Seit dem Unglück von Kaprun sind heute 10 Jahre vergangen

In Kaprun im österreichischen Bundesland Salzburg findet im Gedenken an die Opfer des Seilbahnunglücks vom 11. November 2000 heute Donnerstag um 9.00 Uhr eine ökumenische Feier bei der Gedenkstätte (im Freien) an der Talstation der Gletscherbahn statt. Die Gedenkfeier findet in Anwesenheit von Vertretern der Angehörigen, Bundeskanzler Werner Faymann, Landeshauptfrau Mag. Gabi Burgstaller und Bürgermeister Ing. Norbert Karlsböck statt.

Die Gedenkstätte gegenüber der Talstation                       Quelle: www.kitzsteinhorn.at

 

Die Brandkatastrophe der Gletscherbahn Kaprun am 11. November 2000, bei der insgesamt 155 Menschen ums Leben kamen, ist bis dato die grösste Katastrophe

der 2. Republik. In Gedenken an die Opfer wurde die Gedenkstätte errichtet.

Am 11. November 2004 nahmen rund 300 Angehörige an der Einweihung einer Gedenkstätte für die Opfer der Seilbahnkatastrophe gegenüber der Talstation teil.

 

                                                                                                  Quelle: Salzburg WIKI

 

Die Gedenkstätte

Kernstück des grossen, zeitlosen Baus aus schlichtem Beton sind 155 verschiedenfarbige vertikale Glaslamellen. Jede trägt Namen und Geburtsdatum eines Opfers. Die Farbe der Lamellen ergab sich nach dem Prinzip des Feng Shui (chinesische Harmonielehre). Feng Shui steht mit den Energien der fünf Elemente Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser in Beziehung. Kapruns Bürgermeister Norbert Karlsböck: "Nach dem chinesischen Horoskop wird jedem Geburtsjahr ein Element zugewiesen. Aus dem Geburtsdatum der einzelnen Opfer ergab sich die Zuweisung der jeweiligen Farbe." 

Die Planung stammt vom Architekten Anton Michael aus Rimsting im Chiemgau. Seine Idee wurde in einem langen Entscheidungsprozess von einer Arbeitsgruppe aus 25 Vorschlägen herausgefiltert. Zehn Entwürfe blieben übrig, daraus wurden fünf Projekte entwickelt. 400 Hinterbliebene aus acht Nationen nahmen schließlich an einer aufwändigen Abstimmung per Internet teil. Karlsböck: "85,6 Prozent stimmten für das Projekt von Anton Michael." 

Die Schmalseite im Westen birgt eine kleine Fensteröffnung, welche einen Sichtbezug aus dem Gebäude zur Rampe und Tunneleinfahrt der Unglücksstelle herstellt. Der einfache, schmale Kubus steht auf einem durch niedrige Sitzmauern eingefassten Vorplatz. 

Anton Michael über sein Projekt der Gedenkstätte in Kaprun: "Das Gebäude ist so konzipiert, dass es sich ohne wesentliche Veränderung der Topographie in das Hanggrundstück einfügt und eine barrierefreie Erschließung gesichert ist. Der Entwurf ist zeitlos streng, mit den Mitteln des Minimalismus angedacht, um einen Ort der inneren Einkehr zu schaffen. Der Raum schöpft seine Kraft aus der Reduktion. Auf eine Dachform wird bewusst verzichtet, um das Gebäude von der bekannten Formensprache der Skihütten, Schneebars und Bahnstationen abzugrenzen."

 

 

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Betroffenheit. Günther Brennsteiner ist Betriebsleiter der Gletscherbahnen Kaprun. Die SN sprachen mit ihm über den Jahrestag der Brandkatastrophe.

SN: Wie werden Sie den zehnten Jahrestag verbringen?

Brennsteiner: Es gibt eine Gedenkfeier an der Talstation, wie die letzten neun Jahre auch. Es wird den Angehörigen die Möglichkeit geboten, verlorener Familienmitglieder, Freunde und Arbeitskollegen zu gedenken. Für mich selbst ist das immer ein sehr belastender Tag. Ich werde, wie in den letzten Jahren, für mich allein eine Zeit im Tunnel verbringen.

 

SN: Sie gehen zum Unglücksort?

Brennsteiner: Ich gehe von der Bergstation ein Stück hinein.

 

SN: Sie sprechen ein Gebet?

