VAP-Verkehrsforum: Mehr Wettbewerb zwischen den Bahnen

Die Trennung von Infrastruktur und Betrieb sowie die vollständige Liberalisierung auch des Personenverkehrs sind das Ziel der Vertreter des Bahngüterverkehrs, die sich am internationalen Güterverkehrsforum des VAP in Zürich ausgetauscht haben. Als unumgänglichen Zwischenschritt der Bahnreform fordern sie eine unabhängige und neutrale Fahrplanplanung und insbesondere Netzentwicklung, die Vergabe von System relevanten Führungsfunktionen wie Stromversorgung, IT usw. auch an andere Transportunternehmungen als die SBB mit verbindlicher Auftragsdefinition. 

Bahngüterverkehr, ein System mit Zukunft                                    Foto: Marcel Manhart

 

 

„Firewalls“ zwischen Monopol- und Wettbewerbsbereichen ohne Quersubventionierungen sowie eine starke und unabhängige Aufsichts- und Rekursinstanz sollen die letzten systembedingten Monopole regulieren. Zur Beschleunigung der Lärmreduktion im Güterverkehr verlangt die Branche eine Rückerstattung des Lärmbonus‘ an die Wagenhalter statt an die Transportunternehmungen, die in diesem Zusammenhang keine Kosten zu tragen haben.

 

Der VAP vertritt ca. 300 Unternehmungen der verladenden Wirtschaft und Logistik der Schweiz, Deutschlands, Italiens, Polens, Österreichs und Frankreichs, welche Güter per Bahn, Lastwagen, Schiffen, Pipeline sowie in allen Kombinationsformen transportieren und dazu erhebliche Investitionen in Anschlussgleise, Terminals, Umschlagseinrichtungen, Lastwagen, Güterwagen und Traktionsmittel tätigen. Sie sind die Auftraggeber der Transporteure (Eisenbahnverkehrsunternehmen, Speditionsfirmen, Strassenfuhrhalter usw.) und somit die eigentlichen Akteure im Güterverkehr und in der Verlagerungspolitik.

 

Zum Auftakt des VAP-Güterverkehrsforums plädierte Bernard Guillelmon, CEO der BLS AG, Bern, vor den zahlreich anwesenden Vertretern aus Wirtschaft, Politik und Medien für bessere Rahmenbedingungen für ein wettbewerbsfähiges Bahnsystem. Als Einflussfaktoren stehen dabei die Regulierung, das Marktangebot, die Marktnachfrage und der Betrieb im Mittelpunkt. Als weitere wichtige Elemente nannte Guillelmon die Vorschläge der EU-Kommission im Rahmen des 4. Eisenbahnpaketes. Dazu gehörten namentlich die Einführung klarer und strenger Richtlinien zwischen Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnunternehmungen sowie die komplette Trennung von Infrastruktur und Betrieb ab dem Zeitpunkt der vollständigen Liberalisierung.

 

Auch die obligatorische Ausschreibung aller Verkehre sei eine wichtige Komponente für ein wettbewerbsfähiges Bahnsystem. Ziele seien unter anderem eine Verringerung der Verwaltungskosten für Eisenbahnunternehmungen sowie ein erleichterter Marktzugang für neue Unternehmen, so Guillelmon. In der Schweiz stehe derzeit die Organisation der Bahninfrastruktur zur Debatte. Ein fairer Wettbewerb im weiteren Sinne brauche zuerst faire Rahmenbedingungen. Guillelmon dezidiert: „Wettbewerb steht für höheren Innovationsgrad, mehr Auswahl, Effizienzsteigerung, Best Practice und bessere Kundenorientierung“. Sodann sei die Abgrenzung und Governance von Systemführerschaften klar zu regeln.

