Mit dem ÖBB-Railjet in der Economy Class von Wien nach Zürich

 

 

 

 

Ein Reisebericht von Herbert Kröll: 

Mit dem Railjet  in der Economy Wien-Zürich-Wien

 

 

Der Railjet, das Aushängeschild der ÖBB, wird durch diese reichlich beworben und gepriesen. Mit schönen Fotos meist nur von der Premium-Class, wird dabei mit lediglich 16 Plätzen aber nicht das primäre Reisepublikum angesprochen. Der Großteil der Reisenden reist in der Economy-Class (2.Klasse) und wäre somit eigentlich der Hauptwerbeträger dieses Zuges.

 

Bisherige Erfahrungen von Freunden und Bekannten mit der Economy waren jedoch meist negativ geprägt. Von der Premium-Class durfte ich mich im Zuge einer Dienstreise bereits verwöhnen lassen. Mittlerweile wurden aber auch hier die Leistungen wegen Unwirtschaftlichkeit bereits zurück genommen. Prämiere hatte ich nun in der Economy-Class auf der Strecke Wien-Zürich-Wien. Entgegen den vielen negativen Meldungen über Verspätungen von mindestens 30 min in Zürich HB, war RJ 160 am 15. September 2010 (Mittwoch) abschnittsweise maximal 4 min verspätet und erreichte Zürich HB auf die Minute genau um 16:20 Uhr. Mein Anschluss nach Basel war ebenso pünktlich unterwegs.

 

Die eher beengten Platzverhältnisse der Economy, sind für meine schlanken 1,71 m Größe ideal dimensioniert. Dieselbe Sitzbreite hatte ich auch im chinesischen ICE 3 Peking-Tianjin-Peking. Europäer sind jedoch durchschnittlich größer und an größere Platzverhältnisse gewöhnt. Stärker beleibte Sitznachbarn können daher für arge Bedrängnis wie im Flugzeug sorgen, was das Reisegefühl sehr beeinträchtigen kann. Die schwache Auslastung des Zuges mit höchstens 3 Personen im gesamten ersten Wagen (Bmpz 100) zwischen Wien und Zürich, sorgte aber für Ruhe und viel Raum. Die rückwärtige Railjet-Garnitur nach Bregenz dürfte stärker besetzt gewesen sein.

 

Das Arbeiten am Laptop gestaltete sich ideal und der Trolley-Service war fast stündlich um mein Wohl bemüht. Erstklassiger Kaffe durch Taps von der Nespresso-Maschine und frische unterschiedliche Sandwich machten den Weg ins Bistro entbehrlich. Als Liebhaber gediegener Speisewagen mit wohlig gemütlicher Atmosphäre habe ich das kühle, leer wirkende und nicht zum Verweilen einladende Bistro bisher auch gemieden. Wer isst schon gerne an einem der 3 schmalen Kleintische mit dem Rücken zum Fenster und betrachtet dabei gegebenenfalls die Hinterseite an der Bar oder am Stehtisch stehender Gäste.

 

Die Westbahn GmbH wird ab Dezember 2011 mit 6-teiligen Doppelstockgarnituren Wien-Salzburg-Wien verkehren. Diese haben je Garnitur in 4 Wagen jeweils ein Bistro mit Tischen und Bänken in traditioneller Speisewagenanordnung. Hier hat anscheinend der „Vater“ des Railjet und nunmehr Betreiber der neuen Züge sehr schnell seine Meinung geändert. Ein einladendes, gemütliches und trotzdem modern gestaltetes Bistro mit optimalen Plätzen auch zum Verweilen, hätte man sich in so einem Zug schon erwarten können.

 

Die Rückfahrt am 19. September 2010 ab Zürich HB mit RJ 163 in der Economy verlief gleichfalls sehr angenehm. Meine Anreise aus Basel nutzte ich im schön gestalteten Schweizer Speisewagen für ein Frühstück. Gerne hätte ich dieses entlang des Zürichsees eingenommen, wie ich dies oft im „Transalpin“ oder „Maria Theresia“ gemacht habe.

