Frauen erobern die Führerstände der SBB-Lokomotiven

Ladies wanted: Eine der letzten Männerbastionen fällt. Für den Traumberuf Lokführer werden von den SBB nun explizit Frauen gesucht.

 

Von Ruedi Baumann - Tages Anzeiger

 

«Ein Bodybuilding-Training brauchts als Lokführerin nicht», sagt Gabrielle Arnold (50) aus Langnau am Albis. Die ehemalige Musiklehrerin war 1991 eine der ersten Lokführerinnen der Schweiz. Als die militärische Diensttauglichkeit als heilige Bedingung aufgehoben wurde, bewarb sich Arnold als Lokführerin – sie war damals Zugassistentin auf der S-Bahn.

Ihren Vorgesetzten hatte Arnold damals eine Knacknuss aufgegeben. Sie setzte sich aber in Eignungstests und in der Ausbildung durch und pilotierte bald Züge durch die ganze Schweiz. Einfach war es als Frau nicht: «In den Depots gabs noch keine Frauen-WCs», erinnert sie sich. «Ich musste immer warten, bis kein Kollege in der Nähe war, und dann schnell reinschlüpfen.»

Info-Abende für Frauen

Ganz anders heute: In Zeitungsinseraten und an Info-Abenden werden aktiv Lokführerinnen gesucht. Grund ist die deutliche Dominanz der Männer bei den SBB über alle Bereiche hinweg. «Wir wollen den Frauenanteil bis 2014 von heute 14 auf 18 Prozent steigern», sagt Christine Spreyermann, Leiterin Gender Management der SBB.

 

Viel krasser sieht das Verhältnis auf den Lokomotiven aus: Von 3200 Lokführern bei SBB und SBB Cargo sind bloss 45 weiblich, das sind 1,4 Prozent. 14 Frauen sind zurzeit in der Schulung, 28 wurden seit 2006 ausgebildet. Wesentlich besser siehts bei den Zürcher Verkehrsbetrieben (VBZ) aus: In den Führerständen der Trams sitzen bereits 24 Prozent Frauen, die ersten wurden 1979 eingestellt. 12 Prozent der VBZ-Busse werden von Frauen pilotiert.

 

Hubert Giger, Präsident des Verbandes Schweizer Lokführer VSLF, heisst die Frauen auf den Lokomotiven willkommen. Er bezweifelt allerdings, dass bei den SBB Frauenförderung und Gleichstellung die einzigen Motive sind. «Lokführer ist offenbar nicht mehr der unbestrittene Traumberuf, deshalb wird nun die Werbung auch auf Frauen ausgedehnt.» Was Giger besonders wichtig ist: «Für diesen Beruf braucht es nach wie vor ein technisches Flair.» Beispiele: Das Verständnis einer Druckluftbremse, An- und Abkuppeln oder die Diagnose eines Heissläufers an der Bremse.

«Das kann eine Frau ebenso gut»

Ausgebildet werden die neuen Lokführerinnen durch den Ausbildungsverbund «Login». Bedingungen sind eine abgeschlossene Berufslehre oder eine Matura, gute Gesundheit und Sprachkenntnisse – neben Deutsch zusätzlich Französisch oder Italienisch. Am Anfang steht eine psychologische Tauglichkeitsuntersuchung. Dann folgen zehn Wochen theoretische Basisausbildung und zehn Monate Praxis.

 

Lokführerin Gabrielle Arnold, die heute in der Einsatzplanung für Lokführer arbeitet, sagt: «Wichtig ist, dass wir resistent gegen Monotonie sind und im Notfall sofort reagieren.» Zudem müssten Lokführerinnen auch im Stress – zum Beispiel auf der S-Bahn im Abendverkehr – ruhig bleiben. «Und das kann eine Frau ebenso gut wie ein Mann.»

 

Stephanie Kriesel von der Ausbildungsfirma «Login» nennt weitere Eigenschaften: Fingerspitzengefühl, rasche Auffassungsgabe und Freude am Bedienen moderner technischer Instrumente. Weil Frauen all dies mitbringen, rechnet sie damit, dass diese – wie bei den Trams – bald auch «die Führerstände der Lokomotiven erobern».