Stadler Rail verfügt über langjährige Kompetenz im Aluminium-Leichtbau. Stadler Rail hat das komplette Engineering-Team von Alusuisse übernommen, als diese an Alcan verkauft wurde. Dieses
Team hat bereits Ende der 90er-Jahre vier Aluminium-Doppelstock-Triebzüge konzipiert und entwickelt (TAF für Italien, TGV 2N für Frankreich, IC 2N für Finnland und DOSTO 71 für
Tschechien).
Stadler Rail hat in den letzten zwei Jahren über CHF 100 Mio. in den Neu- und Ausbau der vier Schweizer Werke investiert. Die aktuelle Produktionskapazität in der Schweiz beträgt 2,75 Mio.
Stunden. Bei einer allfälligen Auftragsvergabe an Stadler Rail beträgt der Schweizer Wertschöpfungsanteil mindestens 80 %.
Gerüchte und Wahrheiten
Die Ausschreibung der SBB über die Beschaffung von 59 Doppelstock-Triebzügen für den Fernverkehr interessiert eine breite Öffentlichkeit. Dies ist angesichts des Auftragsvolumens von ca. CHF 2
Mia. (ohne Optionen) verständlich. Es handelt sich um die grösste Beschaffung in der Geschichte der SBB. Ein Angebot haben Bombardier, Siemens und Stadler eingereicht.
In jüngster Vergangenheit wurde verschiedentlich geltend gemacht, dass Stadler – im Gegensatz zur Konkurrenz – weder über die hinreichende Kompetenz noch über die notwendigen Kapazitäten verfügt,
um einen Auftrag dieser Grössenordnung in der Schweiz abzuwickeln.
Im Folgenden nimmt Stadler Rail zu diesen Behauptungen Stellung:
Behauptung 1: Stadler Rail verfügt nicht über die hinreichende Kompetenz Doppelstock-Triebzüge für den Fernverkehr zu bauen
- Den von den SBB ausgeschriebenen Doppelstock-Triebzug müssen alle an der Ausschreibung teilnehmenden Lieferanten neu entwickeln.
- Stadler Rail besitzt als einzige Anbieterin in der Schweiz über langjährige Kompetenz im Aluminium-Leichtbau, weil Stadler Rail in den 1990er Jahren das komplette Engineering-Team von Alusuisse
übernommen hatte, als diese an Alcan verkauft wurde. Dieses Team hat bereits Ende der 90er- Jahre vier Aluminium-Doppelstock-Triebzüge konzipiert und entwickelt (TAF für Italien, TGV 2N für
Frankreich, IC 2N für Finnland und DOSTO 71 für Tschechien).
- Um die Kriterien der SBB-Ausschreibung erfüllen zu können, müssen die Wagenkästen in Aluminium gefertigt werden. Stadler hat am meisten Erfahrung im Bau von Aluminiumwagenkästen. Die
Mitanbieter haben bis heute Doppelstock-Triebzüge nur in Stahl gebaut.
Behauptung 2: Die Produktionskapazitäten von Stadler Rail genügen nicht, um den SBB-Auftrag abzuwickeln
- Stadler Rail hat in den letzten zwei Jahren über CHF 100 Mio. in die vier Schweizer Standorte investiert.
- Die Division Schweiz verfügt heute an den vier Standorten über Produktionskapazitäten von über 2,75 Mio. Produktionsstunden.
- Das Werk in Altenrhein wurde zum Doppelstock-Kompetenzzentrum ausgebaut. In Oberwinterthur wurde Anfang 2010 das Kompetenzzentrum für Drehgestelle in Betrieb genommen. Im 3. Quartal 2010 wird
in Erlen ein neues Inbetriebssetzungszentrum für die Division Schweiz eröffnet.
- Insgesamt werden in der Division Schweiz bis Ende 2010 über 2000 Mitarbeiter beschäftigt sein (gruppenweit sind es 3000 Beschäftigte). Das ist sowohl bezüglich Kapazitäten als auch
Arbeitsplätzen ein Vielfaches mehr gegenüber der Konkurrenz in der Schweiz und teilweise auch in Europa.