 

Modernes Reisen soll anscheinend in erster Linie schnell sein, da bleibt für speisen mit Blick in die Landschaft keine Zeit mehr. Der Zug war an diesem Tag (Sonntag) in beiden Garnituren sehr gut besetzt. Für Leute ohne Reservierung kann dies aber auch zum Spiesrutenlauf werden. Es waren nur wenige Plätze ohne Reservierungen ausgewiesen. Viele Plätze, z.B. der ganze erste Wagen (Bmpz 100) hatten den Vermerk, ggf Platz freimachen (gegebenenfalls Platz freimachen). Auf einem derartigen Platz fällt es schwer sich zu entspannen, da Reisende mit Platzkarten für diesen Platz jederzeit kommen können. Ob dermaßen viele Plätze für eine kurzfristige Reservierung gebraucht werden bleibt offen. Mein Online-Ticket klappte zwar bestens, die Railjet-Reservierung konnte ich online aber noch nie erreichen. Mehrmalige Versuche über Monate endeten immer ergebnislos.

 

Ab Innsbruck Hbf war RJ 160 infolge starken Passagieraufkommens nun 6 min verspätet. Diesmal gestattete ich mir einen Besuch im Bistro, den ich aber schnell wieder beendete. Eine Familie mit 3 kleinen Kindern benötigte nämlich alle 3 Bistrotische zum Verzehr von Leberknödel- und Gulaschsuppen. Das Personal war damit beschäftigt, Essen und Geschirr in und aus der First-Class zu servieren. Ein Gefühl des Unerwünscht seins stellte sich bei mir ein. Dadurch definieren sich die 3 Klassen im Railjet. In der Premium kann man Schlemmen und sich bedienen lassen, in der First werden Menüs und Hauptspeisen serviert und in der Economy kann man glücklich sein, wenn man vom Trolley-Service ein Sandwich bekommt. Dies ist sehr empfehlenswert wenn es frisch nach der Abfahrt in Wien serviert wird. Die Sandwich auf der Rückfahrt können es aber nicht mehr sein. Im Bistro selbst wird man somit zum „Restkunden“. Damit wird Economy-Reisenden aber der Zugang zu einem gediegenen Essen nicht ermöglicht. Notfalls kann man im Bistro im Stehen essen, wohl eine Zumutung für einen „Paradezug“. Vorbei die Zeiten wo ich als Reisender der 2. Klasse ein gutes Frühstück, eine feine Hauptspeise und nachmittags Kaffee und Torte genießen konnte.

 

Das geht im Railjet nur mehr am Sitzplatz und wenn man dafür bereit ist, einen 50% höheren Fahrpreis zu bezahlen. Man merkt deutlich, dass die Macher des Railjet aus der Flugbranche kommen. Zurück auf meinem Sitzplatz war es weit gemütlicher als im Bistro. Das Informationssystem funktionierte anstandslos und trotz Baustellen und hoher Auslastung erreichte RJ 160 um 16:40 Uhr pünktlich Wien Westbf. Von einigen Kleinigkeiten abgesehen gestaltete sich die Fahrt Wien-Zürich-Wien in der Economy-Class, entgegen vieler negativer Äußerungen komfortabel, ruhig und gemütlich. Dass ich als „Normalreisender“ nur mehr einen Trolley-Service habe, während Reisende die einen höheren Fahrpreis bezahlen auch speisen können, empfinde ich allerdings als diskriminierend in einem so genannten „Top-Produkt“. Bisher bestand der Unterschied von der 2. Klasse zur 1. Klasse lediglich in geringfügigen Ausstattungsunterschieden und fahrpreisbedingt natürlich auch im Publikum, nicht aber im Verpflegservice. 

