Bundesrat will Finanzierung der Bahn-Infrastruktur langfristig sichern

Zur langfristigen Finanzierung der Bahninfrastruktur schlägt der Bundesrat vor, einen Bahninfrastrukturfonds (BIF) zu schaffen. Daraus sollen sowohl Betrieb und Unterhalt des bestehenden Schienennetzes, als auch der schrittweise Ausbau finanziert werden (Bahn 2030). Die Vorlage wird dem Parlament im Rahmen eines direkten Gegenentwurfs zur Volksinitiative „Für den öffentlichen Verkehr“ unterbreitet. Darauf hat sich der Bundesrat geeinigt. Er hat dem UVEK den Auftrag gegeben, eine Vernehmlassungsvorlage zu erarbeiten.

Die Finanzierung der Bahninfrastruktur ist mittel- und langfristig nicht gesichert. Die heute zur Verfügung stehenden Mittel genügen nicht für Betrieb, Unterhalt und Ausbau des Netzes. Im Rahmen eines Netzaudits der SBB sowie einer unabhängigen Zweitmeinung des Bundesamtes für Verkehr (BAV) wurde für den Unterhalt ein jährlicher Mehrbedarf in dreistelliger Millionenhöhe ermittelt. Aufgrund der hohen Auslastung des bestehenden Netzes und der sich abzeichnenden Nachfragesteigerung ist auch ein weiterer Ausbau angezeigt. Das Parlament hat dem Bundesrat hierzu bereits 2009 im Rahmen des Gesetzes zur zukünftigen Entwicklung der Bahninfrastruktur (ZEB) einen entsprechenden Auftrag gegeben.

Im Rahmen einer Aussprache zur Stossrichtung der Finanzierung hat der Bundesrat entschieden, einen neuen, unbefristeten Bahninfrastrukturfonds (BIF) zu schaffen. Aus dem Fonds sollen Betrieb, Unterhalt und Ausbau der Bahn finanziert werden. Der Bundesrat empfiehlt dem Parlament gleichzeitig, die Volksinitiative „Für den öffentlichen Verkehr“ des Verkehrsclubs der Schweiz (VCS) abzulehnen und ihr einen direkten Gegenentwurf entgegenzustellen, der Finanzierung und Ausbau sicherstellt. Die in der Initiative vorgeschlagene Umverteilung der Mineralölsteuer-Erträge vom Strassen- in den Schienenverkehr würde das Finanzierungsproblem des öffentlichen Verkehrs lediglich in den Strassenbereich verlagern. Zudem besteht bei der Initiative ein beträchtlicher Interpretationsspielraum.


Mitteilung UVEK

Auch der Unterhalt muss sichergestellt sein                                  Foto: Marcel Manhart

 

1. Bahninfrastrukturfonds BIF
Aus dem Bahninfrastrukturfonds sollen die Ausgaben für Betrieb, Unterhalt und Ausbau der Bahn gespiesen werden. Er soll den heutigen, befristeten FinöV-Fonds, die Mittel aus der Bundeskasse für die Leistungsvereinbarungen mit SBB und Privatbahnen sowie zusätzliche zweckgebundene Einnahmen umfassen. Die Nutzer der Bahninfrastruktur – Passagiere und Bahnunternehmen – sollen sich künftig stärker an der Finanzierung beteiligen. Der Bundesrat sieht vor, die Trassenpreise (Preis für das Recht zur Benutzung eines Schienenabschnitts) schrittweise zu erhöhen. Dies würde die Billette und Abonnemente im öffentlichen Verkehr über die nächsten Jahre schrittweise um rund 10 Prozent verteuern – allerdings nicht pauschal, sondern differenziert mit dem Ziel, die Verkehrsspitzen zu glätten.

Weiter soll bei der direkten Bundessteuer der maximale Abzug für Fahrkosten auf die Höhe eines öV-Abonnements für Agglomerationen reduziert werden. Damit ist künftig nur noch das Pendeln innerhalb von Agglomerationen steuerlich abzugsfähig und der steuerliche Anreiz zum Pendeln über lange Distanzen würde abgebaut. Von kürzeren Fahrten profitieren alle, nicht zuletzt die Umwelt und die Raumentwicklung. Auch werden damit Pendlerinnen im öffentlichen Verkehr mit den Autofahrern steuerlich gleichgestellt.