- Der SBB-Doppelstockauftrag für den Fernverkehr wird erst zwischen 2013 und 2019 in der Produktion abgewickelt und lastet das Werk in Altenrhein zu ca. 40% aus.
- Know-how, technische Kompetenz und Produktionskapazitäten spiegeln sich auch in der termingerechten Auslieferung der Fahrzeuge. Stadler hat im Gegensatz zur Konkurrenz ihre Fahrzeuge stets
termingerecht abgeliefert.
Behauptung 3: Stadler Rail erreicht keine 80% Wertschöpfung in der Schweiz
- Stadler garantiert einen Schweizer Wertschöpfungsanteil von 80%.
- Die ABB Schweiz liefert das Herzstück des Antriebs. Die Schweizer Wertschöpfung dieser Komponenten beträgt ebenfalls 80%. Zwischen 2001 und 2009 hat Stadler Rail für über CHF 600 Mio.
Antriebsausrüstungen bei ABB bestellt.
- Die Hälfte der Schweizer Wertschöpfung wird zudem von einer Vielzahl von langjährigen KMU-Zulieferbetrieben sichergestellt.
Behauptung 4: Stadler ist in der Schweiz zu erfolgreich
Stadler Rail hat sich mit ihren Produkten, namentlich mit dem FLIRT (Flinker Leichter Innovativer Regional-Triebzug) und dem Gelenktriebwagen, GTW, trotz hohem Schweizer Wertschöpfungsanteil
international durchgesetzt. Insgesamt hat Stadler Rail seit 2004 557 FLIRT und 501 GTW verkauft, davon wurden 480 (über 85%) bzw. 358 (über 70%) Fahrzeuge im Ausland abgesetzt.
Die Konkurrenz hat in der Schweiz auch Erfolge verbucht, namentlich:
Bombardier:
- 140 Zwischenwagen „Domino-Inova“ für SBB im Jahr 2006. Auftragsvolumen ca. CHF 220 Mio.
- 10 Lokomotiven für BLS Cargo im Jahr 2007. Auftragsvolumen: ca. CHF 50 Mio.
- Option über 14 Cobra-Trams für VBZ Zürich im 2007 (Gesamtflotte: 88). Auftragsvolumen CHF 60 Mio.
- Option über 18 Flexity-Trams für Transports Publics Genévois. Auftragsvolumen CHF 85 Mio. Damit steigt die Flotte auf 39 Fahrzeuge.
- 13 „Lötschberger“ für BLS im Jahr 2006. Auftragsvolumen: CHF 105 Mio.
- Option über 8 Lötschberger für BLS im Jahr 2008. Auftragsvolumen: CHF 46 Mio.
Siemens:
- Option über 25 Doppelstock-Triebzüge für die SBB (2. Generation) im Jahr 2006, nachdem 2003 bereits 35 dieser Doppelstock-Triebzüge bestellt wurden. Auftragsvolumen CHF 350 Mio.
- Option über weitere 21 Combino Tram für BernMobil im Jahr 2007 (Gesamtflotte: 36). Auftragsvolumen CHF 100 Mio.
Alstom:
- 14 ETR 610 (Cisalpino) im Jahr 2004. CHF 450 Mio. (300 Mio. Euro) Auftragsvolumen.
Im Weiteren
Bei der Beschaffung der Doppelstock-Triebzüge für die S-Bahn Zürich haben die Bietergemeinschaft Siemens/Bombardier den Auftrag über 121 Niederflur-Doppelstockwagen im Wert von CHF 0,5 Mia.
erhalten, während Stadler die 50 Doppelstock-Triebzüge liefern kann (Auftragsvolumen: CHF 1 Mrd.).
