Ein Freudentaumel kann manchmal seltsame Blüten treiben. FCB-Fans sind auf der Reise von Bern nach Basel in den Lokführer-Stand eines SBB-Extrazugs eingedrungen und liessen eine Spur der Verwüstung hinter sich - kein Einzelfall. Erstmals zeigte die SBB gegenüber «10vor10», wie gross die Schäden nach solchen «Extrafahrten» sind und stellt Forderungen.
Von Marc Meschenmoser - SF 10vor10
Obwohl Bahnpolizisten die zwei Extrazüge nach dem Meisterschaftsspiel YB-FCB von Bern nach Basel begleitet haben, gelangten vermeintliche Fussballfans in den Lokführer-Stand. Dort zerstörten sie Rettungsmasken und rissen den Fahrtenschreiber heraus, so dass die Lok nicht mehr weiterfahren konnte. Der Sachschaden beläuft sich auf mehrere Zehntausend Franken.
Viele Klubs involviert
In der abgelaufenen Fussballsaison organisierte die SBB 140 Fussball-Extrazüge – damit mögliche Randalierer nicht Passagiere in normalen Zügen stören.
Ein Engagement, das die SBB teuer zu stehen kommt, wie Recherchen von «10vor10» zeigen: 3 Millionen Franken Schäden verursachten Fussball-Randalierer praktisch aller Klubs in den
Extrazügen.
SBB stellt zwei Hauptforderungen
SBB-Sprecher Reto Kormann sagt gegenüber «10vor10»: «Wir haben Schäden praktisch jedes Wochenende. Wir wollen das unseren Kunden und unseren Mitarbeitern nicht mehr länger zumuten.» An den
Schäden sind Randalierer praktisch aller Super-League Klubs beteiligt.
Jetzt fordert die SBB von Fussball-Liga und Klubs konkrete Massnahmen um das Problem zu bekämpfen. SBB-Sprecher Reto Kormann: «Klubs sollten mehr Verantwortung übernehmen müssen für das Verhalten
ihrer Fans in Bahnhöfen und Zügen. Jene, die die Schäden verursachen, sollten auch für die Schäden aufkommen.»
Die SBB geht noch weiter und will gar gewalttätige Fans ab der neuen Saison nicht mehr transportieren. «Wir sollten von der Transportpflicht befreit werden. Gewaltbereite Fans wollen wir nicht
mehr transportieren», so Kormann.
Viele Vereine schweigen
Die Swiss Football League (SFL) sowie zahlreiche Spitzenvereine wollten sich gegenüber «10vor10» nicht zur Kostenübernahme durch die Klubs äussern.
Als einziger Verein schreibt der FC Basel gegenüber: «Der FC Basel unternimmt seit Jahren grosse Anstrengungen mit Fanbegleitern, um bei Auswärtsspielen Schäden in Extrazügen zu vermeiden.
Schäden bedauert der FCB ausdrücklich. Allfällige Konsequenzen wird der FCB direkt mit den SBB regeln.»
Bericht in SF 10vor10 vom 17. Mai 2010:
Nach dem Meisterschaftsspiel zwischen dem BSC Young Boys und dem FC Basel ist es am 16. Mai 2010 zwischen dem Stade de Suisse und dem S-Bahnhof Bern Wankdorf zu Ausschreitungen gekommen.
Die Polizei musste mehrfach Gummischrot und Reizstoff einsetzen. Mehrere Personen wurden verletzt.
Im Bereich zwischen dem Stadion und dem S-Bahnhof Wankdorf kam es nach dem Spiel zu massiven Ausschreitungen beider Fangruppen. Dabei wurde auch die Polizei mit Wurfgeschossen und Steinen
angegriffen. Schliesslich blockierten mehrere Dutzend – laut Reporten vor Ort bis zu 150 – Fans kurzfristig den Bahnverkehr. Es entstanden teilweise grosse Verspätungen, da die Züge den Bahnhof
nur mit Fahrt auf Sicht passieren konnten. Die Polizei musste zur Trennung der Fangruppen Gummischrot und Reizstoff einsetzen. Mehrere Personen – sowohl Fans wie auch Polizisten – wurden
verletzt. Gemäss erstem Kenntnisstand dürften die Verletzungen leicht sein.
Wie anlässlich der Ausgangslage zu erwarten war, war die Stimmung unter den Fans bereits vor dem Spiel aufgeheizt. Nach dem Eintreffen der beiden Extrazüge aus Basel kam es beim S-Bahnhof
Wankdorf zu Sachbeschädigungen und es wurde Feuerwerk abgebrannt. Um zirka 15.00 Uhr musste die Polizei den Sicherheitsdienst des Stade de Suisse unterstützen, als mehrere hundert Fans
versuchten, den Eingang zum Gästesektor zu stürmen.
UPDATE: Jetzt reden Vereine, Fans und der Verband:
Keiner will bezahlen - SF 10vor10
Drei Millionen Franken: So hoch ist der Schaden, der der SBB durch randalierende «Fussballfans» in Extrazügen in der letzten Saison entstanden ist. Die SBB will sich das nicht länger bieten lassen – künftig sollen Fangruppierungen und die Clubs mehr Verantwortung übernehmen und Schäden bezahlen. Doch diese sträuben sich.
Natürlich ärgere auch er sich über die Chaoten, welche die Schäden verursachen würden, meinte Canepa weiter. Und diese sollten dafür auch geradestehen müssen. Aber ganze Vereine «im Sinne einer
Sippenhaftung» verantwortlich machen, das gehe nicht an.
Züge selbst organisieren: Fans wollen nicht
Die SBB ist anderer Meinung: Sie will die Clubs für das Verhalten ihrer Fans in die Verantwortung nehmen. Und gewalttätige Fans will sie ab der neuen Saison gar nicht mehr
transportieren.
Anfang Jahr hat Sportminister Ueli Maurer zusammen mit dem Fussballverband beschlossen, dass Fans neu Extrazüge selbst bei der SBB bestellen. Damit sind sie auch für die Schäden haftbar.
Doch Recherchen von «10vor10» zeigen nun: Friedliche Fans machen bei der neuen Regel nicht mit. Laut dem Luzerner Fanarbeiter Christian Wandeler sind Fans nicht bereit, Extrazüge selbst zu
organisieren und damit künftig selbst für Schäden aufzukommen.
Beim Schweizer Fussballverband beruft man sich auf die Abmachung mit Sportminister Maurer. Zur Forderung der SBB, man wolle die Schäden nicht mehr alleine tragen müssen, wollte sich
Sicherheitschef Ulrich Pfister nicht äussern. Klare Worte richtet Pfister dagegen an Randalierer: Dass die SBB solche «Fans» nicht mehr transportieren wolle, begrüsse er.