Stadler Rail offerierte 100 Millionen günstiger als Bombardier

Die Kritik an den SBB, welche die Thurgauer Firma Stadler Rail leer ausgehen liessen, erhält neue Nahrung. Stadler Rail hätte die 59 Doppelstockzüge für 1,8 Milliarden Franken liefern können. Doch vom SBB-Milliardenauftrag an Bombardier profitieren auch Firmen in der Schweiz: Hoffen dürfen ABB, Siemens und Alcan Valais.

 

Von Christof Moser und Yves Demuth - a-z.ch

 

Der gut informierte SVP-Verkehrspolitiker Ulrich Giezendanner gibt gegenüber dem «Sonntag» Details der Stadler-Rail-Offerte bekannt: «Ich weiss, dass Spuhlers Offerte 100 Millionen Franken günstiger war als jene von Bombardier.» Für Giezendanner ist der Entscheid der SBB für Bombardier deshalb skandalös: «Der öffentliche Verkehr verschlingt immer absurdere Summen, und dann wird auch noch das teurere Angebot aus dem Ausland der inländischen Offerte vorgezogen. Wie kann da SBB-Chef Andreas Meyer sagen, die Offerte von Bombardier sei in allen Teilen besser gewesen als die der Konkurrenten?», empört er sich.

Weder die SBB noch Stadler Rail wollen die 100-Millionen-Differenz kommentieren. Peter Spuhlers Unternehmen teilte am Mittwoch nach der Bekanntgabe der Vergabe mit, man sei «sehr enttäuscht über diesen Entscheid».

 

Gemäss Vincenza Trivigno, Generalsekretärin der Stadler Rail, werden die SBB mit den unterlegenen Bietern Stadler Rail und Siemens in den nächsten Tagen ein so genanntes Debriefing abhalten und dabei begründen, warum Bombardier den Zuschlag erhalten hat. Je besser die SBB dabei ihren Entscheid erklären können, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Stadler Rail oder Siemens innerhalb der Rekursfrist von 20 Tagen gegen den Entscheid Beschwerde einreichen werden.

 

Auch ohne Zuschlag könnte sich Siemens jedoch ein kleines Stück des Auftragsvolumens sichern - als Lieferant von Bombardier. «Im Bereich Signaltechnik und Zugsicherungssysteme ist Siemens stark. Reicht Siemens in diesem Bereich eine gute Offerte ein, dann sind wir selbstverständlich bereit, diese auch zu prüfen», sagt Stéphane Wettstein, Geschäftsführer von Bombardier Schweiz. Dass Siemens im Fall einer Ausschreibung eine Offerte einreichen würde, bestätigt auch Benno Estermann, Sprecher von Siemens Schweiz. «Auch wenn wir im Kampf um den SBB-Auftrag Konkurrenten von Siemens und Stadler Rail waren, sind wir vielfach Partner in anderen Projekten. Dies ging in der aktuellen Diskussion vergessen», sagt Wettstein.

Vom Milliardenauftrag ebenso profitieren wird voraussichtlich ABB: «Wir pflegen im Bereich der Traktionstransformatoren eine Jahrzehnte alte Partnerschaft mit ABB Sécheron in Genf», sagt Bombardier Schweiz-Chef Wettstein. Zudem benötigt Bombardier für ihre Traktionstechnologie Halbleiter, die unter anderem auch von ABB aus Lenzburg stammen, wie Wettstein sagt.

 

Zu den möglichen Lieferanten zählt auch die ehemalige Alusuisse, heute Alcan Aluminium Valais. Denn beim Bau des Aluminiumwagenkastens werde Bombardier laut Wettstein «wahrscheinlich Vorleistungen von Alcan Valais in Anspruch nehmen». Insgesamt wird Bombardier Material im Wert von rund einer Milliarde Franken bei Zulieferern einkaufen, worunter diverse Schweizer Firmen sein werden. «Der Schweizer Wertschöpfungsanteil von 60 Prozent soll wenn möglich gesteigert werden», sagt der Bombardier-Geschäftsführer.

 

Dank den bis zu 400 Meter langen neuen Doppelstockzügen erhält die Schweizer Bauwirtschaft ebenfalls Aufträge: «Wir müssen mehrere 100 Millionen Franken in den Ausbau des Knotens Lausanne und in die Verlängerung der Perrons investieren, um die Kapazität zu erhöhen und langfristig genügend Platz für die 400 Meter langen Doppelkompositionen zu haben», sagt SBB-Chef Andreas Meyer. Die SBB werden laut Meyer in den nächsten Jahren zudem über 100 Millionen Franken investieren, um die Strecken im Wallis und am Gotthard auf das Profil des Doppelstockzuges umzurüsten.

 

Auf keine Mehreinnahmen können hingegen die auf Gleisunterhaltsarbeiten spezialisierten Firmen Scheuchzer und Sersa hoffen. Denn voraussichtlich werden die SBB die neuen Züge mit einer aktiven Radsatzsteuerung (ARS) ausrüsten, welche den befürchteten Anstieg der Gleisunterhaltskosten durch die neuen Züge abwenden soll. «An diesem System haben wir grosses Interesse, weil die Drehgestelle dadurch weniger Kräfte auf die Schienen übertragen und wir somit beim Gleisunterhalt Mehrausgaben vermeiden können», sagt Meyer.