Die Trassenpreiserhöhung soll dem BIF jährliche Einnahmen von rund 300 Millionen Franken verschaffen, die Reduktion des Fahrkostenabzugs weitere 250 Millionen. Schliesslich sollen sich die Kantone mit jährlich zusätzlichen 300 Millionen Franken an der Bahninfrastruktur-Finanzierung beteiligen.

2. Weitere Ausbauschritte (Bahn 2030)
Im Rahmen des Gegenentwurfs schlägt der Bundesrat auch ein Gesamtkonzept zur langfristigen Entwicklung des Angebots und der Infrastruktur vor. Realisiert werden soll das Konzept in einzelnen Ausbauschritten, die dem Parlament alle vier bis acht Jahre vorgelegt werden sollen. Gemeinsam mit dem Gesamtkonzept soll im Rahmen des Gegenentwurfs das erste Teilpaket vorgelegt werden. Dieses umfasst konkrete Bauprojekte im Umfang von 3,5 Milliarden Franken, die prioritär Verbesserungen innerhalb der Ballungsräume bringen: Konkret geplant sind zum Beispiel lange Doppelstockzüge auf der Ost-West-Achse via Bern, um die nachfragestarken Streckenabschnitte Genf-Lausanne und Bern-Zürich-Winterthur zu entlasten, diverse Ausbauten in den Bahnknoten Lausanne, Bern und Basel sowie Halbstundentakte zwischen Bern und Luzern, Zürich und Chur sowie Locarno und Lugano. Auch Verbesserungen bei den Privatbahnen, im Bereich Zugang zur Bahn in verschiedenen Bahnhöfen und im Schienengüterverkehr sind im ersten Teilpaket vorgesehen.

Die Ausbauten des ersten Teilpaketes sollen bis zum Jahr 2025 realisiert werden. Sie erfolgen parallel zu den laufenden und geplanten Arbeiten im Rahmen der NEAT, der Infrastrukturfondsprojekte und des Projektes ZEB (Zukünftigen Entwicklung der Bahninfrastruktur). Damit investiert der Bund weiterhin in beträchtlichem Ausmass in die Bahninfrastruktur. Weitere Angaben zum Gesamtkonzept und zum ersten Ausbauschritt von Bahn 2030 folgen bei der Eröffnung der Vernehmlassung im Frühjahr 2011.

Weiteres Vorgehen
Der Bundesrat hat das UVEK beauftragt, ihm bis im Frühling dieses Jahres eine Vernehmlassungsvorlage zu unterbreiten. Anfang 2012 wird der Bundesrat die Botschaft zuhanden des Parlaments verabschieden.

Wichtiger Schritt für die Weiterentwicklung der Bahn

Die SBB begrüsst die Absicht des Bundesrates, die Finanzierung der Bahninfrastruktur durch die Schaffung eines umfassenden Bahninfrastrukturfonds neu zu gestalten und den weiteren Ausbau der Bahninfrastruktur etappenweise umzusetzen. Dieses neue System muss sicherstellen, dass der finanzielle Bedarf sowohl für den Betrieb und Unterhalt als auch für den Ausbau der Bahninfrastruktur langfristig abgedeckt ist. Die Weiterentwicklung des öffentlichen Verkehrs ist zentral für die Lebensqualität, die wirtschaftliche Prosperität und den sozialen Zusammenhalt unseres Landes.

Die Schweiz verfügt heute über eines der besten und leistungsfähigsten öffentlichen Verkehrssysteme der Welt. Dieses Infrastrukturnetz leistet einen entscheidenden Beitrag zur Sicherung des Wohlstandes und der Chancengleichheit aller Menschen, die in unserem Land leben. Um diesen wichtigen Standortvorteil vor dem Hintergrund stetig steigender Mobilitätsbedürfnisse zu wahren, muss die Bahninfrastruktur in den nächsten Jahren und Jahrzehnten bedarfsgerecht weiterentwickelt werden. Die Finanzierung der Bahninfrastruktur ist gegenwärtig nicht gesichert, wie die SBB mit ihrem Netzaudit aufgezeigt hat. Sowohl beim Betrieb und Unterhalt als auch beim Ausbau übersteigt der künftige Mittelbedarf die aus heutiger Sicht verfügbaren Mittel deutlich. Eine Neuordnung des Finanzierungssystems ist daher unumgänglich. Die SBB ist dankbar, dass der Bundesrat dieses Thema nun aufgenommen hat.