Stadler Rail Group
Stadler Rail Group, der Systemanbieter von kundenspezifischen Lösungen im Schienenfahrzeugbau, umfasst Standorte in der Schweiz (Altenrhein, Bussnang und Winterthur), in Deutschland
(Berlin-Pankow und Velten), in Polen (Siedlce), in Ungarn (Budapest, Pusztaszabolcs und Szolnok), Tschechien (Prag), Italien (Meran) sowie in Algerien (Algier). Gruppenweit werden über 3000
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Die bekanntesten Fahrzeugfamilien der Stadler Rail Group sind der Gelenktriebwagen GTW (501 verkaufte Züge), der Regio Shuttle RS1 (404 verkaufte
Züge), der FLIRT (557 verkaufte Züge) und der Doppelstockzug DOSTO (73 verkaufte Züge) im Segment der Vollbahnen und die Variobahn (264 verkaufte Fahrzeuge) sowie der neu entwickelte Tango (142
verkaufte Fahrzeuge) im Segment der Strassenbahnen. Des Weiteren stellt Stadler Rail Reisezugwagen und Lokomotiven her und ist weltweit der führende Hersteller von Zahnradbahnfahrzeugen.
Mehr zum Thema: (Medienmitteilung vom 30. März 2010)
BLS investiert CHF 493,7 Mio. in Doppelstockzüge für die S-Bahn Bern
Die BLS tätigt die grösste Rollmaterialinvestition in Ihrer Geschichte: Sie beschafft bei der Firma Stadler Rail bis Ende 2014 insgesamt 28 Doppelstocktriebzüge für die S-Bahn Bern. Der Verwaltungsrat hat den entsprechenden Kredit über 493,7 Mio. Franken freigegeben. Mit den neuen Zügen trägt die BLS der wachsenden Nachfrage Rechnung und bietet ihren Fahrgästen mehr Komfort. Sie vereinheitlicht gleichzeitig langfristig die Flotte zu Gunsten eines wirtschaftlicheren Betriebs. Bis ins Jahr 2025 will die BLS insgesamt über eine Milliarde Franken in neues Rollmaterial investieren.
Die S-Bahn Bern stösst nach dem rasanten Nachfragewachstum der letzten Jahre mit ihrem Rollmaterial an die Kapazitätsgrenzen, insbesondere auf den frequenzstärksten Linien und zu den Hauptverkehrszeiten. In den letzten fünf Jahren hat die Nachfrage gemessen an den gefahrenen Personenkilometern um 43,5 Prozent zugenommen. Und das Wachstum hält auch in Zukunft an: Bis ins Jahr 2025 ist im Raum Bern mit einer weiteren Nachfragesteigerung von rund 60 Prozent zu rechnen. Deshalb beschafft die BLS neue, leistungsfähige Doppelstocktriebzüge (Dosto). Diese bringen den Fahrgästen mehr Platz und Komfort sowie den Leistungsbestellern und der BLS mehr Effizienz und Wirtschaftlichkeit im Bahnbetrieb. Die öffentliche Ausschreibung zur Lieferung von insgesamt 28 Doppelstock-Kompositionen erfolgte im Juni 2009.
An seiner letzten Sitzung hat der Verwaltungsrat der BLS entschieden, der Firma Stadler Rail mit Sitz in Bussnang den Auftrag zur Herstellung und Lieferung der Dosto-Fahrzeuge zu erteilen. Die
für öffentliche Ausschreibungen übliche Rekursfrist von 20 Tagen bleibt vorbehalten. Gleichzeitig bewilligte der Verwaltungsrat die notwendigen finanziellen Mittel in der Höhe von CHF 493,7 Mio.
Die Investition wurde vom Bundesamt für Verkehr sowie den Kantonen Bern und Freiburg, auf deren Gebiet die neuen Züge künftig verkehren werden, genehmigt.
Die 28 neuen, je 102 Meter langen Doppelstockzüge werden ab Herbst 2012 ausgeliefert und kommen im Verlauf des Jahres 2013 schrittweise auf der S-Bahn-Linie S1 (Fribourg–Bern–Münsingen–Thun)
fahrplanmässig zum Einsatz. Ab 2014 bedienen die Doppelstockzüge etappenweise die S3 (Biel–Bern–Belp) und die S6 (Schwarzenburg–Bern). Ende 2014 wird die Dosto-Flotte komplett sein. Für den
Einsatz der neuen Fahrzeuge werden diverse kleinere Anpassungen an der bestehenden Bahninfrastruktur – etwa im Donnerbühl-Tunnel und auf der Schwarzenburg-Linie – vorgenommen.
