich, kalt und – (schlimmer geht es nicht mehr) als deutsch! Das ist nicht
übertrieben. Auf dem Salzburger Hauptbahnhof sagt die elektronische Petra Züge und Stationen mit hörbar norddeutschem Akzent an. Zu Beginn konnte sie nicht einmal alle Ortsnamen richtig betonen,
was gestandene Salzburger zur Weissglut trieb. Protest formierte sich auch im Internet. Die Facebook-Gruppe «Liebe ÖBB – Chris Lohner darf nicht aufs Abstellgleis!» hat über 700 Mitglieder, die
«Petra – ab nach Bielefeld!» fordern. Lohner wurde von der ÖBB-Führung über ihre elektronische Konkurrentin gar nicht informiert. Sie sei zwar nicht beleidigt, sagt sie: «Aber wenn man, so wie
die ÖBB, immer wieder mal im Schussfeld steht, nimmt man den Kunden doch nicht gerade das weg, was sie gern haben.» Das werde ihr von Fahrgästen immer wieder bestätigt.
Mensch statt Maschine
Mittlerweile wird das von den Bähnlern auch so gesehen. Der Protest der Kunden bewirkt in der Vorstandsetage der ÖBB ein Umdenken. Das Projekt Petra werde nicht ausgedehnt, sagt ÖBB-Sprecher
Herbert Ofner zum «Tages-Anzeiger». Auch in Innsbruck und Salzburg soll Computerstimme Petra wieder verstummen, die Umstellung von Maschine auf Mensch könnte allerdings noch dauern. In den
kommenden Monaten werden Salzburger und Tiroler die deutsche Aussprache aus den Lautsprechern noch erdulden müssen. Prinzipiell aber habe sich die österreichische Bahn dazu entschlossen, ihre
Züge wieder von Menschen ansagen zu lassen, so der ÖBB-Sprecher. Wessen Stimme in Zukunft unter anderem den Railjet aus Zürich ansagen wird, sei zwar noch nicht entschieden, «aber Chris Lohner
ist sicher eine Option».