 

Der Bund dürfe dies nicht einfach an die SBB delegieren. Guillelmon wörtlich: „Systemführerschaften sollen grundsätzlich auch an andere Transportunternehmungen als die SBB vergeben werden können“. Systemführerschaften mit Diskriminierungspotential wie z.B. Fahrplanplanung, Netzentwicklung und Vertrieb seien an eine neutrale Stelle zu überführen. Voraussetzungen für ein effizientes Bahnsystem seien vor allem auch „firewalls“ oder „chinese walls“ zwischen Monopol- und Wettbewerbsbereichen wie Wagenladungs- und Ganzzugsverkehr und eine starke unabhängige Aufsichts- und Rekursinstanz, hielt Guillelmon unmissverständlich fest. Der Schienengüterverkehr benötige zwingend einen intramodalen Wettbewerb, d.h. den Wettbewerb zwischen den Bahnen. Nur so würden die Bahnen angespornt, innovative und kreative Ideen zu entwickeln.

 

Die Entwicklung im Transitverkehr sei die Bestätigung dafür, unterstrich Guillelmon. Wichtige Voraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb im Güterverkehr sei letztlich auch die Trassensicherung für den Güterverkehr (Verfügbarkeit von Slots) und die konsequente Umsetzung von Netznutzungsplänen und Netznutzungskonzepten, hielt Guillelmon abschliessend fest.

 

 

Bernhard Kunz, CEO Hupac SA, Chiasso, stellte seine Ausführungen in den grösseren Kontext von Chancen und Risiken für die Güterbahn in der Verkehrspolitik. Der Bahngüterverkehr und insbesondere der Kombinierte Verkehr sei ein System mit Zukunft. Voraussetzung für erfolgreiche EU-Güterverkehrskorridore seien indessen einheitliche Standards in den Bereichen Zuglänge, Zufahrtslinien, Rollmaterial, Zuggewicht und Traktionskonzept. Kunz plädierte für moderne Infrastrukturen statt Betriebssubventionen.

 

Mit der damit verbundenen Erhöhung der Produktivität (längere und schwerere Züge, geringere Steigungen und weniger Loks) könnten Subventionen kompensiert werden. Bis Ende Jahr solle ein verbindlicher Zeitplan für die Umsetzung der Ausbauten und Projekte vorliegen. Die Integration Strasse/Schiene über den Kombinierten Verkehr schaffe einen Mehrwert. Beim Strassenverkehr sei eine Verlagerung der Flotten nach Osteuropa festzustellen. Beim Kombinierten Verkehr hingegen bleibe das Trucking und damit die Wertschöpfung vor Ort, führte Kunz aus. Die verschiedenen Güterbahnen seien eine Folge der Marktöffnung. Der Trend gehe auch weg vom nationalen Monopol und hin zu einer Internationalisierung der Bahnen.

 

 

Eine vergleichende Darstellung der Sicherheit Schiene-Strasse samt Schlussfolgerungen hat am VAP-Verkehrsforum Eckart Lehmann, Präsident UIP, Baar, erläutert und sich dabei auf die von der „hwh – Gesellschaft für Transprt- und Unternehmensberatung“ für die UIP und den VPI (Deutschland) erstellte Studie bezogen. Für den Zeitraum 2006 bis 2012 wurde anhand verschiedener Untersuchungen und nationaler wie internationaler Statistiken ermittelt, dass die durchschnittliche Anzahl der aufgrund technischer Fahrzeugmängel tödlich verunglückten Personen im Schienengüterverkehr bei einem Wert von 0,0018 pro Mrd tkm und beim Gütertransport auf der Strasse zwischen 0,0032 und 0,1620 pro Mrd tkm liegt.

 

Der Schienengüterverkehr sei sicherer als die Strasse, wobei Null Prozent Risiko dauerhaft nicht erreichbar sei. Jede weitere Massnahme (auch regulatorisch) müsse sowohl von einem „risk and impact assessment“ wie auch von einer „Kosten-Nutzen-Analyse“ begleitet werden. Die Harmonisierung und Standardisierung der Instandhaltungsvorschriften würden von der Branche selbst weiter vorangetrieben. Unverhältnismässige und einseitige Massnahmen resultierten dagegen oft in Kostensteigerungen für den Schienengüterverkehr und stünden auch im Widerspruch zu den politischen Verlagerungszielen.