Vielfältige Vorteile der neuen Doppelstockzüge
Mit der grössten Rollmaterialinvestition ihrer Unternehmensgeschichte strebt die BLS sowohl eine quantitative wie qualitative Verbesserung ihres Angebots für die Kundinnen und Kunden in der
S-Bahn Bern an:
- Kapazitätserhöhung: Die neuen Züge bieten mit ihren 336 Sitzplätzen und 110 Stehplätzen sowie einer Maximalkapazität von 915 Personen pro Komposition mehr Platz im Hinblick auf das künftige Nachfragewachstum. Die Platzzahl lässt sich durch die Verbindung zweier Kompositionen rasch verdoppeln. Auf den S-Bahn-Linien S1, S3 und S6 kann die Zahl der Sitzplätze in der Hauptverkehrszeit bis 2014 um rund 30 Prozent gesteigert werden.
- Komfortsteigerung und Behindertengerechtigkeit: Die neuen Dosto haben dank Flächenheizung eine grosszügige Sitzanordnung und verfügen mit Multifunktionsabteilen über ausreichend Raum für Kinderwagen und Fahrräder. Die Wagen sind durchgehend klimatisiert und verfügen über eine optische und akustische Fahrgastinformation sowie über Videoüberwachung. Das Aus- und Eintreten erfolgt dank Niederflureinstiegen bequem auf Niveau der Perrons. Jede Komposition verfügt über drei Rollstuhlplätze und eine behindertengerechte Toilette.
- Optimierte Produktion und Zuverlässigkeit: Breite Türen und grossräumige Aus- und Eingangszonen ermöglichen einen raschen Fahrgastwechsel und erleichtern damit die Fahrplaneinhaltung. Produktionsseitige Vorteile ergeben sich überdies durch die Möglichkeit rascher Richtungswechsel und das schnelle Trennen und Vereinen von Kompositionen.
- Verbesserte Wirtschaftlichkeit: Eine erhöhte Verfügbarkeit der Fahrzeuge und längere Intervalle bei der Instandhaltung der Systeme ermöglichen eine Senkung der Lebenszykluskosten.
Investitionen in Milliardenhöhe für eine moderne Fahrzeugflotte
Die BLS verfügt heute im Regional- und S-Bahnverkehr über eine heterogene Flotte, deren Fahrzeuge sich in Alter, Technik, Fahrgastkomfort und Wirtschaftlichkeit stark unterscheiden. Im Rahmen
ihrer langfristigen Flottenstrategie will die BLS den Fahrzeugpark bis zum Jahr 2025 schrittweise vereinheitlichen, modernisieren und auf die künftigen Angebots- und Nachfrageentwicklungen
ausrichten. Im Zentrum steht die etappenweise Beschaffung neuer S-Bahnzüge. Der nun erteilte Zuschlag für die Doppelstockzüge bildet die Grundlage für die Realisierung der ersten Etappe. Unter
der Voraussetzung, dass geplante Infrastruktur- und Angebotsausbauten bis dahin realisiert werden können, plant die BLS auf die Fahrplanwechsel von 2019 und 2025 weitere Beschaffungen von –
voraussichtlich einstöckigen – S-Bahnfahrzeugen. Bis 2025 wird die BLS somit rund 1,2 Milliarden Franken in neue Züge investieren.
Die Neubeschaffungen erlauben den Ersatz von älterem Rollmaterial, womit die BLS die Flottenvielfalt reduzieren kann. Das vereinfacht die Instandhaltung und erhöht die Flexibilität im Bahnbetrieb. Die BLS strebt an, statt der heute sieben nur noch vier Teilflotten zu betreiben, wovon je zwei untereinander kuppelbar sind. In einem ersten Schritt werden mit der Inbetriebnahme der neuen Dosto acht Pendelzüge des Typs RBDe 566 I und vier lokbespannte EW I-Pendelzüge ausrangiert. Gleichzeitig können die 13 roten Gelenktriebwagen des Typs RABe 526 (GTW) ersetzt werden, welche Ende 2013 mit der Neuaufteilung des Linienmanagements in den Gebieten, Luzern West, Solothurn und Berner Jura von der BLS an die SBB übergehen.
