Das «Hôtel de la Gare» in Courgenay im Kanton Jura - legendärer Wirkungsort der ebenso legendären «Gilberte de Courgenay» - steht zum Verkauf. Die Stiftung Gilberte de Courgenay, Hôtel de la Gare veröffentlichte ein entsprechendes Inserat unter anderem im «Tagblatt der Stadt Zürich».
NZZ-Online: Stiftung will denkmalgeschützte Liegenschaft verkaufen
Stiftungsratspräsident Bruno A. Kläusli bestätigte auf Anfrage der Nachrichtenagentur ddp die Verkaufsabsichten. Die Stiftung sehe sich wegen Geldmangels zum Verkauf gezwungen, da unter anderem die Rückzahlung eines Darlehens fällig werde. Der Vizepräsident und Finanzchef der Stiftung, Moritz Schmidli, habe in letzter Zeit bereits erhebliche Beträge eingeschossen, um nötige Unterhaltsarbeiten an dem unter Denkmalschutz stehenden Gebäude zu ermöglichen. Zwar finde die heutige Hotel- und Restaurantbetreiberin ein finanzielles Auskommen, doch reiche dies nicht für Rücklagen zwecks Unterhalt und Ersatzanschaffungen, sagte Kläusli. Nötig sei aber eine tragfähige Lösung. Die Gemeinde Courgenay habe zwar ein gewisses Interesse am Kauf des «Hôtel de la Gare» gezeigt, aber einen zu tiefen Preis offeriert.
Ein Gebäude mit Geschichte: «Hotel de la Gare» in Courgenay Foto: Marcel Manhart
Das «Hôtel de la Gare» in Courgenay war im April 2001 nach vierjähriger Schliessung und gründlicher Renovation durch die Stiftung mit einem Volksfest in Anwesenheit von Vertretern der Kantons- und Bundesbehörden wieder eröffnet worden. Die 1896 geborene Gilberte war eine der drei Töchter der Familie Montavon, die das Hotel in Courgenay führte. Während des Ersten Weltkrieges wurde der Betrieb zu einem bedeutenden Treffpunkt von Deutschschweizer Wehrmännern, die in der Ajoie stationiert waren.
«Gilberte», die in Zürich «Schwyzerdütsch» erlernt hatte, arbeitete als Serviertochter im elterlichen Restaurant und verstand sich so gut mit den Armeeangehörigen, dass sie als eine Art «Soldatenmutter» im ganzen Land äusserst populär wurde. Dafür sorgte auch das Lied «La petite Gilberte» von Hanns In der Gand mit deutschem Text und französischem Refrain, das 1917 uraufgeführt wurde. 1941 wurde die Geschichte der «Gilberte de Courgenay» vom Franz Schnyder mit der kürzlich verstorbenen Anne-Marie Blanc in der Hauptrolle verfilmt. Gilberte heiratete schliesslich den Kaufmann Louis Schneider und liess sich mit ihm 1923 in Zürich nieder, wo sie 1957 gestorben ist.
Bei der offiziellen Wiedereröffnung des «Hotels de la Gare» in Courgenay sagte der damalige Direktor des Bundesamtes für Kultur, David Streiff, im April 2001 unter anderem, Gilberte sei inzwischen aus der Armee ausgetreten und wichtiger Teil des Schweizer Kulturgutes sowie Symbol der damaligen Geisteshaltung geworden. Für den damaligen jurassischen Regierungspräsidenten Claude Hêche war die Wiedereröffnung des Hotels kein Schritt in die Vergangenheit, sondern ein Brückenschlag zu künftigen Generationen.
Die Fondation Gilberte de Courgenay, Hôtel de la Gare kann an folgender Adresse kontaktiert werden: c/o Mme Marianne Perrin, En Fontaine-Allée 2, 2950 Courgenay. Das Gilberte-Lied und Ausschnitte aus dem Gilberte-Film sind auch im Internet zu finden, etwa bei Youtube.
Beitrag in SF Schweiz Aktuell vom 08. März 2010:
Mehr zum Thema: Courgenays Hôtel de la Gare in neuem Glanz
Dank namhaften Zuwendungen eines solothurnischen Mäzens kann das Hôtel de la Gare im jurassischen Courgenay dieser Tage nach einer kostspieligen Renovation wieder eröffnet werden. Landesweit bekannt wurde es durch Gilberte Montavon, der legendären Wirtstochter während der Generalmobilmachung im Ersten Weltkrieg.
