Der Lokführer ist schuld am Glacier-Express-Unglück bei Fiesch

Das tragische Zug-Unglück im Kanton Wallis vor einer Woche wurde durch menschliches Versagen verursacht. Der Lokführer des Glacier-Express hatte an der Unglücksstelle zu früh beschleunigt, teilten die Verantwortlichen an einer Medienkonferenz mit.

 

An der Stelle galt zur Zeit des Unglücks wegen Unterhaltsarbeiten eine Temporeduzierung. Der Lokführer fuhr an der Unglückstelle zunächst mit 35 km/h, beschleunigte dann auf 56 km/h und musste dann eine Vollbremsung durchführen. Dies ergab die Analyse des Fahrdatenschreibers, erklärte Walter Kobelt, Leiter der Unfall-Untersuchungsstellen Bahnen und Schiffe (UUS).  Diese Daten zeigen, dass der Lokführer zu früh beschleunigte, da er dies erst gedurft hätte, wenn alle Wagen das Temposchild von 55 km/h passiert haben. Zuvor galt eine Tempolimite von 35 km/h. Der Lokführer beschleunigte allerdings schon zum Zeitpunkt als die Lokomotive das Temposchild von 55 km/h passierte. Dadurch wurde die Zentrifugalkraft auf die hinteren Wagen zu stark, so dass diese entgleisten und umkippten, erklärte Kobelt.

Die umgekippten Wagen des Glacier-Express                       Foto: Kantonspolizei Wallis

 

Lokführer unter Zeitdruck?
Anonyme Quellen hatten zuvor gegenüber dem «Walliser Boten» erklärt, dass die Lokführer der Matterhorn-Gotthard-Bahn aufgrund des sehr engen Fahrplans unter enormen Zeitdruck stünden. Auf die Frage von SF-Korrespondentin Silvia Graber, ob dies den Tatsachen entspreche, sagte Hans-Rudolf Mooser, Direktor der Matterhorn-Gotthard-Bahn: Die Sicherheit stehe an erster Stelle und dies wüssten auch die Lokführer. Zwar sei der Fahrplan eng, aber durchaus fahrbar. Dies sei von Experten überprüft worden. Die Matterhorn-Gotthard-Bahn weise daher alle derartigen Vorwürfe von sich. Zuvor hatte Mooser die Schwere des Unglücks hervorgehoben. Gleichzeitig nahm er jedoch den Lokführer des verunglückten Zuges in Schutz.

Wetter, Geologie und Material unverändert
Keinen Einfluss auf das Unglück hatten dagegen das Wetter, die geologischen Begebenheiten der Unglücksstelle sowie der Zustand des Materials, erklärte Kobelt in seinen Ausführungen. Die Temperaturen lagen mit 12 bis 28 Grad Celsius im Normalbereich. Sie hatten damit keine Auswirkungen. Auch das Rollmaterial, der Wagenkasten und die Gleise zeigten keine Auffälligkeiten. Ein geologisches Gutachten zeigte zudem, dass keine ungewöhnlichen Veränderungen an der Unglücksstelle bestanden. Vor allem das Gelände unter den Schienen hatte sich nicht abgesenkt, wie es zwischenzeitlich vermutet worden war, sagte Kobelt. 

Entschuldigung und Bedauern
Der Vize-Präsident des Staatsrats Kanton Wallis, Jacques Melly, sprach der Familie des Opfers sein tiefes Beileid aus. Auch gegenüber den Verletzten zeigte er sein tiefes Bedauern und entschuldigte sich für das Unglück. «Wir sind alle erschüttert, ob so viel Leid», sagte er.

Der Direktor des Gesundheitsnetz Wallis, Dietmar Michlig, sprach ebenfalls sein Beileid gegenüber der Familie der Getöteten aus. Zudem informierte er über den Zustand der Verletzten. Auch Jean-Pierre Schmid, Präsident des Verwaltungsrats der Matterhorn-Gotthard-Bahn zeigte sich tief bewegt durch das Unglück. «Wir sind bestürzt über das Unglück und dass dieses auf menschliches Versagen zurückzuführen ist, beschämt uns ganz besonders.»

 

Eine Tote und mehrere Verletzte
Vor genau einer Woche kippten kurz vor Fiesch (VS) die hintersten beiden Wagen des Panoramazuges des Glacier-Express‘. Der Zug war mit ungefähr 200 Passagieren unterwegs vom Wallis in Richtung Bündnerland. Der Lokomotivführer hatte ausgesagt, er habe vor dem Unfall eine Verformung der Schienen gesehen, habe jedoch nicht mehr bremsen können. Ob es diese Deformationen wirklich gegeben hat, konnte im Nachhinein nicht mehr festgestellt werden, da die Schienen wegen des Unfalls zu sehr beschädigt waren. Bei dem Unglück ist eine 64-jährige Touristin aus Japan ums Leben gekommen. 40 weitere Personen wurden teils schwer verletzt.