Mehr zum Thema: Kritik an BLS wegen neuer Züge
Bericht "20 Minuten Bern" vom 05. April 2010
Der Kauf der BLS von 28 Doppelstockzügen für die Berner S-Bahn sorgt nachträglich für Wirbel. Die BLS hat zwar nie verschwiegen, dass sich nur ein Anbieter, nämlich SVP-Nationalrat Peter Spuhler mit seiner Stadler Rail, um den 493-Millionen-Auftrag beworben hat.
Kaum war das Geschäft letzte Woche aber unter Dach und Fach, kritisierten die Konkurrenten von Stadler Rail die Auswahlkriterien der BLS. In der «SonntagsZeitung» sagen Vertreter von Siemens und von Bombardier, dass die Ausschreibung von Anfang an auf Stadler Rail zugeschnitten gewesen sei. Deshalb hätte der Kanton Bern als Oberaufsicht eine Zweitausschreibung verlangen sollen. Die BLS weist die Kritik zurück. Und Peter Spuhler von Stadler Rail sagte der «SonntagsZeitung»: «Ich kann nichts dafür, wenn die Konkurrenz keinen vergleichbar leistungsfähigen S-Bahn-Zug anbieten kann.»
Mehr zum Thema: Stadler Rail weist Vorwürfe zurück
Es geht um gut 2 Milliarden Franken. Die Nervosität vor der Vergabe dieses SBB- Auftrags steigt. Stadler Rail, Siemens und Bombardier sind im Rennen.
«Der SBB-Doppelstockauftrag für den Fernverkehr wird erst zwischen 2013 und 2019 in der Produktion abgewickelt und lastet das Werk in Altenrhein zu etwa 40 Prozent aus», teilte Stadler Rail
gestern mit. Das Bussnanger Unternehmen wehrt sich mit dieser Mitteilung gegen Vorwürfe in verschiedenen Medien, die Produktionskapazitäten von Stadler Rail würden nicht ausreichen, um den
SBB-Auftrag für 59 Doppelstock-Triebzüge wahrzunehmen. Die Division Schweiz von Stadler Rail werde bis Ende 2010 über 2000 Mitarbeiter beschäftigen. Das sei sowohl bezüglich Kapazitäten als auch
Arbeitsplätzen ein Vielfaches gegenüber der Konkurrenz in der Schweiz und teilweise auch in Europa, teilt Stadler Rail weiter mit.
Erfahren im Aluminiumbau «Um die Kriterien der SBB-Ausschreibung erfüllen zu können, müssen die Wagenkästen in Aluminium gefertigt werden», hält Stadler Rail weiter fest. Die Mitanbieter Siemens und Bombardier hätten bis heute aber Doppelstock-Triebzüge nur in Stahl gebaut. In den 1990er-Jahren habe Stadler Rail das komplette Engineering-Team von Alusuisse übernommen, als diese an Alcan verkauft wurde. Dieses habe vier Aluminium-Doppelstock-Triebzüge konzipiert und entwickelt. Stadler Rail betont zudem, das Unternehmen könne einen Wertschöpfungsanteil von 80 Prozent in der Schweiz garantieren. ABB Schweiz liefere das Herzstück des Antriebs. Die Hälfte der Schweizer Wertschöpfung werde zudem von einer Vielzahl langjähriger KMU-Zulieferbetrieben sichergestellt.
Mehr zum Thema: Buhlen um die eierlegende Wollmilchsau
Vielfältige Begleitmusik zur nächsten SBB-Rollmaterialbeschaffung – die Partituren reichen bis hin zu fahrplantechnischen Optionen.
Das Werben der drei potenziellen Lieferanten von überregionalen SBB-Zügen macht die Ernsthaftigkeit des Wettbewerbs deutlich. Skepsis besteht gegenüber der Absicht, neue Technologien direkt vom Computer in den Alltag überzuführen.