Sie soll 300 000 Schweizer Soldaten und alle Offiziere der Schweizer Armee gekannt haben. So jedenfalls heisst es im berühmten Lied, das Hanns in der Gand 1917 für sie geschrieben hat. Es ist denn auch dieses Lied, das die Erinnerung an die legendäre Petite Gilberte von Courgenay bis heute wachgehalten hat. Als junge Wirtstochter arbeitete die 1896 geborene Gilberte Montavon im väterlichen Hôtel de la Gare von Courgenay, eingangs des Pruntruter Zipfels, wo zwischen 1914 und 1918 vor allem Deutschschweizer Soldaten mit dem Grenzschutz betraut waren. Für unzählige Soldaten wurde Gilberte, die auch des Deutschen mächtig war, zum Schwarm. Und der 1941 hergestellte Film von Franz Schnyder und Anne-Marie Blanc in der Hauptrolle der Gilberte machte sie während des Zweiten Weltkrieges zu einer nationalen Symbolfigur.
Verblichener Glanz
Während die Erinnerung an Gilberte weiterlebt (sie verheiratete sich später nach Zürich, wo sie bis zu ihrem Tode 1957 auch lebte), verblich der Glanz des ebenfalls zu nationaler Berühmtheit gelangten Hôtel de la Gare von Courgenay mehr und mehr. 1997 wurde der Betrieb eingestellt, obschon noch immer jedes Jahr einige hundert Schweizer aus allen Landesteilen nach Courgenay pilgerten. Das 1877 mit neoklassizistischen Zügen erstellte Gebäude drohte zu verfallen.
Nun aber erstrahlt es in neuem Glanz. Dank einer Stiftung, zu der Georges Zaugg, Einwohner von Courgenay, Lehrer und jurassischer Kantonsparlamentarier, vor drei Jahren die Initialzündung gegeben hat. Zustande kam sie aber erst, als sich mit Moritz Schmidli, einem Unternehmer im Ruhestand aus dem solothurnischen Schwarzbubenland, ein finanzkräftiger Mäzen für die Sache begeistern liess. Er kaufte nicht nur das Hôtel de la Gare, sondern auch das benachbarte Hôtel Mont Terrible (beide für je 250 000 Franken) und brachte sie in die Stiftung ein. Mit weiteren 250 000 Franken ermöglichte er den Start zur Sanierung, die im November 1999 begonnen und im vergangenen Februar abgeschlossen werden konnte.
Die Gesamtkosten belaufen sich auf 1,9 Millionen Franken. Nach - noch nicht durchwegs gesprochenen - Beiträgen des Kantons Jura, des Bundes und der Loterie Romande, einer relativ bescheidenen Summe von privaten Spenden und einer Anleihe von 400 000 Franken aus dem Bundesgesetz über Investitionen in Bergregionen verbleibt noch immer eine Finanzierungslücke von einigen hunderttausend Franken, die Mäzen Schmidli mit einem Darlehen abdeckt. Die Stiftung «Hôtel de la Gare - Gilberte de Courgenay. Fondation Klärly et Moritz Schmidli» ist jedenfalls weiter auf Mittelsuche.
Offizielle Eröffnungsfeier im April
Förderlich dürfte dabei sein, dass die Renovation geglückt ist. Der Saal, in dem allabendlich Gilbertes Bruder Paul mit dem Akkordeon aufspielte, ist originalgetreu restauriert. An den Wänden sind historische Bilder und Fotos zu sehen. In den oberen Stockwerken gibt es fünf Hotelzimmer und ein Appartement für Gäste, die verweilen möchten; eines der Zimmer ist mit Gilberte angeschrieben und einer Badewanne «aus der Zeit» ausgerüstet. In einer zweiten Etappe soll hinter dem Hôtel de la Gare ein Hotelgebäude mit 20 Zimmern erstellt werden; und schliesslich möchte die Stiftung auch das baufällige Hôtel Mont Terrible renovieren.
Das Hôtel de la Gare wird am 16. März 2001 eröffnet. Am 7. April 2001 findet hier ein historisches Kolloquium zum Thema die Schweiz während des Ersten Weltkrieges statt. Am Wochenende vom 21./22. April 2001 schliesslich wird die Wiedereröffnung mit einem grossen Folklore- und Volksmusikfestival gefeiert, an dem Musik- und Gesangsgruppen aus fast allen Kantonen teilnehmen. An beiden Tagen findet auch ein grosser Umzug statt. Kurz vor dem Erscheinen steht eine Biographie über Gilberte de Courgenay, mit welcher der Stiftungsrat Damien Bregnard, einen jungen jurassischen Historiker, beauftragt hat.