Brennsteiner: Genau. Ich bin ein gläubiger Mensch und bitte auch nach wie vor um Verzeihung, obwohl es nicht jeder verzeihen kann. Aber meiner Verantwortung hoffe ich doch gerecht zu werden, und verbringe so auch für mich an diesem Tag eine Zeit der Besinnung und des Gedenkens.

 

SN: Als Betriebsleiter waren Sie damals vermutlich am Gletscher.

Brennsteiner: Es war für uns ein erwartungsvoller Tag, weil wir eine große Veranstaltung hatten. Ich bin schon um sieben Uhr früh mit der Standseilbahn auf den Berg gefahren zum Alpincenter. Wir hatten eine Menge Vorbereitungsarbeiten. Es gab wunderschönes Wetter. Eigentlich war es ein perfekter Tag. Leider Gottes ist dann um 9.05 Uhr die Nachricht zu mir gekommen, dass der Zug brennt.

 

SN: Ab wann war für Sie die Dimension abschätzbar?

Brennsteiner: Es war eigentlich erst nach Tagen abschätzbar. Man ist ja fast hypnotisiert durch so ein Ereignis. Wir haben natürlich gewusst, dass der Zug voll besetzt war und sehr viele Menschen betroffen sind. Die ganze Dimension, die war eigentlich nicht begreifbar.

 

SN: Hat es an diesem Tag für Sie die Möglichkeit gegeben, sich eine Minute hinzusetzen, durchzuatmen, um zu realisieren, was da eigentlich passiert ist?

Brennsteiner: Nein. In den ersten Tagen ist man nur damit beschäftigt, die ganzen Hilfsorganisationen und die großartigen Einsatzkräfte, die uns da unterstützt haben, mit Informationen zu versorgen, damit Sie die Örtlichkeiten besser einschätzen können, damit die Abläufe auch von unserer Seite in jede Richtung unterstützt werden, und, um alles daranzusetzen, um vielleicht doch noch die eine oder andere Rettung durchzuführen. Dann hat sich herausgestellt, dass wir eigentlich chancenlos waren.

 

SN: Wie war die Nacht danach? War es möglich zu schlafen?

Brennsteiner: Nein. Weil man ist ständig in Gedanken. Wir haben in der ersten Nacht Bergefahrzeuge gebaut und konstruiert und umgesetzt, sodass wir am nächsten Tag gleich mit Hilfsmaterialien und Hilfseinrichtungen die Bergung nach unseren besten Möglichkeiten unterstützen konnten.

 

SN: Es ist relativ rasch dieser Herr Fagan aufgetreten und es sind relativ rasch Gerüchte aufgetaucht, es hätte Tage zuvor aus dem Zug herausgeraucht.

Brennsteiner: Es waren vor allem zu Beginn sehr, sehr viele Vermutungen. Für uns war es völlig unklar, was wirklich die Ursache war. Und es hat ja dann einen sehr langen Prozess gegeben, der sich über fünf Jahre hingezogen hat, wo zig Gutachten erstellt worden sind und wo nach unserem Verständnis wirklich alle Möglichkeiten untersucht und alle Eventualitäten ausgeschlossen und Zeitreihen aufgestellt wurden, wie diese Abläufe zustande gekommen sind, um hier Klarheit zu bekommen. Selbstverständlich muss man auch das größte Verständnis haben bei einer derartigen Dimension, dass Anschuldigungen und Vermutungen kommen, die im Laufe der Zeit und Schritt für Schritt durch grundlegende und fachlich fundierte Argumentationen richtiggestellt wurden.

 

SN: Plötzlich sieht man sich als Betriebsleiter auf der Anklagebank, fotografiert und gefilmt von Hunderten Journalisten. Welche Gefühle sind das?

Brennsteiner: Der Prozess begann im Sommer 2002 und hat mehr als zwei Jahre gedauert, 69 Verhandlungstage waren notwendig. Es war eine sehr schwierige Zeit, auch für mich persönlich, eine sehr belastende Zeit, aber trotzdem war ich mir immer meiner Verantwortung bewusst und wollte mich immer dieser Verantwortung stellen und dazu beitragen, dass man hier wirklich Aufklärung in allen Bereichen finden kann. Das ist natürlich sehr schwierig und wird auch in vielen Bereichen nicht überall gelungen sein. Aber das alles war ein Prozess, den ich durchmachen musste, weil es für mich ganz wichtig war, dass man unsere Arbeitsweise transparent darstellen konnte, und jeden einzelnen Schritt und jede Arbeitshandlung, die wir durchgeführt haben, auch im Rahmen des Prozesses erläutern konnte.