 

Piotr Rapacz, Single European Rail Area, DG Move der EU-Kommission, informierte die Teilnehmer des VAP-Verkehrsforums über den Stand der Dinge in Sachen Lärmreduktion in der EU beim Schienenverkehr. Ziel sei, die Anzahl der Menschen, welche unter Verkehrslärm litten, entscheidend zu reduzieren. Dazu seien bereits verschiedene Richtlinien der EU in Kraft. Die Wettbewerbsfähigkeit und Interoperabilität des Schienentransportes dürfe indessen nicht beeinträchtigt werden, ansonsten sich der auch von der Kommission gewünschte Verlagerungseffekt hin zur Schiene nicht realisieren lasse. Im Rahmen eines – noch nicht verabschiedeten – Förderprogramms der EU sollen maximal 20 Prozent den Kosten für die Umrüstung von Güterwagen, die noch mit Graugusssohlen ausgerüstet sind, zur Verfügung gestellt werden.

 

Life Cycle Costs und Lärmbekämpfung an der Infrastruktur. Diesem Thema widmete sich an der VAP-Veranstaltung Markus Hecht, Professor an der Technischen Universität Berlin. Allein vom Schienenlärm seien zum Beispiel in Deutschland 3,8 Mio. Menschen betroffen und in der Schweiz 0,2 Mio. Im Vergleich produziere aufgrund von Messungen im Massstab 1:1 ein nicht sanierter Güterzug mit Graugussbremssohle 90 dB(A) und ein sanierter Güterzug mit Verbundstoff-Bremssohle nur noch 79 dB(A). Am Fahrzeug könnten 10 bis 20 Dezibel weniger Lärm mit geringen Kosten erreicht werden, d.h. 1 bis 2 Prozent Mehrkosten bezogen auf den Gesamtpreis. An der Infrastruktur – so Hecht – könne alles Mehr an Lärm gegenüber glattem Schottergleis ebenfalls auf dieses Niveau reduziert werden und zwar namentlich auf Brücken, mit Riffelschleifen und schotterlosen Gleisbauarten.

 

Die sonst überall übliche Praxis, dass laute Bauteile akustisch definiert werden, müsse auch im Gleisbau endlich angewendet werden, betonte Hecht in seinen Ausführungen. Es könne nicht sein, dass die Lärmjustage im Gleisbau weiter vernachlässigt werde. Der Bauauftrag dürfe nicht nur den blossen Einbau beigestellten Materials umfassen. Laut Hecht fehlten Grenzwerte für Schienen und Schwellen völlig, obwohl ca. 70 Prozent des Lärms von Schiene und Schwelle kämen. Warten auf die EU helfe nicht, da Gleislärm kein Interoperabilitätsproblem sei, Radsatzlärm hingegen schon. Die EU verlange deshalb, dass die Mitgliedsstaaten beim Gleislärm selber aktiv würden.

 

 

Gilles Peterhans, Generalsekretär der International Union of Wagon Keepers (UIP), Brüssel, informierte die Vertreter der verladenden Wirtschaft, Politik und Medien, über den aktuellen Stand der Lärmsanierung durch die Güterwagenhalter auf europäische Ebene. Die Wagenhalter seien nach wie vor bereit und würden sich auch zur Lärmminderung an der Quelle verpflichten, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Dazu gehörten ein EU-weites harmonisiertes Anreizsystem bei dem die auf leise Bremstechnologien umgerüsteten Wagen förderungsberechtigt sind und dies unabhängig von ihrem Registrierungsland. Diskriminierungen und Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der Single European Railway Area müssten vermieden werden.

