Seit 10 Jahren besteht die fusionierte Südostbahn, seit 20 Jahren verkehrt der Voralpen- Express. Die stetig steigenden Frequenzen zwingen nun die SOB, die Kapazität nachhaltig zu erhöhen, was eine aufwändige Evaluation erforderte.
Voralpen-Express mit Panoramafenster in der 1. Klasse Foto: Marcel Manhart
«VAE» - in der weiten Welt ist dies das Kürzel für Vereinigte Arabische Emirate. In der Schweizer Bahnwelt ist damit der Voralpen- Express gemeint, die direkte Bahnverbindung von Romanshorn nach
Luzern, ist ein Unikum auf dem Schweizer Normalspurnetz: Es ist der einzige Zug mit speziellem Namen und Wagenmaterial; die glanzvollen «Namenszüge» wie Rhone-Isar, Gottardo oder Transalpin sind
ja längst passé. Auch gibt es kaum einen Zug, der eine so heterogene Kundschaft bedient von Schülern über Städtependler bis zu Touristen.
Steile Strecken und wenig Geld
Entsprechend komplex ist die Evaluation zur dringend nötigen Erweiterung und Erneuerung des Voralpen-Express: Die grösste Herausforderung ist die seit Jahren ungenügende Kapazität, insbesondere
zwischen St. Gallen und Rapperswil. Wegen der 50-Promille-Steilrampen auf der ursprünglichen SOB-Strecke können aber die Fünf-Wagen-Stammkompositionen nicht einfach verlängert werden. Vielmehr
muss mit Verstärkungswagen operiert werden - was einmal einen Rangieraufwand bedingt, bei Benötigung über den Südabschnitt sogar eine Schiebelok.Die andere grosse Einschränkung kommt von
finanzieller Seite: Weil die vor einem Jahrzehnt komplett erneuerten «Revvivo»- Wagen noch nicht abgeschrieben sind (und auch noch tadellos im Schuss sind), können die SOB-Kantone die Kassen noch
nicht für neue Züge öffnen.
Mit Kreativität Optimum erzielt
Mit dem Amtrittsantritt vor Jahresfrist wollte der neue SOB-Direktor Thomas Küchler dieses dringende Projekt forciert angehen. Weil die einfachste Lösung, die Beschaffung neuer Züge, im Moment
nicht machbar ist, waren kreative Übergangslösungen gefragt. Etwa für die Südrampe: Da klar ist, dass für jegliche Verstärkung ein zweites Triebfahrzeug benötigt wird, die vorhandenen Lokomotiven
dafür aber nicht ausreichen, soll auf vier erst 15- jährige Triebwagen der früheren Südostbahn zurückgegriffen werden, die dafür im Regionalverkehr einen vorzeitigen Ersatz durch weitere drei
Flirts ermöglichen. Die Evaluation löste diesen Herbst bei den vier Bestellerkantonen (LU, SZ, SG, AR) grössere Diskussionen aus. Auf sanften Druck des Bundesamtes für Verkehr kam aber doch noch
vor Ende Jahr eine Einigung zustande, die erst noch eine Verkürzung der Übergangszeit brachte: Statt wie vorgesehen erst im Zeitraum 2021/23 soll die Beschaffung neuer Züge bereits auf 2017/19
vorgezogen werden. Dazu führten primär finanzielle Überlegungen: Mit der Perspektive eines nur noch halb so langen Resteinsatzes können die vorgesehenen Revisionen und technischen Anpassungen
minimiert werden, so dass die budgetierten Investitionskosten dieses VAE-Refits von 60 bis 70 Millionen Franken deutlich geringer ausfallen werden. Dazu kommen tiefere Betriebskosten: Für die
verkürzte Zeitspanne dürften die erweiterten Stammkompositionen kapazitätsmässig genügen, so dass sowohl auf die Option Verstärkungsmodul wie Halbstundentakt vorerst verzichtet werden kann.
Welcher Zug soll es sein?
Für den Kunden hat der gefundene Konsens allerdings den Nachteil, dass die Ergänzungswagen nicht wie ursprünglich vorgesehen auf das höhere Komfort- und Interieurniveau der bestehenden VAE-Wagen
gebracht werden; damit wird es im VAE mindestens noch sieben Jahre lang weiterhin unklimatisierte Waggons geben. Direktor Küchler hingegen ist froh, dass nun in aller Ruhe die Evaluation dieser
nächsten VAE-Generation angegangen werden kann. Für ihn ist klar, dass es, wenn immer möglich, wieder ein eigenständiger Wurf sein soll das sei man dem VAE als Gütezeichen und Touristenzug
schuldig. Möglicherweise könnte die Aussicht auf eine umfangreichere Bestellung als nur die VAE-Ablösung die Industrie zur Entwicklung eines ganz neuen Zuges veranlassen: Die SOB sondiert auch
eine Streckenerweiterung.
Fakten zum VAE
Der Voralpen-Express (VAE) und seine Vorläufer haben eine lange Tradition: Bereits 1926 verkehrten die ersten direkten Wagen von Arth-Goldau nach Romanshorn, ab 1947 wurden unter dem Namen
«Direkte Linie» von der Nordostschweiz in die Zentralschweiz durchgehende Züge ab Luzern angeboten, bis zu Beginn des Taktfahrplans 1982 sogar mit Buffetwagen. 1991 wurde der VAE aus der Taufe
gehoben; als Rollmaterial waren provisorisch Einheitswagen IV eingesetzt. 1999 gründeten die drei Betreiber BT, SOB und SBB die einfache Gesellschaft Voralpen-Express, um eine spezielle Flotte zu
beschaffen (Revvivo: komplett modernisierte Einheitswagen I) und den Zug aktiv zu vermarkten. Ursprünglich waren die drei Bahnunternehmen je zu einem Drittel beteiligt; seit der Fusion von BT und
SOB hält die Schweizerische Südostbahn AG zwei Drittel, und ab 2013 ist vorgesehen, dass sie auch noch den SBB-Anteil übernimmt.
· Streckenlänge VAE Luzern - Romanshorn: 146,4 km
(Arth-Goldau- Rapperswil und Wattwil - Romanshorn: SOB, Rest SBB).
· 15 Verbindungen in jede Richtung
· Tägliche Passagiere: 12 500.· Frequenzzunahme seit 1999: 24 Prozent.
Halbstundentakt
Aus Sicht der Kunden am Obersee ist schade, dass nicht die Variante 3 mit einem Halbstundentakt auf dem Abschnitt Rapperswil-St. Gallen zum Zuge kommt: Da sie mit ohnehin überzähligen
Pendelzug-Einheiten realisiert würde, wäre sie eine elegante, kostengünstige und kundendienliche Lösung gewesen. Bei den kostenbewussten Überlegungen des Kantons St. Gallen hat mitgespielt, dass
der Halbstundentakt mit der ersten Teilergänzung der S-Bahn voraussichtlich ab 2018 sowieso realisiert wird zwar nicht als Schnellzug, sondern als Verlängerung der ab 2013 verkehrenden S4 (der
neue Ringzug um den Kanton) von Uznach nach Rapperswil, die aber nur wenige Minuten mehr braucht.