 

SN: Es gibt eine Zeitrechnung vor und nach Kaprun. Es gab viele gesetzliche Änderungen.

Brennsteiner: Es ist ein neues Seilbahngesetz in Kraft getreten, es sind Novellierungen aufgrund der Ereignisse in den verschiedensten Bereichen vorgenommen worden. Ganz besonders die Brandsschutzrichtlinien sind neu erstellt worden. Es sind die periodischen externen Überprüfungen, die jedes Unternehmen machen muss, um verschiedene Fachbereiche und speziell um den Brandschutz erweitert worden. Die gesamten Materialien wurden neuen Richtlinien unterzogen. Es mussten sehr viele Einrichtungen ausgetauscht werden.

SN: Der Tunnel ist geschlossen oder dient als Versorgungstunnel?

Brennsteiner: Der Tunnel ist geschlossen und ist eigentlich unverändert seit dem Unglück bzw. seit den Begehungen, die mit den Angehörigen durchgeführt worden sind.

 

SN: Er wird nicht genützt, um Material zu transportieren?

Brennsteiner: Derzeit nicht. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. Die Einrichtungen im Tunnel sind in einem Zustand, wie es nach dem Unglück war.

 

SN: Die neuen strengen Vorschriften empfinden manche in der Branche als Schikane.

Brennsteiner: Ich würde das überhaupt nicht als Schikane bezeichnen. In unserer technisierten Welt gibt es immer wieder Anpassungen und Weiterentwicklungen die auch aufgrund großer Unglücksfälle erfolgen müssen. Und wo wir unseren technischen Standard und unsere Sicherheit weiterentwickeln wollen.

Die Sicherheit ist im Seilbahnwesen immer das oberste Gebot gewesen und man hat hier natürlich die erforderlichen Konsequenzen aus diesem Unglück gezogen. Es gibt eine Weiterentwicklung, und es sollte nie wieder so ein schreckliches Unglück wie in Kaprun geschehen. Dafür müssen alle Maßnahmen gesetzt werden.

 

Zehn Jahre nach dem Seilbahnunglück
Wie geht der Ort Kaprun mit der grössten Katastrophe der Zweiten Republik um.

 

 

Bergung. Angehörige des Bundesheers hatten nach der Katastrophe Kaprun einen der härtesten Jobs: die Bergung der 155 Opfer.


An der Aufarbeitung der Katas trophe von Kaprun waren unzählige Menschen beteiligt. Etwa Ex-Rotkreuzchef Gerhard Huber, Psychologe Reinhold Fartacek und Polizeisprecher Harald Hofmann, die zahllose Hinterbliebene betreuten. Oder die Leiterin der Gerichtsmedizin, Edith Tutsch-Bauer, die mit ihrem Team die Identifizierung der 155 Opfer per DNA vornahm.

Vor allem aber auch Bürgermeister Norbert Karlsböck. Er musste sich nach der enormen körperlichen und seelischen Belastung ärztlich behandeln lassen.

Die SN sprachen mit zwei Soldaten, die bei der Bergung der Opfer dabei waren: mit Militärarzt Ewald Esterer und Sanitätsunteroffizier Christian Rabenberger, beide Berufssoldaten, stationiert in der Rainerkaserne Salzburg.

SN: Wie sind Sie vorgegangen?

Esterer: Wir sind jeweils vom Mittelstollen hinein. Es war ein gespenstisches Szenario. Es war noch leicht verraucht und hat stark nach verbranntem Plastik gerochen. Wir sind 1600 Stufen da hin unter. Es gab noch keine Beleuchtung. Wir sind mit Stirnlampen hinein. Das war am Sonntag. Wir sind am Samstag als Rettungsteam nach Kaprun. Aber es war nichts mehr zu retten.

Rabenberger: Am Sonntag bin ich mit einem Kollegen gegen 13 Uhr in den Tunnel. Wir waren die ersten Soldaten dort drinnen. Wir haben eine Telefonleitung hineingelegt. Vom Mittelstollen über diese 1600 Stufen. Hinunter bis zur Unglücksbahn, damit die Verbindung sichergestellt ist. Man ist da in ein schwarzes Loch hinuntergestiegen, man hat nichts gesehen, außer das, was die Stirnlampe geboten hat. Es war gespenstisch. Absolut ruhig. Man hat nur diesen Gebirgsbach rauschen gehört und jeden Schritt, den man auf der Aluminiumtreppe gemacht hat.


