Laut Eintrag auf der Immobilien-Website Homegate und diversen Zeitungsinseraten kostet der Wipkinger Bahnhof mindestens eine Million Franken. Das Quartier rüstet sich, ihn zu kaufen und zu erhalten.
Bis 2005 hätte er zusammen mit dem benachbarten Restaurant «Nordbrücke» einem Hochhaus weichen sollen, doch nun scheint der Erhalt des Bahnhofs Wipkingen Tatsache zu werden: Die SBB wollen das ungeliebte Objekt verkaufen. Laut Eintrag auf der Immobilien-Website Homegate läuft bis Juni ein dreistufiges Bieterverfahren, wo die SBB für die zwei 4-Zimmer-Wohnungen und Büros mindestens 1 Million Franken lösen wollen.
Doch Befürchtungen, wonach das Gebäude von 1932 einfach durch jemand anderen abgerissen und ersetzt wird, sind wahrscheinlich fehl am Platz: Denn der Käufer erhält nur exakt die 327 Quadratmeter Grundstück, welches das Gebäude bedeckt; weder das benachbarte WC-Gebäude noch die Treppe dazwischen sind Gegenstand des Verkaufs, ebenso wenig der Vorplatz auf der Bahnseite. Kommt hinzu, dass die SBB einen separat zugänglichen Technikraum im Erdgeschoss weiterhin nutzen wollen. Einem künftigen Eigentümer bieten sich dadurch nur beschränkte Möglichkeiten.
IG zum Ersten …
Dennoch ist Interesse für das Gebäude, in dem auch Investitionsbedarf von einer geschätzten halben Million Franken wartet, vorhanden. Da wäre einmal die IG Bahnhof Wipkingen als bisherige
Mieterin des Büros im Parterre, in denen das Bahnhofreisebüro und die Offene Jugendarbeit (OJA) Wipkingen einquartier sind. Von ihrer Generalversammlung wurde die IG ermächtigt, Kaufangebote zu
machen, und hat in der ersten Runde 900 000 Franken geboten. «Wir hoffen, dass die SBB unser Angebot als bisherige Mieter wohlwollend behandeln», sagt Peter Schmid von der IG.
… Stiftung zum Zweiten …Der Quartierverein selber gehört, anders als in anderen Medien berichtet, nicht zu den Kaufwilligen. «Aber wir sind sehr daran interessiert, dass der Bahnhof der Spekulation entzogen wird und dadurch der Bevölkerung erhalten bleibt», sagt QV-Präsident Beni Weder gegenüber «Zürich Nord». Und er hat auch schon eine Idee, wie: In der Adolf-Walder-Stiftung, die der gleichnamige, 1955 verstorbene Wipkinger Bauer und Wohltäter gegründet hatte, liegt ein «ansehnlicher Kapitalstock», wie Weder mit Rücksicht auf die laufende Bieterrunde vorsichtig ausführt. «Das Geld hat den Zweck, in Wipkingen Gemeinnütziges zu fördern.» Bisher hätte der Stiftungsrat immer nur die Zinsen daraus verteilt, erwägt jetzt aber, mitzubieten. Dem dreiköpfigen Rat gehören von Amtes wegen die Präsidenten des Quartiervereins und der reformierten Kirchgemeinde sowie der Wipkinger Filialleiter der ZKB an. «Ein mündelsicheres Gremium», wie Weder betont, «das in diesen Tagen entscheidet, ob es einsteigt» – und damit die Chancen der Wipkinger auf einen «eigenen» Bahnhof erhöht.
… Räbsamen zum Dritten?
