Für die kantonalen Wahlen in Zürich und Luzern vom April gestattet die SBB versuchsweise Wahlwerbung an kleineren Bahnhöfen. Die vier grossen Parteien FDP, SVP, SP und CVP sind dennoch unzufrieden.
Bald schon darf hier an der Plakatwand am Bahnhof Zürich Enge auch Wahlwerbung hängen Foto: Marcel Manhart
Die grossen vier Parteien FDP, SVP, SP und CVP wären gerne mittendrin, wenn zu Stosszeiten Tausende Passagiere durch die Bahnhöfe hetzen. Mit Flyeraktionen, Gipfeli und Gesprächen würden sie die
Pendler gerne von ihren Wahlzielen und Anliegen überzeugen.
«Wir würden niemandem im Weg stehen», sagte FDP-Generalsekretär Stefan Brupbacher auf Anfrage der SDA. Man wolle die Leute ja nicht verärgern, schliesslich brauche man ihre Stimme. Bis jetzt
machte die SBB den Parteien aber immer einen Strich durch die Rechnung: Wahlwerbung war nur auf Plakaten erlaubt, nicht aber in Form von Aktionen.
Nicht an Railcity-Standorten erlaubt
Dies soll nun versuchsweise anders werden. Brupbacher bestätigte einen Artikel von «Aargauer Zeitung» und «Südostschweiz», gemäss dem die SBB die Wahlwerbung an Bahnhöfen erlaubt. Die grossen
vier Parteien hatten der SBB einen Brief geschrieben und darin um diese Möglichkeit gebeten.
Die SBB startet nun einen Versuch für die kantonalen Wahlen in Luzern und Zürich im April und will danach entscheiden, ob die Parteien auch vor den nationalen Wahlen im Herbst werben dürfen.
Erlaubt ist die Wahlwerbung vorläufig nur an kleineren Standorten - nicht aber an den Railcity-Standorten Zürich, Winterthur und Luzern.
FDP: Zu teuer, zu bürokratisch
Ob die Parteien von der Möglichkeit Gebrauch machen, ist gemäss Brupbacher aber unklar. Man sei zwar froh darüber, dass die SBB den Versuch gestatte. Das ganze sei aber viel zu teuer und zu
bürokratisch. «Ich glaube nicht, dass eine Partei da mitmacht.» Grösstes Problem sei, dass man mehrere Wochen im Voraus einen Antrag stellen müsse. «Wahlwerbung wird aber oft spontan
organisiert.» Zudem will die SBB für die Bahnhofbenutzung Geld. Die Tarife entsprechen etwa jenen von Non-Profit-Organisation.
Für Brupbacher stehen diese Kosten im Widerspruch zum politischen Milizsystem der Schweiz, das auf Information angewiesen sei. Ausserdem seien Non-Profit-Organisationen finanziell meist besser
aufgestellt als die «finanziell gebeutelten Parteien». Brupbacher fordert nun von der SBB, dass diese ihre «chinesische Mauer» abbaue. «Wenn die SBB Geld von der Politik will, werden wir ja auch
bestürmt.» Man hoffe deshalb, dass die SBB den Parteien entgegenkomme und eine unbürokratischere Lösung präsentiere.
«Jede Gemeinde in der Schweiz ist unbürokratischer»
Die SBB sei den Parteien eigentlich schon genug entgegengekommen, findet SBB-Sprecher Reto Kormann. Natürlich könne man gerne noch einmal über den Versuch diskutieren. Die Zeit für die Parteien
werde dann aber immer knapper.
Sowohl die Vorlaufzeit von einigen Wochen als auch die Tarife seien üblich und würden auch für andere Interessenten gelten. Man sehe als politisch neutrales Unternehmen keinen Grund, den Parteien
in einem besonderen Mass entgegenzukommen.
Für den FDP-Generalsekretär Brupbacher ist Wahlwerbung mit keinem Partner so schwierig wie mit der SBB. «Jede Gemeinde in der Schweiz ist unbürokratischer». Welche Aktionen man wo machen dürfe,
sei zwar von Ort zu Ort verschieden, doch die Gemeinden würden immerhin kein Geld dafür verlangen - höchstens eine Schreibgebühr.