SN: Wann wurde mit der Bergung der Opfer begonnen?

Rabenberger: Erst musste die Bahn gesichert werden. Mit Stahlseilen, sodass sie nicht abrutschen konnte. Es musste von den Gletscherbahnen eine Seilbahn gebaut werden, um die Opfer zum Mittelstollen transportieren zu können. Das dauerte bis Sonntagabend. Die Bergung begann dann Montag.

 

SN: Durch Freiwillige?

Esterer: Es waren durch die Bank Freiwillige. Eigentlich zusammengeschweißte Teams, die schon bei mehreren Katastropheneinsätzen zusammen gearbeitet haben. Das waren alles alte, erfahrene Hasen. Es sind keine Grundwehrdiener mitgenommen worden. Wir sind von der Sanität mit 20 Mann am Samstag hineingefahren. Es sind dann insgesamt 100 Leute gewesen. Jeweils in vier Teams.

Rabenberger: Ein Team hat unten an der Unglücksstelle gearbeitet mit den Kriminalisten, ein Team hat direkt an der Bahn beim Hin auftransportieren gearbeitet, ein drittes Team die Verladung im Mittelstollen gemacht und das vierte Team dann die Leichensäcke draußen in die Hubschrauber verladen. Da waren immer 30 bis 40 Mann permanent im Einsatz.

 

SN: Wie lange kann man unter einer solchen Belastung arbeiten?

Rabenberger: Ein Team mit acht bis zehn Leuten ist mit den Kriminalisten in den Stollen abgestiegen. Die haben dort gemeinsam die Bergungsarbeiten gemacht. Dann sind sie ungefähr nach drei bis vier Stunden unten beim Stollen wieder hinausgegangen. Von oben kam das nächste Team nach.

 

SN: Es ging auch wesentlich um die Sicherung von DNA, um die Festlegung, wo ganz genau welches Opfer lag.

Esterer: Das war die Arbeit der Disaster-Victim-Identification-Teams (DVI), diese Teams haben Spuren gesichert und dann anschließend die Leichen für das Bundesheer freigegeben.

 

SN: Es war vermutlich nicht nur seelisch, sondern auch körperlich sehr anstrengend.

Esterer: Es war wahnsinnig anstrengend. Man musste die Leichensäcke jeweils dreißig bis vierzig Stufen bis zum Transportwagen hinauftragen. Mit dieser Bahn, die die Gletscherbahnen kurzfristig zusammengebaut haben, sind sie dann bis zum Querstollen hinaufgefahren worden und von dort sind sie mit einem Raupenschlepper durch einen Quergang ins Freie zum Hubschrauber gebracht worden.

 

SN: Jedes Opfer hat ja auch seine eigene Geschichte, seine eigene Tragödie. Sind da Bilder in der Nacht in den Träumen aufgetaucht?

Esterer: Es sind Bilder, die dich nie mehr wieder loslassen. Ich glaube, dass es sehr vielen so geht. Komplett vergessen kann man diesen Einsatz nicht. Kaprun war für mich viel intensiver als der Tauerntunnel und belastender als unser Einsatz nach dem Tsunami.

Zur Aufarbeitung gab es in den ersten Monaten mehrere Treffen der Helfer. Auch unter professioneller Führung. Es gab auch eine entsprechende Nachbetreuung vom psychologischen Dienst des Bundesheers. Wir sind sehr gut betreut und versorgt worden. Wir hatten auch an Ort und Stelle Psychologen zur Verfügung.

 

SN: Gab es einen Moment, der ganz markant in Erinnerung blieb?

Rabenberger: Die Verabschiedung im Dom, als man dann all die Fotos von den Menschen, die verunglückt sind, sah. Jedes Opfer hatte plötzlich ein Gesicht. Und man hat gesehen, wie viele Junge darunter gewesen sind.

 

SN: Gab es auch einen Lichtblick?

Rabenberger: Dass man jedem Hinterbliebenen die Möglichkeit geben konnte, seinen Angehörigen zu bestatten. Das heißt, dass er nicht vor einem leeren Sarg steht.

 

Was verbinden die Salzburger mit Kaprun?

Ist das Seilbahnunglück nach zehn Jahren noch immer in den Köpfen

der Salzburger präsent oder ist auch ein positives Image vorhanden.

Die Salzburger Nachrichten haben sich umgehört.                 (Video)