Die SBB begrüsst deshalb den Plan des Bundesrates, einen umfassenden und unbefristeten Bahninfrastrukturfonds anstelle des heutigen FinöV-Fonds einzurichten. Dieses neue System sollte sicherstellen, dass der finanzielle Bedarf für den Substanzerhalt und die Weiterentwicklung der Bahninfrastruktur langfristig gedeckt ist. Zudem müssen die Regeln für die Steuerung dieses Fonds klar und transparent sein. Für die SBB ist weiter entscheidend, dass sie beim Einsatz der finanziellen Mittel auch weiterhin über einen unternehmerischen Handlungsspielraum verfügt. Nur so können Anreize zu Effizienzsteigerungen geschaffen werden.

Die SBB unterstützt das geplante etappenweise Vorgehen beim weiteren Ausbau der Bahninfrastruktur (Bahn 2030). Dieser Ausbau ist nach klaren Priorisierungskriterien zu planen und umzusetzen. Die ausgewählten Projekte müssen neben einem optimalen Nutzen-Kosten-Verhältnis vor allem das Sitzplatzangebot spürbar verbessern und die wichtigsten Engpässe beheben. So ist für die SBB eine Angebotsverbesserung auf der stark belasteten Ost-West-Achse durch eine Erweiterung der Kapazität zwischen Olten und Zürich im Kanton Aargau vordringlich und sollte nicht länger aufgeschoben werden.

Auch während den Unterhaltsarbeiten rollt der Zugverkehr           Foto: Marcel Manhart

Der Verband öffentlicher Verkehr VöV begrüsst den am 20. Januar 2011 vom Bundesrat vorgestellten direkten Gegenvorschlag zur VCS-Initiative zur Finanzierung der Bahninfrastruktur. In mehreren Punkten schlägt der VöV aber Verbesserungen vor. Zudem regt der VöV an, den FinöV-Fonds vor seiner Überführung in den neuen Fonds ganz oder teilweise zu entschulden.

 

Der VöV begrüsst, dass die Vorschläge des Bundesrates zu Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur über einen neu zeitlich unbefristeten Bahninfrastrukturfonds erfolgen soll und dass damit ein direkter Gegenvorschlag zur VCS-Initiative existiert. Einen Grossteil der vom Bundesrat vorgeschlagenen Lösungen hat der VöV Anfang 2010 in seiner Broschüre «Mobilitätsszenarien für die Schweiz 2030» entwickelt und bewertet. Der VöV unterstützt auch die Idee von zeitlich etappierten Teilpaketen sowie den Vorschlag, dass mit dem neuen Fonds auch Investitionen, Unterhalt sowie Substanzerhalt der Bahninfrastruktur finanziert werden sollen.

 

Der VöV hat jedoch zu drei Punkten der bundesrätlichen Ideen substanzielle Verbesserungsvorschläge:

  • Der VöV hat Vorbehalte gegenüber dem bundesrätlichen Weg, zur Entlastung des Bundes die Bahnreisenden über Trassenpreiserhöhungen stärker an der Infrastruktur-Finanzierung zu beteiligen. Denn die öV-Reisenden werden zur Finanzierung der Angebotsentwicklung und einer höheren Kundensicherheit in Zukunft ohnehin mehr beitragen. Es ist jetzt an der Zeit, das Konzept des umfassenden «Mobility Pricing» voranzutreiben.
  • Es muss geprüft werden, ob der bestehende FinöV-Fonds vor seiner Überführung teilweise oder ganz entschuldet werden kann. Damit wird der neue Bahninfrastruktur-fonds von Altlasten befreit, die Mittel stehen schneller zur Verfügung und seine Wirksamkeit wird somit erhöht.
  • Der VöV stellt sich die Frage, ob es richtig ist, den Kantonen jährliche Mehrbelastungen von 300 Mio. Franken aufzubürden und damit die übrigen Leistungen der Kantone für den öV möglicherweise zu gefährden.

Der VCS Verkehrs-Club der Schweiz ist erfreut darüber, dass der Bundesrat das schweizerische Schienennetz umfassend ausbauen will. Dieser Erfolg ist nicht zuletzt der Initiative «Für den öffentlichen Verkehr» zu verdanken. Vorbehalte hat der VCS gegenüber der geplanten Erhöhung der Billettpreise für den öffentlichen Verkehr.

Der VCS hat mit seiner Initiative «Für den öffentlichen Verkehr» einen ersten Erfolg erzielt: Der Bundesrat spricht sich für einen umfassenden Ausbau der Bahn aus. Zusammen mit seinen Partnern ist es dem VCS gelungen, die Landesregierung davon zu überzeugen, namhafte Investitionen in die Bahn zu tätigen.