 

Etwas nostalgisch wehmütig blicke ich daher auf die Zeiten zurück, als die Baureihe 4010 als „Transalpin“ den ÖBB-Paradezug stellte. Damals gab es noch breitere Großraum- und Abteilplätze in der 1. und 2. Klasse, sowie einen großen klimatisierten Speisewagen, in welchem man sehr gut essen konnte. Der „Transalpin“ war damit 1965 durchaus mit den TEE-Zügen (Trans-Europ-Express) vergleichbar. Worin verbessert sich nun der Railjet (außer Geschwindigkeit) im Komfort von 1965? Der Einsatz zeigt Parallelen. Die starke Auslastung des „Transalpin“ führte schließlich zur Doppelbespannung Baureihe 4010 und weiters 1977 aus Wirtschaftlichkeitsgründen zur Umstellung auf Lok und Wagen. Der hohe Personalaufwand bei der Bewirtschaftung von 2 Speisewagen und der große 1. Klasse-Anteil sowie Überbesetzungen durch im falschen Zugteil zugestiegene Reisende bei beiden Garnituren, begründeten die Umstellung. Doch das ist lange her und die heutigen Manager wissen das nicht mehr. Würde sonst der Railjet wieder mit Doppelgarnitur mit 2 Bistros, 2 Lokomotiven und 2 Steuerwagen ohne Durchgangsmöglichkeit zur 2. Garnitur verkehren? Der Railjet mag bei guten Bedingungen ein feiner Zug sein, das Flair und Ambiente des „Transalpin“ mit der Baureihe 4010 wird er aber nie erreichen.

 

Der Railjet kann durchaus noch ein sehr guter Zug werden. Das viel gepriesene Top-Produkt ist er leider noch nicht. Da ist der Eurocity mit Speisewagen für alle auch in der 2. Klasse sowohl beim Platzangebot als auch Service weit besser. Breitere Sitze und größere Sitzabstände sowie Großraum- und Abteilwagen bieten mehr Freiheit. Die Abschaffung der Premium-Class und eine am Markt besser situierte First-Class sowie ein Speisewagen mit einem breiten Angebot, würden den Railjet im gesamten Kundensegment verbessern. Das gute Angebot vom Trolley-Service sollte auch im ganzen Zug verfügbar sein. Statt Doppelgarnituren würden auf der Westbahn um 1 Ampz (First) und 3 Bmpz (Economy) erweiterte Garnituren auch ausreichen, vorausgesetzt technischer Möglichkeit. Um die Qualität zu sichern könnten Reisende ohne Platzkarte bei Überbesetzung bereits am Bahnsteig auf nachfolgende Züge verwiesen werden. Übervolle Railjets ab Salzburg Richtung Wien und nachfolgend schwach besetzte Intercitys sind keine Seltenheit. Schließlich kann man auch mit günstigeren Tarifen für bestimmte Züge an bestimmten Tagen Fahrgastfrequenzen steuern, wenn Reisende ansonsten nicht einsichtig sind. Es bleibt jedenfalls zu wünschen, dass der Railjet ein Erfolgszug wird. Ohne Korrekturen und Anpassungen wird es aber nicht gehen.

 

„Der Railjet verfügt über 3 Klassen in denen sie individuell betreut werden!“, sagt Chris Lohner in ihrer Ansage. Und genau das merkt man als Fahrgast der Economy-Class! Leider zum Nachteil, wie im Flugzeug eben!

Herbert Kröll, Wien

 

 

 

 

Der Railjet 160 vor der Abfahrt am Wiener Westbahnhof                   Foto: Herbert Kröll

 

 

 

In der Economy Class im Railjet                                                          Foto: Herbert Kröll

 

 

 

In der Economy Class im Railjet                                                          Foto: Herbert Kröll

 

 

 

Einer der zahlreichen Monitoren im Railjet                                         Foto: Herbert Kröll

 

 

 

Das Bord-Bistro im Railjet                                                                    Foto: Herbert Kröll

 

 

 

Das Bord-Bistro im Railjet                                                                    Foto: Herbert Kröll

 

 

 

Der  schöne  SBB-Speisewagen,  wie er  u.a.  auch im EC "Transalpin" zuletzt verkehrte

                                                                                                               Foto: Herbert Kröll