Nie wurde im Vorfeld einer SBB-Rollmaterialbeschaffung so viel über technische Spezifika publik, mit denen sich die interessierten Lieferanten zu profilieren beabsichtigen, wie im Zuge der bevorstehenden Vergabe von 59 doppelstöckigen Kompositionen für den Intercity- und den Interregio-Verkehr (NZZ 10. 3. 10), für die sich die Firmen Bombardier, Siemens und Stadler bewerben. Auch wurde kaum je so intensiv diskutiert, wie hoch denn der Anteil der schweizerischen Wertschöpfung an einem Auftrag der SBB sei.
Flaggschiff und Platzhirsch
Beides ist darauf zurückzuführen, dass es sich bei dieser Bestellung mit einem Volumen von 2,1 Milliarden Franken und der Perspektive auf Anschlussaufträge um das grösste einmalige
Beschaffungsvolumen der SBB überhaupt handelt. Zudem spiegelt die grosse Publizität die Tatsache, dass zum ersten Mal nicht nur eine Fahrzeug-Serie, sondern ein neues «Flaggschiff» der
Schweizerischen Bundesbahnen effektiv einen anderen Herstellernamen tragen könnte als jenen des nationalen Platzhirschs. Jahrzehntelang nahmen Konsortien der heimischen Lokomotiv- und Waggonbauer
diese Rolle wahr, von denen heute keiner mehr unter den damaligen Namen firmiert.
Letzte Exponenten der engen Zusammenarbeit zwischen SBB und industriellen Platzhirschen sind die Intercity-Doppelstockzüge, die heute das Bild auf den meistfrequentierten Achsen prägen. Ihre
Lokomotiven Re 460 wurden Anfang der 1990er Jahre von der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik Winterthur (SLM; Mechanik) und von ABB (elektrischer Teil) geliefert. Die Wagen entstanden
unter Federführung von Schindler mit der Schweizerischen Industriegesellschaft (SIG; Drehgestelle), der ABB (elektrische Ausrüstung), von Alusuisse-Lonza (Wagenkasten) und von Vevey Technologies
(Engineering und Fabrikation).
Kompetitiver verlief die Mitte der 1990er Jahre eingeleitete Beschaffung der Intercity-Neigezüge. In ihrem Fall offerierten drei Konsortien, wobei jenes mit dem Namen «Schweizer Neigezug» den
Zuschlag erhielt, das aus Adtranz (Ex-ABB), Schindler und Fiat-SIG bestand. Die deutsche Siemens hatte gemeinsam mit der SLM offeriert und die durch den Zukauf von Schindler, Vevey und Adtranz
erst später in der Schweiz vertretene kanadische Bombardier durch ihre deutsche Tochter Talbot. Heute heisst der schweizerische Platzhirsch Stadler. Parallel zum Niedergang traditionsreicher
Firmen (SLM) und zur Schliessung von Produktionsstätten (Bombardier Pratteln) mauserte sich der Nischenanbieter binnen zehn Jahren zum dominierenden Rollmaterialhersteller in der Schweiz.
Schlüssel für seinen nationalen und internationalen Erfolg waren solide, aber dennoch günstige Triebzüge für den Regionalverkehr.
Grosse technische Skepsis
Da die SBB, was ihr Rollmaterial angeht, im letzten Jahrzehnt vor allem im Regionalverkehr expandierten, liess sich so die Kontinuität schweizerischer Fahrzeuglieferungen aufrechterhalten.
Lediglich für die zweite Generation von Doppelstockzügen der Zürcher S-Bahn erhielt mit Siemens ein ausländischer Anbieter den Zuschlag. Aus der Ausschreibung der dritten Generation ging Stadler
siegreich hervor, die auf dieser Basis in die Produktion von mehrstöckigen Fahrzeugen einstieg. Ginge der Auftrag für die Intercity- und Interregio-Doppelstockzüge an Stadler, diente dieser dem
Thurgauer Unternehmen als Gesellenstück, mit dem es sich auf dem Terrain des überregionalen Eisenbahnverkehrs profilieren könnte.