Die Fakten von der Pressekonferenz vom 30. Juli 2010 in Brig:

  • Die BLS untersuchte die Drehgestelle, es wurden keine Fehler gefunden, auch Wagenkasten und Gleisanlagen waren in Ordnung
  • 4 Tage vor dem Unglück wurde an der Unfallstelle eine Verwerfung am Gleis repariert, am Unfalltag meldeten keine Lokführer eine Verwerfung im betroffenen Streckenabschnitt
  • Zum Unfallzeitpunkt fuhr der Zug mit 56 statt den maximal erlaubten 35 km/h, daher entgleisten die beiden hintersten Wagen [Wagen 5 und 6], beim Servicewagen [Wagen 4] erfolgte eine Zugstrennung und dadurch sofort eine Schnellbremsung
  • Der Lokführer beschleunigte bereits 80 Meter vor der Geschwindigkeitstafel “55″ von 35 auf 55 km/h - bei erreichen der Geschwindigkeitstafel hatte der zu diesem Zeitpunkt schon entgleiste Wagen 6 ein Tempo von 56 km/h - dieser Wagen kolliderte mit 2 Fahrleitungsmasten
  • Der betroffene Lokführer war bisher nie in einen Unfall verwickelt, er steht unter Schock und wird von Fachleuten betreut
  • Die Sicherheit steht bei der MGB an oberster Stelle – die Bahn ist beschämt und entschuldigt sich, gleichzeitig werden Vorwürfe, die Fahrpläne sein “zu eng”, zurückgewiesen 
  • Der Servicewagen wird schon bald wieder eingesetzt werden können, bei den beiden anderen Wagen ist dies noch unklar
  • Derzeit kommen in Glacier Express-Umläufen auch konventionelle Wagen zum Einsatz

Der zuständige Untersuchungsrichter informiert, dass er sich zum Unfall erst äussern wird, sobald der Expertenbericht von Herrn Kobelt vorliegt.

Nachdem der Rapport der eidg. Experten (Untersuchungsstelle Bahnen und Schiffe) dem Untersuchungsrichter vorliegt wird dieser analysiert. Der Richter wird anschliessend über allfällige strafrechtliche Massnahmen entscheiden.

Die Entscheidungen werden mittels Medienmitteilung veröffentlicht. Es gilt zu erwähnen, dass dieser Prozess mehrere Wochen dauern wird.

Zur Erinnerung: Der Untersuchungsrichter begab sich nach dem Unfall direkt vor Ort.

Er beauftragte die Kantonspolizei Wallis mit den Ermittlungen und besprach das weitere Vorgehen mit Herrn Kobelt Walter als Leiter der Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe (UUS).

Nach dem schweren Zugsunglück vom Freitag, 23. Juli 2010 befinden sich von den anfänglich 40 hospitalisierten, zum Teil schwer verletzten Personen zum heutigen Zeitpunkt noch 8 Personen in Spitalpflege: Visp (1), Sitten (3), Lausanne (2), Genf (1) und Bern (1). In den nächsten Tagen werden 3 weitere Patienten aus den Walliser Spitälern austreten und in ihr Heimatland Japan zurückkehren. Eine Person wird anfangs nächster Woche vom Spital Sitten ins Universitätsspital Lausanne verlegt.

Beim Zugsunglück vom 23. Juli 2010 in Fiesch / Lax sind 40 Personen verletzt worden. 38 Personen wurden in ein Spital im Wallis eingeliefert, eine Person in das Universitätsspital Lausanne und eine Person in das Universitätsspital Genf. 

Direkt nach dem Unglück konnten die Walliser Spitäler dank vorgängig getroffener Massnahmen die erforderlichen Kapazitäten in den Bereichen Notfall und Operationssaal für die Behandlung der verunglückten Personen bereitstellen. 17 Personen verliessen nach einer ambulanten Behandlung die Spitäler direkt wieder. 23 Personen wurden hospitalisiert: 9 Personen mit schweren Verletzungen, davon vier Personen unter künstlicher Beatmung, und zwei Personen befanden sich in einem kritischen Zustand.

Sprachbarriere überwunden
Bei den betreuten Patienten handelte es sich ausschliesslich um erwachsene Personen mit folgenden Nationalitäten: Japan (28), Schweiz (5), Spanien (4), Österreich (2) und Indien (1). Eine grosse Herausforderung in der Patientenbehandlung stellte die Kommunikation mit den zumeist japanischen Patienten dar. Dank der Mitarbeit mehrerer Übersetzerinnen, die innert kürzester Zeit zur Verfügung standen, konnte die Kommunikation mit den Patienten sowie deren Angehörigen ab Spitaleintritt sichergestellt werden. 

Aktuelle Situation und Ausblick
Heute Freitag, 30. Juli 2010 präsentiert sich die Situation wie folgt: Es befinden sich noch 8 Personen, ausschliesslich japanischer Herkunft, in Spitalpflege: Visp (1), Sitten (3), Lausanne (2), Genf (1) und Bern (1). In den nächsten Tagen werden voraussichtlich 3 Patienten aus den Walliser Spitälern austreten und in ihr Heimatland Japan zurückkehren. Für die Patientin, welche sich zurzeit im Spital Sitten auf der Intensivstation befindet, ist auf Anfang der nächsten Woche eine Verlegung ins Universitätsspital Lausanne geplant. Die Patientin im Inselspital Bern konnte in der Zwischenzeit von der Intensivstation auf die Abteilung verlegt werden. Ihr Zustand verbessert sich kontinuierlich. 

Wir drücken den Hinterbliebenen des Opfers unser tiefes Beileid aus und wünschen den verletzten Personen eine rasche und vollständige Genesung, so die Kapo Wallis weiter.

Für Informationen an Angehörige dient die von der Kantonspolizei eingerichtete Hotline unter der Telefonnummer 0848-112-117.

 

 

Bericht SF Tagesschau vom 24. Juli 2010 von den Aufräumarbeiten

 

 

 

 

Bericht SF Tagesschau vom 30. Juli 2010 um 13.00 Uhr

(vor der Medienkonferenz)

 

 

 

 

Bericht SF Schweiz Aktuell vom 30. Juli 2010

 

 

 

 

Bericht SF Tagesschau vom 30. Juli 2010 um 19.30 Uhr

 

 

 

 

Bericht SF 10vor10 vom 30. Juli 2010

 

 

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