 

Der Verlust an Wettbewerbsfähigkeit durch umrüstungsbedingte betriebliche Mehrkosten müsse kompensiert werden und angemessene Laufzeiten für die tatsächliche Umrüstung (inkl. einheitlichem Verbotsdatum für mit Graugusssohlen ausgerüstete Güterwagen) seien zu definieren. Eine günstige Low-Noise-Technologie um umzurüsten sei vorhanden, unterstrich Peterhans in Zürich. Die Wagenhalter benötigten indessen einen einheitlichen Rechtsrahmen für die Geltendmachung von Ansprüchen auf Fördergelder auf EU und nationaler Ebene.

 

 

Eine interessierte Zuhörerschaft folgte auch den Ausführungen von Philipp Müller, Vorstandsmitglied des VAP, der über die Rückerstattung des Lärmbonus in der Schweiz sprach. Der speziellen Situation im Güterverkehr sei bei der letzten Trassenpreisrevision ungenügend Rechnung getragen worden.

 

Die schlechte Qualität der Trasse (für Güterzüge ohne Priorität) und das Verkehrsaufkommen (tiefere Preise in Randzeiten) würden bei der Trassenpreisberechnung ungenügend berücksichtigt. Immerhin sei der Rabatt für lärmsanierte Güterzüge deutlich erhöht und differenziert worden. Allerdings werde seither auch ein spezieller Zuschlag für Güterzüge mit Gefahrgut (nicht für Lastwagen mit Gefahrgut) erhoben, um spezielle Sicherheitsmassnahmen zu decken. Der Gefahrgutzuschlag werde leider auch für Leertransporte (!) von Gefahrgutwagen erhoben. Spezielle Sicherheitsmassnahmen wie Heisslaufortungsanlagen und Entgleisungsdetektoren seien von den Verladern mit Einnahmen aus dem Gefahrgutfonds in der Vergangenheit schon einmal bezahlt worden. Und die Kosten für die Betriebswehrdienste sollten allen Netznutzern angelastet werden, nicht nur dem Schienengüterverkehr.

 

Die Erhöhung des Lärmbonus per 1. Januar 2013 fördere den Anreiz zur Umrüstung und trage den erhöhten Betriebskosten (im Vergleich zur Graugusssohle) der Wagenhalter Rechnung, legte Müller dar. Der Lärmbonus werde aber den Eisenbahnunternehmungen ausgerichtet, was falsch sei. Müller dazu wörtlich: „Die erhöhten Betriebskosten für die lärmsanierten Wagen fallen beim Wagenhalter an und sollten deshalb auch von diesem beansprucht werden können, was aber nicht der Fall ist“. Vielmehr würden die Eisenbahnunternehmungen teilweise – so Müller – die Auskunft über die Fahrleistungen der Güterwagen verweigern und beanspruchten den Lärmbonus für sich selbst.

 

Die Weiterleitung des Bonus von den Eisenbahnunternehmungen an den Wagenhalter werde von den EVU’s teilweise mit Gebühren belastet. Die anspruchsberechtigten Wagenhalter könnten in solchen Fällen den Lärmbonus weder beim Eisenbahnunternehmen einfordern noch nachvollziehen. Müller: „So verfehlt der Bonus die gewünschte Anreizwirkung“. Das Bundesamt für Verkehr müsse deshalb diesen Missständen Rechnung tragen, das Ausrichtungssystem ändern und den Lärmbonus inskünftig den Wagenhaltern ausbezahlen. Damit könne auch ein Anreizsystem für rasche Umrüstung der ausländischen Wagen geschaffen werden. Das Bundesamt für Verkehr BAV – so Müller – stelle sich hingegen auf den Standpunkt, dass das Eisenbahngesetz kein direktes Rechtsverhältnis zwischen BAV und Wagenhalter ermögliche. Zudem sei der Lärmbonus Bestandteil des Trassenpreises, der mit den EVU’s abgerechnet werde. Das BAV wolle nun aber die Wagenhalter bei der Beschaffung bzw. Überprüfung der wagenbezogenen Informationen, welche den Wagenhaltern von den EVU’s zustehen, unterstützen.