Für Siemens böte ein Erfolg die definitive Etablierung im Schweizer Markt und für Bombardier, in deren globalisierter Arbeitsteilung die Schweiz vor allem Engineering-Standort ist, den
(Wieder-)Einstieg als Lieferant von Rollmaterial für den hiesigen überregionalen Verkehr. Herausgefordert sehen sich alle drei Anbieter durch die technische Komplexität des Auftrags. Die neuen
Kompositionen sollen zwei zusätzliche Voraussetzungen erfüllen, von denen alles andere als sicher ist, ob sie dereinst in ihrem Alltag zum Tragen kommen. – Sie sollen Kurven schneller bewältigen
als herkömmliche Doppelstöcker und nach Deutschland und Österreich verkehren können. Viele Fachleute hegen grosse Zweifel, ob sich eine derart komplexe und technische Störungsanfälligkeit
verheissende «eierlegende Wollmilchsau» direkt von der Computeranimation auf die Schienen stellen lässt, ohne dass Alltagsbetrieb und Passagiere darunter leiden. Zudem wird moniert, der
angestrebte Einsatz einer passiven Technik zur Beschleunigung in Kurven widerspreche früheren Erfahrungen und Messwerten in der Schweiz.
Die Rollmaterialindustrie scheint frei zu sein von solchen Zweifeln. Darf man ihren Statements Glauben schenken, sieht sie die Vielfalt der Anforderungen an einen einzigen Fahrzeugtyp in erster
Linie als Chance, welche die Entwicklung oder die Anwendung bereits lancierter technischer Innovationen befördert. Während sich Stadler zur konkreten technischen Lösung für eine höhere
Beschleunigung in den Kurven nicht äussert, setzen Bombardier und Siemens diese Komponente in der öffentlichen Diskussion um den Grossauftrag als Argument zu ihren Gunsten ein.
Beide Hersteller propagieren Drehgestelle, die auf erprobten Plattformen basieren und bis zu 15 Prozent höhere Kurvengeschwindigkeiten ermöglichen. Während Siemens auf die Einfachheit und
Robustheit der eigenen Lösung pocht, will Bombardier mit einer Variante punkten, die überdies eine geringere Beanspruchung der Geleise verspricht. Die Aufwendungen zur Ausarbeitung der Offerten
sind beträchtlich. Bei Bombardier, wo dafür 10 Millionen Franken aufgewendet wurden, gehörte dazu gar eine Studie zu bis nach München reichenden betrieblichen und fahrplantechnischen Chancen,
welche in Kurven beschleunigte Doppelstöcker bieten würden. Kein Thema ist das, was wohl den meisten Passagieren am stärksten am Herzen liegt: die Gestaltung des Innenraums. Nach den vorliegenden
Studien soll sie weitgehend jener der gegenwärtigen Intercity- Doppelstöcker entsprechen. Mit einer durchgehenden Vis-a-vis-Anordnung der Sitze scheinen die Bedürfnisse jassender
Freizeit-Reisender offenbar weiterhin höher gewichtet zu werden als jene arbeitender Pendler.
Preisdämpfende Wirkung
Abgesehen von allen Erwägungen zu Vor- und Nachteilen der neuen Züge sowie ihrer potenziellen Lieferanten ist eines positiv zu vermerken: die Tatsache, dass ein echter Wettbewerb der Lieferanten
stattfindet. Ebenso wie die Grösse der Stückzahl wirkt dieser preisdämpfend. Wie gross diesbezügliche Diskrepanzen sein können, macht ein Vergleich der Kosten pro Sitzplatz der Bestellungen bei
Stadler für S-Bahn-Doppelstockzüge deutlich. Bei der aus einer Ausschreibung mit valablen Konkurrenten hervorgegangenen dritten Generation der S-Bahn Zürich der SBB betragen diese bei 50 Zügen à
526 Sitzplätze knapp 39 000 Franken. Im Falle der daraus abgeleiteten 28 Züge à 336 Sitzplätze für die BLS, für die keine Konkurrenzofferte einging, beläuft sich dieser Betrag auf über 52 000
Franken.