Ebenfalls interessiert ist der Ingenieur Urs Räbsamen, der bereits das benachbarte Restaurant Nordbrücke gekauft, es damit vor dem Abriss gerettet und sanft renoviert hat. «Er wäre unser
Wunschkandidat», gibt Schmid von der IG zu, «denn mit ihm haben wir nur positive Erfahrungen gemacht.» Räbsamens Ruf ist gerechtfertigt: Ähnlich verfuhr er mit dem «Alten Löwen» am Rigiplatz, mit
dem «Hecht» in Dübendorf und dem «Engel» in Ottenbach. «Mit dem ‹Nordbrüggli› liessen sich Synergien, wie eine gemeinsame Heizung oder Wärmerückgewinnung, nutzen», findet der Ingenieur. Zur
besseren Nutzung und damit Wirtschaftlichkeit könnte eine Aufstockung beitragen, denn «heute ersäuft der Bahnhof beinahe im Bahneinschnitt», findet er. Erlaubt wären vier volle und ein
Dachgeschoss, was Räbsamen aber nicht ausreizen will. Vielmehr würde ihm der Zukauf ermöglichen, Wohnanteile der beiden Grundstücke zu verschieben und im Bahnhof so mehr als die heute erlaubten
20 Prozent Gewerberäume zu ermöglichen. Das Reisebüro könnte von einem langjährigen Mietvertrag für neue Räume – allenfalls sogar im 1. Stock mit Zugang zum Röschibachplatz – profitieren. Und für
das Quartier könnte man die unbefriedigende Vorgarten-Situation lösen und dem temporären Gemüsestand einen festen Platz einräumen.
Doch schutzwürdig?
Beide Gebäude wurden zwar 2002 zugunsten «öffentlicher Interessen» aus dem städtischen Inventar schutzwürdiger Bauten gestrichen, doch im SBB-eigenen «ISOS»-Inventar ist der Bahnhof Wipkingen
weiterhin als architekturgeschichtlicher Zeuge aufgeführt. Dieses enthalte laut dem Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz die klare Anweisung, den Bahnhof zu erhalten (soweit ein anderes
öffentliches Interesse nicht höher gewichtet werde). Mit dem Verkauf an Private müsse die Frage des Denkmalschutzes nun definitiv geregelt werden, meint das Hochbaudepartement. Entscheiden werde
der Stadtrat. Dabei könne es, wie bei den Chalets der ehemaligen Bircher-Benner-Klinik an der Köllikerstrasse, zu einer Wiedererwägung kommen. Einen Entscheid, bei der Versteigerung sogar selber
mitzubieten, habe die Stadt noch nicht getroffen.
Filter: Wipkinger Bahnhof – Wie's gerade passt
In der «grössten Wirtschaftsmetropole» und ebensolchen Stadt des Landes und «nur einen Katzensprung von den Alpen entfernt», verkaufen die Bundesbahnen ein «Gebäude an zentraler Lage mit zwei
Wohnungen und Gewerberäumlichkeiten»: den Bahnhof Wipkingen.
«Das Quartier besitzt mit dem Bahnhof Wipkingen einen SBB-Haltepunkt an einer der ältesten Bahnlinien der Schweiz», schreibt die Immobilien-Abteilung der SBB in den Verkaufsunterlagen.
Tatsächlich hat – wie damals üblich – die Stadt den Bahnhof bezahlt, womit er eigentlich ihr und damit auch ein bisschen dem Quartier gehören sollte. Was die SBB verschweigt: Der Bahnhof wurde
durch den Widerwillen der Eisenbahner erst 76 Jahre nach der Bahnlinie gebaut – aber ein voller Erfolg: In den ersten 10 Tagen sollen 300 Streckenabonnemente verkauft worden sein; von den 700
Schweizer Bahnhöfen schafften nur Zürich und Winterthur mehr. Die Billette waren billiger als das Tram, das damals noch vom Wipkinger- zum Röschibachplatz hochfuhr.
In der Gebäudebeschreibung der Verkaufsunterlagen liest man dann, dass es original erhalten und ein baukünstlerisch interessanter Zeuge aus den Dreissiger Jahren sei. Allerdings nicht interessant
genug, als dass die SBB das Haus 2002 nicht zugunsten einer Neuüberbauung abgerissen hätte – mit dem Segen des Stadtrates, der dem Röschibachplatz mit einem (Hochhaus-) Neubau eine neue Identität
stiften wollte.
Dass der Bahnhof schon damals als «Kulturobjekt im Sinne des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz zu bezeichnen» ist, steht zwar heute in den Unterlagen, interessierte aber damals nur
den Heimatschutz, der 2005 mit einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht unterlag. «Aus heutiger Sicht ist eine höherwertige Bedeutung anzunehmen», findet die SBB nun. Und seis nur, um den
Preis nach oben zu drücken.