Sehr erfreulich ist ausserdem, dass der Bundesrat den Finöv-Fonds dauerhaft weiterführen und mit zusätzlichen Geldern speisen will. Dies sichert den langfristigen Ausbau des Bahnnetzes. Positiv wertet der VCS, dass der Bundesrat zu diesem Zweck die Steuerabzüge für Pendelnde reduzieren will.

Die Erweiterung des Schienennetzes muss jedoch rascher erfolgen als geplant. Es genügt nicht, wenn ein erster Ausbau für 3,5 Milliarden erst bis 2025 erfolgen soll. Auf vielen Strecken herrschen bereits heute grosse Kapazitätsprobleme. Sie werden sich sehr bald weiter verschärfen. Die Bahn darf nicht an ihrem eigenen Erfolg ersticken.

Bahnkunden nicht schröpfen
Problematisch ist aber die geplante starke Erhöhung der Trassenpreise. Die Verkehrsbetriebe müssten diese auf die Bahnfahrenden überwälzen. Die Tarife stiegen dadurch um durchschnittlich 10 Prozent. Hinzu kommt, dass SBB-Chef Andreas Meyer zusätzliche Preiserhöhungen angekündigt hat. Es besteht deshalb die Gefahr, dass die Pendelnden mit Bahn und Bus zu sehr zur Kasse gebeten werden und wieder vermehrt aufs Auto umsteigen. Um einer Rückverlagerung auf das Auto entgegen zu wirken, müssen zudem die geplanten Erhöhungen der Autobahnvignette und der Treibstoffsteuer zwingend gleichzeitig wie die Tariferhöhungen im öffentlichen Verkehr erfolgen. Problematisch ist auch, dass die Kantone den neuen Bahninfrastrukturfonds mitäufnen sollen. Damit würden Bundesaufgaben an die Kantone delegiert.

Keine Alternative zur VCS-Initiative
Eine Alternative zur Initiative «Für den öffentlichen Verkehr» stellt der bundesrätliche Gegenvorschlag insgesamt nicht dar. Die Initiative legt die Grundlagen für einen raschen und umfassenden Ausbau des Schienennetzes – und dies ohne zusätzliche Steuern und Abgaben sowie ohne Aufschläge auf den Billetten. Indem sie die Einnahmen aus der Treibstoffsteuer hälftig der Bahn und der Strasse zukommen lässt, schafft sie die Voraussetzungen für eine wirklich umweltgerechte Verkehrspolitik.

 

Der Bundesrat informierte gestern an einer Medienkonferenz über die Strategie zur Sicherung der langfristigen Finanzierung der Bahninfrastruktur. Er beauftragte das zuständige Departement mit der Ausarbeitung einer Vernehmlassungsvorlage für die Bahn 2030. In den gestern präsentierten Entwürfen ist der integrale Halbstundentakt zwischen Zürich und Chur in erster Priorität vorgesehen. Der Kanton St.Gallen zeigt sich darüber erfreut und begrüsst die Stossrichtung des Bundesrates.

Die Regierungen und Bundesparlamentarier der Kantone St.Gallen und Graubünden setzen sich seit Jahren für einen Halbstundentakt zwischen Zürich und Chur ein. Diese Verbindung ist eine wichtige Voraussetzung für eine gute Anbindung der Südostschweiz an Zürich. Überdies ist der Halbstundentakt zwischen Zürich und Chur Grundlage für eine verbesserte Erschliessung des Rheintals mit einer halbstündlichen Intercity-Verbindung ab Sargans.

Der Kanton St.Gallen ist erfreut darüber, dass die Bedürfnisse der Ostschweiz in Bern wahrgenommen werden. Er sieht der Vernehmlassung zum Projekt Bahn 2030 im Frühjahr 2011 gespannt entgegen und erhofft sich von der längerfristigen Entwicklung der Bahninfrastruktur positive Impulse für die Südostschweiz und das Rheintal. Die Bundesversammlung hatte den Bundesrat im März 2009 zusammen mit der Verabschiedung des Gesetzes über die Zukünftige Entwicklung der Bahninfrastruktur (ZEB) verpflichtet, den Intercity-Halbstundentakt zwischen Zürich und Chur für die Folgebotschaft Bahn 2030 zu prüfen.

 

 

 

 

 

Bericht SF "10vor10" vom 20. Januar 2011